Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen will mit einem Urteil ältere Diesel-Fahrzeuge ab Juli von einem zentralen Teil der Autobahn 40 verbannen. Vom September an würden auch Fahrzeuge der Schadstoffklasse 5 erfasst, teilte das Gericht mit - wenn die Landesregierung in NRW nicht gegen die Entscheidung vom Donnerstag vorgeht. Die Bundesregierung versucht, die sich in immer mehr Städten abzeichnenden Fahrverbote mit einem höheren Stickoxid-Richtwert auszubremsen. Das Kabinett beschloss eine Gesetzesregelung, wonach Fahrverbote in Städten mit einer Stickoxid(NOx)-Belastung von unter 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft als unverhältnismäßig gelten. Der Wert ist ein Viertel höher als die bereits 2010 festgeschriebene EU-Grenze von 40 Mikrogramm.
Die A40 läuft durch das Ruhrgebiet und wird täglich von Tausenden von Pendlern genutzt. Sie kreuzt dabei auch das Essener Stadtgebiet. Für weite Teile der Ruhrgebietsstadt verhängte das Gericht auf Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH)nun aber eine Fahrverbotszone, damit die Stickoxid-Werte künftig eingehalten werden können. Die entsprechende Zone umfasse auch "die Teilstrecke der Bundesautobahn (BAB) 40 durch das Essener Stadtgebiet", teilte das Gericht mit: "Fahrverbote hält die zuständige Kammer (..) für unverzichtbar, um die Gesundheit der Anwohner, Besucher und Verkehrsteilnehmer zu schützen." Im benachbarten Gelsenkirchen soll es ebenfalls ein Fahrverbot für alte Diesel geben - dies soll ab 1. Juli 2019 für eine Hauptverkehrsstraße gelten.
Gegen beide Urteil kann die von der DUH beklagte Landesregierung vor das Oberverwaltungsgericht in Münster ziehen. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser machte bereits deutlich, dass das Land dies wohl auch tun wird. Dort, wo zonale Fahrverbote drohten und etwa eine Stadt oder eine Autobahn im Zentrum eines Ballungsgebietes betroffen seien, sei "schon jetzt absehbar, dass die Landesregierung in Berufung gehen wird". Ziel sei es aber auch, die Luftqualität zu verbessern.
Die Umwelthilfe führt derzeit Verfahren in rund 30 Städten. Durch die Klagewelle, mit der die Umweltlobby die Einhaltung der seit 2010 geltenden Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid durchsetzen will, könnte es unter anderem auch in Köln, Bonn, Aachen, Berlin, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Mainz Diesel-Fahrverbote geben.
Die Bundesregierung zielt dagegen mit ihrer Neuregelung darauf ab, bundesweit Verbote zu vermeiden. Nach der Neuregelung des Immissionsschutzgesetzes - mit der der Grenzwert hierzulande nach oben geschraubt wird - sollen Fahrverbote weder für Autos der neueren Norm Euro-6 noch für solche mit einem Ausstoß unter 270 Milligramm NOx pro Kilometer gelten. Die DUH sprach von einem skandalösen und rechtswidrigen Vorhaben. Gerichte werde dies nicht von Fahrverboten abhalten, da die EU-Grenzwerte bindend seien. Zudem werde man ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anstoßen. Die DUH argumentiert, das Recht der Europäischen Union mit der 40-Mikrogramm-Schwelle sei eindeutig. Eine Änderung "ignoriert geltendes Recht und ist letztlich willkürlich" schrieb die Organisation in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.
Mit der Änderung des sogenannten Bundes-Immissionsschutzgesetzes setzt die Regierung Beschlüsse des Koalitionsgipfels aus dem Oktober um. Die Spitzen von Union und SPD hatten damals beschlossen, etwa Behördenfahrzeuge und Lieferwagen mit Katalysatoren nachrüsten zu lassen. Zudem sollten Prämien der Hersteller Diesel-Fahrer zum Umstieg auf saubere Autos in Regionen mit besonders hoher Belastung bewegen. Dort soll eine Nachrüstung für bestimmte Autos ebenfalls möglich sein. Volkswagen und Daimler haben auf Druck der Regierung dafür zuletzt zwar Hilfen bis zu 3000 Euro in Aussicht gestellt, BMW lehnt dies aber wie ausländische Hersteller weiter ab. Zudem wird eine technische Nachrüstung aufgrund von Zulassungsverfahren laut Verkehrsminister Andreas Scheuer überhaupt erst ab 2021 möglich sein.