Wie sich herausstellt, gehört es seit der Zypern-Krise zum offiziellen Repertoire des Euro-Systems, dass schriftlich auf offiziellem Briefpapier gelogen wird. Der TV-Sender Sigma TV ist in den Besitz eines Schreibens der Notenbank von Zypern gelangt. Darin nimmt diese Bezug auf einen Artikel in der Financial Times. Es ging um eine neuartige Form der Bankenrettung. Als sie ruchbar wurde, setzte die Kapitalflucht ein (hier).
Die FT hatte berichtet, dass die Troika einen Haircut für Bank-Guthaben in Zypern vorbereite. Der niederländische Zentralbanker Klaas Knot sagte, dass es solche Überlegungen schon seit längerem in Europa gäbe (hier).
Der Kommunikations-Chef der Nationalbank von Zypern, George Georgiou, schrieb einen Brief an die Banker des Landes, in dem er den Bericht der FT dementierte. Er dementierte den Bericht jedoch nicht, wie man das professionell machen könnte. Sondern er log die Empfänger seines Briefes glatt an.
Schwarz und weiß, noch dazu triefend vor Pathos.
Georgiou schrieb: Ein solcher Haircut sei rechtlich verboten – daher werde darüber nicht einmal diskutiert. Er zitierte die Verfassung von Zypern und das Erste Protokoll der Europäischen Menschenrechts-Konvention: Niemals würde die Zentralbank so etwas machen.
Das war am 11. Februar. Ein Monat später wurde genau der Beschluss gefasst: Haircut für alle Bank-Einlagen.
Verfassung? Menschenrechte? Schnee von gestern.
Es mag ja sein, dass es schwierig ist, bestimmte Dinge unter der Decke zu halten. Es mag auch sein, dass die Lage beim Geld besonders kritisch ist und man nicht alles beim Namen nennen kann.
Glatte Lügen zerstören jedoch die Grundlage des Wirtschafts-Systems. Je mächtiger und je undurchschaubarer die Zentralbanken werden, desto nötiger wird es aus ihrer Sicht, zu lügen.
Die Folgen sind verheerend.
Wann immer Mario Draghi von jetzt an auftritt, wird man an Herrn Georgiou zu denken haben: Lächeln und lügen – ist es das, was der Mann gerade tut? Spielt es eine Rolle, was er wirklich sagt? Meint er das Gegenteil von dem, was er sagt?
Wenn die unverfrorene Lüge bei den Zentralbanken zum legitimen Kommunikations-Mittel gehört, dann sollte man die Zentralbanken abschaffen. Sie haben in den vergangenen Jahren alles manipuliert, was man manipulieren kann. Sie haben ihre Markt-Verzerrungen mit irgendwelchen theoretischen Phrasen verbrämt, die kein Mensch versteht – und nun auch keiner mehr glauben kann. Sie haben immer mehr Rollen übernommen, die ihnen nicht zustehen. Die sie nicht beherrschen können.
Die Zentralbanken nehmen für sich in Anspruch, anders zu sein, als normale Banken oder gar Wirtschafts-Betriebe. Das mag finanztechnisch sein.
Doch die Zentralbanken sind mittlerweile das Herzstück der globalen Zentral-Wirtschaft. Ihre Entscheidungen haben eminente politische und wirtschaftliche Folgen.
Es kann nicht sein, dass diese Institutionen nicht nach den Kriterien zu handeln brauchen, nach denen jeder ehrbare Kaufmann handeln muss: Treu und Glauben sind die einzigen Prinzipien, die für alle gelten müssen.
Wer sie für sich außer Kraft setzt, hat die Schwelle zur kriminellen Vereinigung überschritten.
Die Washington Post hat am Samstag den Vorabdruck eines Buchs über die entscheidenden Tage der Euro-Krise gebracht. Darin zitiert der Autor die Begründung der EZB, den Finanz-Ministern der Euro-Zone nichts vom beginnenden Ankauf der griechischen Staatsanleihen zu erzählen. Die Zentralbanker argumentierten, man dürfe den Politikern nicht sagen, dass die EZB interveniere, weil dann die Politiker in ihren Spar-Anstrengungen nachlassen würden.
Die Zentralbanken entpuppen sich immer mehr als das Krebsgeschwür der Finanz-Krise: Sie sind merkwürdige Zwitter, halb Politik, halb Bank. Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig. Es gibt keine Transparenz. Es gibt erst recht keine Kontrolle. Sie haben überall Komplizen: Als die Nachrichtenagentur Bloomberg wissen wollte, welche Rolle die EZB bei den dubiosen Goldman-Deals in Griechenland gespielt habe, urteilte der EUGH, dass das Interesse der EZB auf Verdunkelung höher sei als das Recht der Bürger auf Information.
Früher einmal war Vertrauen das Fundament, auf der die Nationalbanken, etwas langweilig, agierten. Sie waren für die Geldwertstabilität zuständig – also für die Zinsen, und das war es.
Heute sind die Zentralbanken die wichtigsten Spieler im globalen Hochgeschwindigkeits-Kasino. Sie sind fachlich damit überfordert.
Das Beispiel der Lüge von Zypern zeigt: Die Zentralbanken sind auch moralisch den Anforderungen der Krise nicht gewachsen.