Politik

Bruder-Krieg: Putsch-Vorbereitungen in Saudi-Arabien

In Saudi-Arabien suchen die Gegner des Kronprinzen, im letzten Moment die Thronfolge zu verhindern. Die USA sind in der Frage gespalten.
20.11.2018 13:59
Lesezeit: 2 min

Wegen der Nachricht von der Ermordung des saudischen Staatsbürgers und früheren Top-Geheimdienstlers Jamal Khashoggi wächst im saudischen Königshaus laut Reuters offenbar der Widerstand gegen Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS). Mehrere Mitglieder des Hauses Al-Saud träfen Vorbereitungen, um zu verhindern, dass Bin Salman König werde, sagten drei Insider aus dem Umfeld des Königshauses der Nachrichtenagentur Reuters. Dutzende Prinzen und Cousins aus mächtigen Zweigen der Familie Al-Saud seien für eine Änderung der Thronfolge. Sie würden aber nicht handeln, solange König Salman - der 82 Jahre alte Vater des Kronprinzen - noch am Leben sei. Ihnen sei klar, dass Salman sich kaum gegen seinen Lieblingssohn stellen werde.

Stattdessen berieten sie mit anderen Familienmitgliedern über die Möglichkeit, dass nach dem Tod des Königs dessen jüngerer Bruder, Prinz Ahmed bin Abdulasis, den Thron übernehmen könne. Der 76-Jährige war fast 40 Jahre lang stellvertretender Innenminister und ist Salmans einziger überlebender Vollbruder. Er hätte die Unterstützung der Familie, des Sicherheitsapparates und einiger westlicher Länder, sagte ein saudischer Insider. Der US-Geheimdienst CIA hält Bin Salman nach Angaben aus US-Regierungskreisen für den Auftraggeber des Mordes an Khashoggi. Die saudische Staatsanwaltschaft weist diesen Vorwurf zurück.

Prinz Ahmed war im Oktober nach einem zweieinhalbmonatigen Auslandsaufenthalt nach Riad zurückgekehrt. Während seiner Reise schien er die saudische Führung zu kritisieren, als er in London auf Demonstranten einging, die den Sturz des Hauses Al-Saud forderten. Prinz Ahmed sei zudem eines von nur drei Mitgliedern des Familienrates gewesen, die 2017 die Ernennung Bin Salmans zum Kronprinzen ablehnten, berichteten zwei Insider damals. Weder von Prinz Ahmed noch von der Führung in Riad war zunächst eine Stellungnahme zu erhalten.

Zum Haus Al-Saud zählen Hunderte Prinzen. Im Gegensatz zu traditionellen europäischen Monarchien geht der Königstitel hier aber nicht automatisch vom Vater auf den ältesten Sohn über. Stattdessen schreiben die Stammestraditionen vor, dass der König und hochrangige Mitglieder jedes Familienzweiges denjenigen als Nachfolger auswählen, der ihnen am besten geeignet erscheint. Hochrangige US-Vertreter hätten in den vergangenen Wochen angedeutet, dass sie Prinz Ahmed als potenziellen Nachfolger Salmans unterstützen würden, sagten saudische Insider. Sie zeigten sich zugleich zuversichtlich, dass Prinz Ahmed keine der sozialen oder wirtschaftlichen Reformen Bin Salmans rückgängig machen und bestehende Rüstungsverträge einhalten würde.

Das Verhältnis einiger US-Vertreter zu Bin Salman ist seit langem angespannt: Wie Bob Woodward in seinem Trump-Buch enthüllt hat, hatte der gesamte US-Apparat auf den Bruder von MBS gesetzt. Nur Jared Kushner habe MBS als potentiellen Kronprinzen ausgemacht und recht behalten. Die MBS-Gegner sind nun offenbar verärgert, weil Bin Salman das Verteidigungsministerium in Riad angewiesen habe, Rüstungslieferungen aus Russland als Alternative zu Geschäften mit den USA zu prüfen. Auch hierzu war weder aus Russland noch aus Riad zunächst eine Stellungnahme zu erhalten.

Der Kronprinz hat sich mit Reformen wie dem Ende des Fahrverbotes für Frauen und der Zulassung von Kinos in dem konservativen Land Popularität verschafft. Zugleich ging er jedoch hart gegen Oppositionelle und Gegner in der eigenen Familie vor und trieb den teueren Krieg im Jemen voran. Das Haus Al-Saud gilt daher insgesamt als geschwächt.

Ein entscheidender Faktor für die weitere Entwicklung Saudi-Arabiens werde sein, welche Haltung die USA einnähmen, sagten saudische Insider. US-Präsident Donald Trump und sein Schwiegersohn und Berater Jared Kushner haben eine enge persönliche Beziehung zum Kronprinzen aufgebaut. Bin Salman habe das Gefühl, dass er immer noch auf ihre Unterstützung zählen könne, erklärte ein saudischer Insider. König Salman selbst wiederum scheine die Hinweise auf eine Verwicklung des Kronprinzen in die Ermordung Kashoggis nicht sehen zu wollen. Er vermute eine Verschwörung gegen das Königreich, wirke aber besorgt und niedergeschlagen.

Stirbt der König oder kann er die Herrschaft nicht länger ausüben, würde der 34-köpfige Familienrat, in dem alle Zweige des Königshauses vertreten sind, nicht automatisch Bin Salman zu seinem Nachfolger erklären. Obwohl dieser Kronprinz sei, müsse der Rat seinen Aufstieg noch absegnen, sagte ein Insider. Dass der Familienrat Bin Salman auf den Wunsch seines Vaters hin zum Kronprinzen gemacht habe, bedeute nicht unbedingt, dass er auch König werde - zumal er versuche, die Macht des Rates zu beschneiden.

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