Finanzen

Türkei: Zentralbank erwartet starken Anstieg der Inflation

Lesezeit: 3 min
01.08.2018 00:28
Die Türkei kämpft gegen eine stark steigenden Inflation. Investoren profitieren dagegen von hohen Renditen bei türkischen Staatsanleihen.
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Die türkische Notenbank hat ihre jährliche Inflationsprognose am Dienstag auf 13,4 Prozent angehoben, nachdem sie die Zinsen zur Stärkung der Lira auf niedrigem Niveau hält. Die Entscheidung, den Ausblick von einer früheren Prognose von 8,4 Prozent im April zu erhöhen, kommt aufgrund der Bedenken von Investoren über die Unabhängigkeit der Zentralbank. Murat Cetinkaya, der Zentralbank-Gouverneur, wies Behauptungen zurück, dass eine politische Einmischung seine Fähigkeit beschränkte, die steigende Inflation zu bekämpfen. Die Verbraucherpreisinflation stieg im Juni um 15,4 Prozent, dreimal höher als das offizielle 5-Prozent-Ziel. In einem vierteljährlichen Inflationsbrief sagte Cetinkaya, dass die Inflationsaussichten die Auswirkungen der fallenden Lira widerspiegelten, die seit Jahresbeginn ein Fünftel ihres Wertes verloren habe. Außerdem verwies er auf die steigenden Nahrungsmittel- und Energiepreise. Auf die Frage der Financial Times, ob sich Investoren zu Unrecht über politische Einmischung Sorgen machen, bestand Cetinkaya darauf, dass die Zentralbank und ihr geldpolitisches Komitee "nur auf der Grundlage der Inflationsaussichten Entscheidungen treffen". Er wies auf drei drei Zinserhöhungen im April, welche als Beweis für eine "ernsthafte und erhebliche Verschärfung" der Geldpolitik zu sehen seien.

Rob Drijkoningen von der US-Investmentgesellschaft Neuberger Berman Group sagt, dass Sorgen über die Überhitzung der türkischen Wirtschaft und ein breiterer Ausverkauf in den Schwellenländern dazu geführt haben, dass die Lira im ersten Halbjahr gegenüber dem Dollar um 22 Prozent an Wert verloren hat. Allerdings liege dies nicht im Verantwortungsbereich des türkischen Präsidenten Erdoğan, dessen verantwortungsvolle Geld- und Finanzpolitik ein Schlüsselelement der Wirtschaftsleistung der Türkei sein wird. Dies führt er in einem Beitrag des Magazins International Investment aus.

Im vergangenen Jahr betrug das türkische Wachstum sieben Prozent. Im ersten Quartal des aktuellen Jahres lag das Wachstum bei 7,4 Prozent, was vor allem auf die angepasste Geld- und Fiskalpolitik zurückzuführen war, die das Kreditwachstum, den Konsum sowie die Immobilien- und Baubranche ankurbelte. Dies steht nach Angaben von Drijkoningen im Einklang mit Erdoğans Vorstoß für Megaprojekte vor dem hundertsten Jahrestag der Republik im Jahr 2023. Das Leistungsbilanzdefizit hat sich teilweise aufgrund höherer Ölpreise weiter vergrößert, da die Türkei ein großer Nettoölimporteur ist. Zum Teil auch deshalb, weil die ausländischen Direktinvestitionen nach wie vor niedrig sind und nur 15 bis 20 Prozent des Leistungsbilanzdefizits ausmachen, gegenüber durchschnittlich 80 Prozent im übrigen Mittel- und Osteuropa.

Diese Ungleichgewichte haben das Anlageumfeld belastet, was den Ausverkauf der Lira gefördert und die Notenbank gezwungen hat, die Zinsen im Kampf gegen die Inflation um fünf Prozentpunkte zu erhöhen. Das offizielle Inflationsziel liegt bei fünf Prozent, aber der Verbraucherpreisindex für Juni wies eine Rate von 15,4 Prozent auf, der höchste Wert seit der Einführung einer neuen Methode zur Messung der Inflation im Jahr 2004. Der Erzeugerpreisindex zeigt bereits eine Inflation von 24 Prozent.

