Politik

Exoten im Süden: Bayern mit konservativ-liberaler Mehrheit

Die CSU hat in Bayern zwar massiv verloren. Dennoch haben die Wähler mit klarer Mehrheit konservativ-liberal gewählt. Damit ist Bayern deutlich anders als der Rest der Republik.
15.10.2018 02:08
Lesezeit: 2 min

Würde die CDU auf Bundesebene oder in einem anderen Bundesland eine Wahl mit 37,2 Prozent der Stimmen auf Platz eins beenden, würde dies als historischer Triumph gewertet.

Das Ergebnis aus Bayern laut Hochrechnung der ARD von 02.05 Uhr:

Bei den Landtagswahlen haben CSU und SPD die erwartete Niederlage eingefahren. Das vorläufige amtliche Endergebnis:

CSU: 37,2 Prozent (2013: 47,7)

Grüne: 17,5 Prozent (8,6)

Freie Wähler: 11,6 Prozent (9)

AfD: 10,2 Prozent (-)

SPD: 9,8 Prozent (20,6)

FDP: 5,1 Prozent (3,3)

Linke: 3,2 Prozent (2,1)

Übrige: 5,3 Prozent

In Bayern dagegen wird dieses Ergebnis als Erdrutsch gewertet – weil die CDU von 47,4 Prozent gekommen ist und das Land seit Jahrzehnten mehr oder weniger im Alleingang regiert hat.

Die bayrischen Wähler haben allerdings nur andere Parteien, und keine andere Politik gewählt: CSU, Freie Wähler und FDP kommen gemeinsam auf 53,9 Prozent. Bei der vergangenen Wahl hatten diese Parteien gemeinsam 60 Prozent erreicht. Allerdings gab es 2013 noch keine AfD. Diese hat mit ihren 10,3 Prozent den bürgerlichen Parteien einiges abgenommen, bleibt jedoch deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Würde man CSU, Freie Wähler und die FDP gemeinsam mit der AfD zum rechten Lager zählen, wäre dieses bei den Landtagswahlen gestärkt worden: Die vier Parteien erreichen gemeinsam 64,1 Prozent.

Das linke Lager aus SPD, Grünen und Linkspartei hatten 2013 insgesamt 31,3 Prozent gewählt. Am Sonntag brachte es rot-rot-grün auf 30,5 Prozent.

Damit ist in Bayern eine stabile Regierung möglich – ein in Europa heute schon eher seltener Zustand. Stabil bedeutet auch, dass sich die Parteien auf einen gemeinsamen Kurs einigen und eine Politik betreiben können, die den Wählerwillen abbildet. Im bayrischen Fall begünstigt die Parteienvielfalt die Demokratie, führt zu wechselseitiger Kontrolle beim Regieren auch innerhalb der Regierung. Der Erfolg der Freien Wähler ist auch deshalb bemerkenswert, weil diese Partei seit Jahren klassische Basisarbeit in den Kommunen betreibt, die weniger von Ideologie als vielmehr von lokalen Interessen getrieben wird.

Das Ergebnis dürfte, anders als von manchen Beobachtern, nicht zu unmittelbaren personellen Konsequenzen auf Bundesebene führen.

Allerdings wird es in der CDU über kurz oder lang eine Debatte um Angela Merkel geben. Die Kanzlerin kann für sich zwar immer noch den Bonus der Amtschefin ins Treffen führen. Aber ihr Hauptproblem ist die Regierungsfähigkeit: Sie hat in den vergangenen Jahren deutlich linke Positionen adaptiert. Daher konnte sie Regierungen mit allen anderen Parteien bilden, weil sie zu Grünen und SPD gleichermaßen koalitionsfähig ist.

Eine linke CDU ist allerdings nicht das, was sich bürgerlich-liberale Wähler wünschen. In den Koalitionskompromissen finden sich die Kernwähler der CDU nicht wieder – das gilt für alle zentralen Themen wie Bildung, Migration und Ordnungspolitik.

Weil die FDP auf Bundesebene sich aktuell eher links positioniert und die AfD von der CDU als Koalitionspartner kategorisch ausgeschlossen wird, hat die CDU auf Bundesebene die wichtigste Voraussetzung zum Regieren verloren – die Machtoption. Sie kann nur weiter regieren, wenn sich die Partei von ihren Wählern weiter entfernt. Damit verschafft sie der AfD Zulauf und bereitet langfristig den Weg für eine linke Bundesregierung – mit oder ohne Linkspartei. Wenn es für eine linke Mehrheit nicht reicht, ist Deutschland unregierbar.

Der Preis für den jahrelangen Machterhalt einer linken CDU unter Merkel könnte somit langfristig das Chaos oder der Weg auf die harte Oppositionsbank sein. Die Bayern mit ihrer konservativen Mehrheit bleiben in diesem Szenario Exoten in einer bundespolitischen Konstellation, die durchaus zu einer stärkeren Desintegration Deutschlands führen könnte.

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