Die Finanzaufsicht BaFin verbietet angesichts der Turbulenzen um Wirecard Wetten gegen die gebeutelte Aktie des Zahlungsabwicklers. Es ist das erste Mal überhaupt, dass sich die Frankfurter Wertpapieraufseher zu einem kompletten Verbot von Leerverkäufen einer einzelnen Aktie durchringen. Die BaFin fürchtet offenbar, dass sich die massiven Kursschwankungen bei Wirecard zu einem Flächenbrand entwickeln. Sie seien "eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland", heißt es in der am Montagmorgen veröffentlichten Verfügung der obersten Wertpapieraufseherin Elisabeth Roegele. Die Kursschwankungen hätten zu "massiven Unsicherheiten an den Finanzmärkten" geführt. Die Wirecard-Aktie schoss um bis zu 14 Prozent nach oben.
Die Behörde spricht von "Short-Attacken" auf die Wirecard-Aktie, also von Angriffen auf den Aktienkurs über den Verkauf von Papieren, die sich die Spekulanten nur geliehen haben. Die Netto-Leerverkaufspositionen hätten sich seit Anfang Februar deutlich verstärkt - von dem Tag an, als die "Financial Times" über angebliche Bilanzmanipulationen bei der Asien-Tochter in Singapur berichtet hatte. Mehrere weitere Berichte der Zeitung ließen die Aktie immer weiter abstürzen. Seit Ende Januar ist sie um 40 Prozent gefallen.
Ein Londoner Händler sagte, die BaFin sende mit dem Verbot ein Signal, dass sie hinter den Turbulenzen bei Wirecard erneut Marktmanipulation vermute. "Aber das scheint mir für eine Sache, bei der es um eine einzelne Aktie geht, etwas übertrieben." Andere Leerverkaufsverbote außerhalb Deutschlands hätten selten den gewünschten Effekt gehabt. Die BaFin prüft den Verdacht der Marktmanipulation von Wirecard-Aktien bereits. Die Untersuchung sei noch nicht abgeschlossen, sagte eine Sprecherin der Behörde. "Wir begrüßen alle Maßnahmen der Aufsichtsbehörden, die zu einer schnellen Aufklärung beitragen", sagte ein Wirecard-Sprecher.
Wie viele Investoren sich gegen die Wirecard-Aktie positioniert haben, ist unklar. Veröffentlicht werden müssen nur Leerverkaufs-Positionen von mehr als 0,5 Prozent, also von knapp 70 Millionen Euro. Davon gibt es nur zwei: der Hedgefonds Slate Path, der mehr als 200 Millionen Euro auf einen Kursverfall der Aktie gewettet hat (1,5 Prozent) und der Fondsmanager Odey Asset Management (0,77 Prozent). Viele Short-Seller blieben unterhalb dieser Schwelle, erklärte die BaFin. Bei der Behörde gemeldet werden müssen auch Positionen zwischen 0,2 und 0,5 Prozent.
"ZU GROSS, UM SCHEITERN ZU DÜRFEN"
Die massiven Kursausschläge bereiten vor allem Fondsmanagern Kopfschmerzen. Vor allem aktiv gemanagte Fonds laufen Gefahr, auf dem falschen Fuß erwischt zu werden. Michele Pedroni von Decalia Asset Management in Genf erklärte: "Das starke Wachstum von Wirecard und die herausragende Kursentwicklung haben dazu geführt, dass die Firma 'zu groß geworden ist, um scheitern zu dürfen'." Er habe seine Wirecard-Aktien aber am Tag nach dem ersten Bericht der "FT" verkauft. "Die Bewertung ist noch nicht interessant genug, um wieder einzusteigen. Es gibt Alternativen am Markt."
Seit dem Dax-Aufstieg im September 2018 ist die Wirecard-Aktie an neun Tagen jeweils um mehr als zehn Prozent gestiegen oder gefallen. Größter Kurssturz war ein Minus von 31 Prozent am 1. Februar und das stärkste Plus mit 23 Prozent am 4. Februar. Wirecard war bereits vor dem Dax-Aufstieg mehrfach Ziel von Short-Attacken. 2016 brachte eine bis dahin unbekannte Website unter dem Namen "Zatarra Research & Investigations" Betrugs- und Geldwäschevorwürfe ins Spiel. Gegen deren Initiatior Fraser Perring hat die Staatsanwaltschaft München einen Strafbefehl wegen Marktmanipulation beantragt.
Mit dem strikten Verbot neuer Leerverkäufe oder der Erhöhung von Leerverkaufs-Positionen greift die BaFin erstmals zu einem so scharfen Schwert. In der Finanzkrise im September 2008 hatte sie ungedeckte Leerverkäufe von elf deutschen Finanztiteln für fast eineinhalb Jahre verboten. Wenig später wurden ungedeckte Leerverkäufe - also Wetten auf fallende Kurse, ohne dass sich die Investoren die zugrundeliegende Aktie überhaupt geliehen haben - in Deutschland grundsätzlich verboten, seit Ende 2012 gilt das in ganze Europa.