Deutschland

Textil-Branche: Das Entwicklungsministerium gefährdet unsere Existenz

Lesezeit: 2 min
21.04.2019 06:38
In scharfen Tönen wehrt sich die deutsche Textilbranche gegen die Idee von Entwicklungsminister Müller, die Menschenrechte weltweit in allen Lieferketten garantieren zu müssen.
Textil-Branche: Das Entwicklungsministerium gefährdet unsere Existenz

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Sollen deutsche Firmen notfalls gesetzlich dazu gezwungen werden, in weltweiten Lieferketten Menschenrechte einzuhalten? Das plant Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) - die Textilindustrie aber gibt Kontra. "Was der Minister plant, gefährdet unsere Existenz", sagte die Präsidentin des Gesamtverbands textil+mode, Ingeborg Neumann, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Unsere globalen Konkurrenten werden uns einfach aus dem Markt fegen. Und am Ende wird man sich fragen, warum ausgerechnet die deutschen Unternehmen mit ihren hohen Umwelt- und Sozialstandards nicht überlebt haben."

Müller beklagt, dass Zwangsarbeit und Hungerlöhne vielerorts allgegenwärtig seien. Deutschland und seine Firmen müssten dazu beitragen, diese Missstände endlich zu überwinden. Neumann dagegen sagte, die Pläne Müllers gingen vollkommen an der Realität vorbei. "Wir können nicht alleine als deutsche Unternehmen die globale Welt retten."

Ein 2016 von der Bundesregierung beschlossener Nationaler Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte fordert von Unternehmen eine menschenrechtliche Sorgfalt in internationalen Lieferketten - zunächst auf Basis freiwilliger Selbstverpflichtungen. Klappt dies nicht, will Müller den Unternehmen notfalls gesetzliche Vorgaben machen.

"Ein einfaches weißes Hemd wird in 140 Schritten hergestellt", sagte Neumann. "Wenn es nach dem Minister geht, müssen wir als Mittelständler jedes Baumwollfeld, jede Knopffabrik und jede Reißverschlussproduktion bis ins kleinste Glied kontrollieren." Die deutsche Textilindustrie produziere bereits nach den weltweit höchsten Standards. "Solche Vorstellungen von einer Komplettkontrolle der gesamten Lieferkette in einer globalen Wirtschaftswelt können aber nur an einem Berliner Schreibtisch geboren werden", sagte Neumann, die Vizepräsidentin des Industrieverbandes BDI ist.

Die deutsche Textilindustrie kümmere sich um ihre Lieferketten. "Wir Mittelständler sind die werthaltige Textilindustrie", sagte Neumann. "Der Minister droht unseren Unternehmen mit Bußgeldern und sogar Gefängnisstrafen. Dann können sie als deutscher Unternehmer gar keine globalen Lieferketten mehr aufbauen. Mit seinem Lieferkettengesetz vertreibt der Entwicklungsminister ausgerechnet die heimischen Mittelständler, die weltweit die Standards heben."

Zustimmung bekam Müller dagegen von der Gewerkschaft Verdi. "Gesetzliche Mindeststandards und Sanktionsmöglichkeiten können wir nur begrüßen", sagte Verdi-Sprecherin Eva Völpel. "Alle Erfahrung zeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen bisher nicht ausreichen, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern und Fabriken wirklich nachhaltig zu verbessern."

Müller hatte bei einem Forum im Februar gesagt, viele der täglichen Produkte in Deutschland wie Kaffee, Kakao oder Baumwolle kämen aus Entwicklungsländern. Aber am Anfang der Lieferketten herrschten immer noch unglaubliche Bedingungen. Mehr als 150 Millionen Kinder müssten weltweit arbeiten. "Zwangsarbeitsverhältnisse und Hungerlöhne sind vielerorts allgegenwärtig." Am Anfang globaler Lieferketten müssten ökologische und soziale Mindeststandards eingehalten werden.

"Auch die Unternehmen tragen dafür Verantwortung", so Müller. Viele Unternehmen gingen hier schon voran. Falls die Regierung aber bei der Überprüfung des Aktionsplans Menschenrechte zum Ergebnis komme, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreiche, werde sie die Firmen gesetzgeberisch in die Pflicht nehmen.

Neumann wandte sich außerdem gegen die von Müller geplante Einführung eines "grünen Knopfs". Der Minister will damit ein staatliches Siegel einführen, das fair und ökologisch produzierte Kleidung sichtbar machen soll.

"Es braucht keinen grünen Knopf. Das ist reines Politmarketing", sagte Neumann. "Die deutschen Marken produzieren nach den weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards. Wir haben bereits zahlreiche Qualitätssiegel, die auch international anerkannt sind." Nun solle ein staatlicher grüner Knopf suggerieren, dass die gesamte Lieferkette kontrolliert worden sei. "Ich bin gespannt, wie der Minister das mit seinen Mitarbeitern überall auf der Welt schaffen will. Ich plädiere dafür, mit einem kühlen Kopf und nicht mit einem grünen Knopf einzukaufen."


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Staatsverschuldung auf Rekordhoch: Steuerzahlerbund schlägt Alarm!
23.04.2024

Der Bund Deutscher Steuerzahler warnt: Ohne Kehrtwende droht der fiskalische Abgrund, trotzdem schöpft die Bundesregierung das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt weiter - Verband alamiert
23.04.2024

Laut neuen Zahlen gibt es immer weniger Apotheken-Standorte. Der Apothekerverband spricht von „alarmierenden Zeichen“ und erklärt,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber im Aufschwung: Das Gold des kleinen Mannes holt auf
23.04.2024

Silber hinkt traditionell dem großen Bruder Gold etwas hinterher. In den letzten Wochen hat der Silberpreis massiv zugelegt. Was sind die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handel warnt vor „Geisterstädten“ - tausende Geschäftsschließungen
23.04.2024

Seit Jahren sinkt die Zahl der Geschäfte in Deutschlands Innenstädten - auch weitere Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof müssen bald...

DWN
Technologie
Technologie Ocean Cleanup fischt 10.000 Tonnen Plastikmüll aus Ozeanen und Flüssen
23.04.2024

Ein Projekt fischt Tausende Tonnen Plastik aus dem Meer und aus Flüssen. Eine winzige Menge, weltweit betrachtet. Doch es gibt global...

DWN
Technologie
Technologie Astronaut Alexander Gerst rechnet mit permanenter Station auf dem Mond
23.04.2024

Eine feste Basis auf dem Mond - das klingt für viele noch nach Science Fiction, soll aber schon bald Realität werden. Für Astronaut...

DWN
Politik
Politik Zeitungsverlage mahnen von Politik zugesagte Hilfe an
22.04.2024

Der Medienwandel kostet Zeitungshäuser viel Kraft und Geld. Von der Politik fühlen sie sich dabei im Stich gelassen. Sie erinnern die...

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilienmarkt in Deutschland: Stabilere Aussichten nach Phase der Volatilität
22.04.2024

Die Nachfrage im deutschen Gewerbeimmobiliensektor war im Jahr 2023 verhalten - insbesondere nach Büros. Das Segment ist stärker als...