Politik

Ärzte schreiben Brandbrief gegen Feinstaub-Grenzwerte der EU

Lesezeit: 2 min
23.01.2019 16:00
Die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide beruhen auf fehlerhaften Studien, sagen 112 Lungenfachärzte in einem öffentlichen Brandbrief. Daher seien Fahrverbote und Gesetze gegen Silvesterböller sinnlos.
Ärzte schreiben Brandbrief gegen Feinstaub-Grenzwerte der EU

Mehr zum Thema:  
Auto >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Auto  

In einem am Mittwoch veröffentlichen Brandbrief zweifeln 112 Lungenfachärzte den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide an. Sie sehen derzeit keine wissenschaftliche Begründung, die die Grenzwerte rechtfertigen würde.

Viele der Studien über vermeintliche Gefahren durch Luftverschmutzung hätten erhebliche Schwächen, schreiben die Fachmediziner in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), der Deutschen Lungenstiftung und des Verbandes Pneumologischer Kliniken (VPK).

Zudem seien die Daten einseitig interpretiert worden. Daher fordern die Lungenärzte eine Neubewertung der bisherigen Studien durch unabhängige Forscher. Verfasst wurde das Papier von Dieter Köhler, dem ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, und drei Ko-Autoren.

Die Autoren weisen Zahlen zurück, wonach es in Deutschland jedes Jahr bis zu 13.000 Sterbefälle durch durch Stickstoffverbindungen in der Luft und bis zu 80.000 zusätzliche Sterbefälle durch Feinstaub geben soll.

Denn etwa die gleiche Anzahl an Menschen sterbe jedes Jahr an Lungenkrebs, der durch Zigarettenrauch bedingt worden ist, sowie an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD).

"Lungenärzte sehen in ihren Praxen und Kliniken diese Todesfälle an COPD und Lungenkrebs täglich; jedoch Tote durch Feinstaub und NOx, auch bei sorgfältiger Anamnese, nie. Bei der hohen Mortalität müsste das Phänomen zumindest als assoziativer Faktor bei den Lungenerkrankungen irgendwo auffallen."

Die Grenzwerte, die per EU-Verordnung erlassen wurden, seien daher "völlig unsinnig", sagte Dieter Köhler der WELT. "Wenn man die Belastung, der ein Zigarettenraucher ausgesetzt ist, mit der angeblichen Belastung durch Feinstaub vergleicht, müsste eigentlich jeder Raucher binnen weniger Wochen tot umfallen."

Köhler kritisiert, dass die den Grenzwerten zugrunde liegende WHO-Studie wesentliche Aspekte ausklammere, wenn sie die etwas kürzere Lebenserwartung von Anwohnern verkehrsreicher Straßen mit der Lebenserwartung in besseren Wohngegenden vergleicht.

„Unter den Menschen, die in Gegenden mit besonders hoher Feinstaubbelastung wohnen, gibt es mehr Raucher, es wird mehr Alkohol konsumiert und weniger Sport getrieben. Das alles hat mehr Auswirkungen auf die Gesundheit als etwas Feinstaub.“

Unterstützung erhalten die Lungenärzte von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Dieser hält die Zweifel an den vermeintlichen Belegen für größere Gesundheitsgefahren durch Feinstaub und Stickoxide für gerechtfertigt.

"Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Initiative sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, "Sachlichkeit und Fakten in die Diesel-Debatte zu bringen".

Der Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub aus Dieselmotoren spielt eine große Rolle in der Debatte um Fahrverbote in schadstoffbelasteten Städten. Aber auch Benzinmotoren, Silvesterböller und die Landwirtschaft stehen nun in der Kritik. Ob die Kritik der Ärzte Änderungen an den Grenzwerten anstoßen kann, ist ungewiss. Denn die EU-Verordnung hat Vorrang vor nationalem Recht.


Mehr zum Thema:  
Auto >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...

DWN
Technologie
Technologie Astronaut Alexander Gerst rechnet mit permanenter Station auf dem Mond
23.04.2024

Eine feste Basis auf dem Mond - das klingt für viele noch nach Science Fiction, soll aber schon bald Realität werden. Für Astronaut...

DWN
Politik
Politik Zeitungsverlage mahnen von Politik zugesagte Hilfe an
22.04.2024

Der Medienwandel kostet Zeitungshäuser viel Kraft und Geld. Von der Politik fühlen sie sich dabei im Stich gelassen. Sie erinnern die...

DWN
Immobilien
Immobilien Stabilere Aussichten für deutschen Gewerbeimmobilienmarkt nach Volatilität
22.04.2024

Die Nachfrage insbesondere nach Büros im deutschen Gewerbeimmobiliensektor war verhalten im Jahr 2023. Das Segment ist stärker als andere...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Konflikt: Israels mutmaßlicher Angriff und Teherans Machtspiele
22.04.2024

Ein möglicher israelischer Luftangriff gegen den Iran kennzeichnet die bisherige Spitze der Eskalation im Nahostkonflikt. Dennoch bleibt...