Finanzen

Aktien von Fiat Chrysler mit deutlichen Verlusten

Lesezeit: 3 min
23.07.2018 16:43
Der überraschende Abgang von Chef Marchionne sowie des Europa-Bereichschefs Altavilla lastet auf Fiat-Chrysler.
Aktien von Fiat Chrysler mit deutlichen Verlusten

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der neue Fiat-Chrysler-Chef Mike Manley tritt ein schwieriges Erbe an. Auch wenn sein charismatischer Vorgänger Sergio Marchionne mit dem vor wenigen Wochen präsentierten Strategieplan die Weichen für einen Übergang bereits gestellt hat, so trifft der durch Marchionnes schwere Erkrankung nun vorzeitig erzwungene Führungswechsel Mitarbeiter und Investoren wie aus dem heiteren Himmel. Am Montag trat zudem Europachef Alfredo Altavilla zurück. Er hatte neben Finanzvorstand Richard Palmer und Manley, der bisher die Marke Jeep leitete, als ein möglicher Nachfolger für Marchionne gegolten, der eigentlich erst im nächsten Jahr hatte abtreten wollen. Nachdem sich der Gesundheitszustand des 66-Jährigen jedoch überraschend verschlechtert hatte, berief Fiat Chrysler am Samstag Manley an die Unternehmensspitze.

Anleger reagierten nach dem überraschenden Führungswechsel verunsichert und warfen die Aktien des italienisch-amerikanischen Autokonzerns aus ihren Depots. Die Papiere verloren an der Mailänder Börse zeitweise mehr als fünf Prozent und an der New Yorker Börse über drei Prozent. Analysten gehen davon aus, dass sich der neue Fiat-Chrysler-Chef zunächst an Marchionnes Strategie orientieren kann. Längerfristig sei die Zukunft des weltweit siebtgrößten Autobauers jedoch unsicher.

"Manley weiß, dass sein Hauptaugenmerk auf der Ausführung liegt und dass er bereits eine Strategie hat, auf die sein Team eingeschworen ist", sagte George Galliers, Analyst bei Evercore ISI. Es gebe keinen Grund, dass der von Marchionne bis 2022 ausgegebene Kurs nicht umgesetzt werden könne. Max Warburton von der Beratungsgesellschaft Bernstein glaubt indes, dass Marchionnes Ziele Manley nur begrenzt als Anleitung dienen können. Manley habe eine schwierige Aufgabe vor sich. Denn er müsse die Finanzwelt erst von sich überzeugen, während Marchionne mit seiner Erfahrung aus 14 Jahren an der Unternehmensspitze bei Investoren hohes Ansehen genieße. Die anlässlich der Quartalszahlen am Mittwoch geplante Telefonkonferenz mit Analysten werde für den 54-Jährigen daher eine erste Bewährungsprobe. Erschwerend kommt der Rücktritt von Altavilla hinzu. Manley muss nun rasch einen geeigneten Kandidaten finden, um das Europageschäft auf Kurs zu bringen.

"Der Markt wusste, dass Sergio Anfang 2019 als CEO in den Ruhestand gehen würde, aber einige von uns gingen davon aus, dass er als Chairman bleiben und weiterhin Anweisungen geben würde", schrieb Warburton. Andere hätten die Hoffnung gehegt, dass Marchionne vor seinem eigentlich für April geplanten Abgang doch noch einen großen Deal verkünden werde. Der Italo-Kanadier hatte in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, den Konzern mit einem größeren Konkurrenten zu verbünden. Sein Werben wurde jedoch weder von Volkswagen noch von General Motors, Toyota und Ford erhört.

Deshalb hatte Marchionne seinen Fünf-Jahresplan darauf angelegt, die Überlebensfähigkeit von Fiat Chrysler Automobiles (FCA) durch Investitionen in Zukunftsfelder aus eigener Kraft zu sichern. Der Konzern soll stärker auf Elektroautos und autonomes Fahren setzen, um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren. Gleichzeitig soll die Produktion von Geländewagen hochgefahren werden, die weltweit stark gefragt sind und an denen die Hersteller gut verdienen.

Kurzfristig erwartet Warburton keine größeren Probleme für Fiat Chrysler. Der Nachteil durch den überraschenden Wechsel an der Spitze sollte sich zumindest in den nächsten zwölf Monaten in Grenzen halte. Langfristig könnten die Sorgen aber zunehmen. Denn Marchionne habe Fiat Chrysler in einem Befehls- und Kontrollstil mit konstanten Brandbekämpfungsmaßnahmen geführt. "Es gibt keine Bedienungsanleitung, der man folgen kann."

Im Vergleich dazu habe es der neue Ferrari-Chef Louis Camilleri vermutlich etwas leichter. Das Geschäft der Luxus-Sportwagenbauers sei offensichtlich das Bessere und einfacher zu führen, meint Warburton. "Aber er (Camilleri) erbt eine absurde Bewertung, einen Produktplan, der intern bei weitem noch nicht geklärt ist, und Finanzziele für 2021, die Sergio auf eine Serviette gekritzelt hat und die vielleicht schwer zu erreichen sein könnten."

Die größte Baustelle im Konzern ist nach Überzeugung der Experten jedoch das Massengeschäft von Fiat und Chrysler. "FCA muss die Volumenmarken flott machen, bevor es zu spät ist und es wieder attraktiv machen", sagte Felipe Munoz vom Analysehaus Jato. Dafür sei Manley der richtige Mann. Ohne Partner dürfte es indes schwierig werden, die Kosten für die Einhaltung der schärferen Klimaschutzvorgaben und die Investitionen in neuen Technologien zu stemmen.

Unter den Wettbewerbern aus der westlichen Welt und aus Japan ist Fiat Chrysler nach Ansicht von NordLB-Analyst Frank Schwope einer der schwächsten. Der Konzern verfüge über vergleichsweise wenig Geld für Neuentwicklungen und habe eine veraltete Modellpalette. Schwope sieht Fiat Chrysler daher über kurz oder lang als Übernahmekandidaten für einen chinesischen Autobauer.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

Jede Anlage am Kapitalmarkt ist mit Chancen und Risiken behaftet. Der Wert der genannten Aktien, ETFs oder Investmentfonds unterliegt auf dem Markt Schwankungen. Der Kurs der Anlagen kann steigen oder fallen. Im äußersten Fall kann es zu einem vollständigen Verlust des angelegten Betrages kommen. Mehr Informationen finden Sie in den jeweiligen Unterlagen und insbesondere in den Prospekten der Kapitalverwaltungsgesellschaften.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...

DWN
Technologie
Technologie 3D Spark: Ein Hamburger Start-up revolutioniert die Bahnbranche
25.04.2024

Die Schienenfahrzeugindustrie befindet sich in einem grundlegenden Wandel, in dessen Verlauf manuelle Fertigungsprozesse zunehmend...