Erdoğan vertritt die unorthodoxe Ansicht, dass höhere Zinssätze höhere Inflation verursachen und nicht umgekehrt, während der scheidende Premierminister Binali Yıldırım die „Senkung der Zinssätze und die Senkung der Inflation” als oberste Prioritäten wiederholte.

Türkische Staatsanleihen sind begehrt

Drijkoningen argumentiert, dass trotz dieser belastenden Aspekte die türkische Wirtschaft eine gute Ausgangslage habe. Der Investor wörtlich: „Bei allen Herausforderungen scheint der Ausgangspunkt der Türkei jedoch stark zu sein. Die öffentliche Verschuldung beträgt nur 25 Prozent des BIP und das Haushaltsdefizit betrug letztes Jahr nur 2,1 Prozent des BIP. Während angesichts der schwachen Lira und der anstehenden Konjunkturabschwächung das Risiko eines Anstiegs der notleidenden Kredite besteht, scheint der türkische Bankensektor insgesamt gesund und liquide zu sein. Die türkische Wirtschaft sticht aus Ländern mit externen Ungleichgewichten, die höheren globalen Kreditkosten ausgesetzt sind, hervor. Marktdisziplin sowie große Devisenverbindlichkeiten im nichtfinanziellen Unternehmenssektor dienen als wirksame Kontrolle der ultra-wachstumsstarken Geld- und Finanzpolitik. Die Türkei hat auch eine Reihe struktureller Stärken, einschließlich einer starken demografischen Entwicklung und eines dynamischen und wettbewerbsfähigen Privatsektors, der wichtige Verbindungen in der europäischen Lieferkette darstellt.”

Diese Faktoren seien maßgeblich für das Interesse internationaler Investoren an türkischen Staatsanleihen. Sowohl Hartwährungsanleihen als auch lokale Währungsanleihen seien „positiv” zu bewerten. „Auf der Währungsseite sehen wir türkische Spreads (Risikoaufschlag, um Investoren zu locken, Anm. d. Red.), die kurzfristige politische und geopolitische Risiken beinhalten. Die Anleihen werden im Einklang mit B + Krediten gehandelt, während die Türkei derzeit mit BB bewertet wird, was unseres Erachtens das Risikoverhältnis nicht vollständig berücksichtigt”, so der Drijkoningen. Der Investor führt aus, dass in Lira denominierte türkische Staatsanleihen einen „potenziellen Wert” bieten.

Regierung hebt Verbot von Fremdwährungsanleihen bei Unternehmen auf

Nach Angaben der DenizBank lag die Rendite der Staatsanleihen bei einer Laufzeit von zehn Jahren am 31. Juli bei 18,41 Prozent. Bei Staatsanleihen mit einer Laufzeit bis zum 13. November 2019 lag die Rendite bei 20,57 Prozent. Der türkischsprachige Dienst von Bloomberg führt aus, dass das türkische Wirtschaftsministerium angekündigt hat, das Verbot für die Emission von Unternehmensanleihen in ausländischen Währungen aufzuheben. Zuvor durften türkische Unternehmen ausschließlich Anleihen in der Landeswährung begeben. Den türkischen Unternehmen soll somit die Möglichkeit gegeben werden, an Devisen heranzukommen, um ihre Liquidität zu garantieren. Ein hochrangiger türkischer Banker sagte Bloomberg: „Zahlreiche Finanzinstitutionen und Unternehmen der Realwirtschaft musste Anleihen im Ausland begeben. Das war natürlich mit Kosten verbunden, da sie Emission von Vermittlern vorgenommen wird (...) Ich halte diesen aktuellen Schritt für sehr hilfreich. In der Vergangenheit hatten ausländische Investoren nicht viele Möglichkeiten, Deviseninvestitionen vorzunehmen. Mit der Aufhebung des Verbots wird auch das Fremdwährungsrisiko minimiert.”

Die Aufhebung des Verbots wird offenbar dazu führen, dass es Devisenzuflüsse gibt, was wiederum die Menge an Fremdwährungen in der Türkei erhöhen wird. Dies würde unter normalen Umständen zu einer Stabilisierung der Türkischen Lira führen, da die Menge an Fremdwährungen die Menge an Türkischen Lira übertreffen könnte.

 


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