Im Falle eines ungeordneten Ausscheidens Großbritanniens aus der EU dürften Zentralbanken weltweit Pfund Sterling im Umfang von ungefähr 100 Milliarden Pfund (rund 110 Milliarden Euro) abstoßen. Dies geht aus einer Analyse der Bank of America hervor, über die The Business Times berichtet.
Je offensichtlicher werde, dass Großbritannien ohne Nachfolge-Abkommen von seinem größten Handelspartner getrennt werde, desto eher dürften die Zentralbanken mit den Verkäufen beginnen, schätzen die Analysten der Bank. Denn halten sie ihre Währungs-Bestände zu lange, drohen ihnen aufgrund der dann am breiten Markt einsetzenden Panikverkäufe hohe Wertverluste.
Bislang wollten die EU und Großbritannien bis Mitte Oktober eine Einigung bei den Verhandlungen miteinander erzielen. Am Mittwoch wurde dann bekannt, dass beide Seiten dieses Zieldatum wahrscheinlich um einen Monat verschieben werden. Bereits der Oktober-Termin war das Resultat einer Terminverschiebung. Ursprünglich wollten beide Seiten bis Juni eine Lösung über ein Nachfolgeabkommen finden. Damit mehren sich die Anzeichen dafür, dass es womöglich nie zu einer Einigung und damit zu einem „harten Brexit“ kommen wird.
Der Pfund-Verkauf durch die Zentralbanken könnte als Katalysator für eine weitere deutliche Abwertung der britischen Währung fungieren. Bereits nach dem Brexit-Entscheid im Sommer 2016 sackte der Kurs des Pfund gegenüber Euro und Dollar deutlich von etwa 0,76 auf jetzt etwa 0,90 Pfund ab.
Daten des Internationalen Währungsfonds zeigen, dass die britische Landeswährung rund 4,5 Prozent der gesamten Zentralbankreserven weltweit ausmacht. Die Bank of America hingegen geht von einem Wert um 3,6 Prozent aus.
Eine weitere deutliche Abwertung der Landeswährung wäre sehr gefährlich für Großbritannien, weil sie die ohnehin steigende Inflation im Land noch einmal deutlich verstärken würde. Grund dafür ist die Tatsache, dass Großbritannien hohe Handelsdefizite aufweist.
Da beträchtliche Teile der britischen Bevölkerung ohnehin hochgradig überschuldet und von weiteren Krediten abhängig sind, wäre eine akzentuierte Verteuerung der Preise des täglichen Bedarfs sehr kritisch zu bewerten. Zudem haben sich britische Unternehmen und der Staat in den vergangenen Jahren in hohem Maße verschuldet – zumindest die Schuldner von Fremdwährungskrediten dürften daher durch eine Pfund-Krise in Bedrängnis geraten.