Die Wirtschaft fordert einen Neuanfang bei den deutsch-russischen Beziehungen. „Ein isoliertes und von der Zusammenarbeit mit der EU ausgegrenztes Russland wird kein besserer Nachbar werden“, heißt es in einem am Freitag vorgestellten Positionspapier des Ost-Ausschusses - Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft. Es sei höchste Zeit, wieder eine „gemeinsame, zukunftsorientierte Agenda“ zu entwickeln.
Der Ostausschuss rät deutschen Firmen, am Russland-Geschäft trotz drohender US-Sanktionen gegen das Land festzuhalten. Die angedachten US-Sanktionen seien vage formuliert, sagte der Vereinsvorsitzende Wolfgang Büchele am Freitag in Berlin. Konkrete Drohungen gegen einzelne Firmen gebe es noch nicht.
Büchele kritisierte erneut den Widerstand der US-Regierung gegen die Gas-Pipeline Nord Stream 2. "Sollten die USA die Abnahme von russischem Gas sanktionieren wollen, wäre dies ein Eingriff in die Souveränität Europas und die Souveränität Deutschlands." Er hoffe, dass die Politik dann eingreife. Die US-Regierung lehnt wie einige osteuropäische EU-Staaten den Bau einer zweiten Röhre der Ostsee-Pipeline ab, die russisches Gas über Deutschland in die EU bringen soll. Außenminister Heiko Maas hatte am Donnerstag betont, dass die Bundesregierung das Projekt weiter unterstütze.
Der Ost-Ausschuss spricht zudem von einem verlorenen Jahrzehnt in den EU-Russland-Beziehungen. Nach mittlerweile vier Jahren Sanktionen mit aggregierten Verlusten in Höhe von über 100 Milliarden Euro für die russische und europäische Wirtschaft müssten beide Seiten ein hohes Interesse daran haben, das anhaltende Tief in den bilateralen Beziehungen gemeinsam zu überwinden.
Ziel müsse eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland sein. Deutlich erleichtert würde dies etwa durch den Abbau von Handelshemmnissen und Visa-Auflagen bis hin zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraums in möglichst naher Zukunft. Die EU-Russland-Gipfeltreffen sollten wiederbelebt werden.
„Die bestehenden gravierenden politischen Differenzen und Konflikte, die zu gegenseitigen Sanktionen geführt haben, sollen nicht ausgeklammert oder verschwiegen werden“, heißt es weiter. Investoren müssten sich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz verlassen können.
Das Papier skizziert 15 strategische Themenfelder mit Kooperationsmöglichkeiten - zum Beispiel bei der Digitalisierung der Wirtschaft, der Umsetzung von Klimazielen, der Erforschung des Weltraums und der Arktis und der Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung. Trotz gegenseitiger Sanktionen – welche von den US-Regierungen der vergangenen Jahre gefordert wurden – sei Russland nach China und den USA weiter drittwichtigster Handelspartner der EU.