Unternehmen

Umfrage: Mittelstand verliert Vertrauen in Handelspartner Großbritannien und USA

Mit Skepsis blicken viele deutsche Mittelständler auf den politischen Kurs der britischen und US-amerikanischen Regierung.
07.06.2019 16:53
Lesezeit: 2 min

Trotz internationaler Krisenherde setzt der Mittelstand weiter auf Internationalisierung. Aktuell exportieren 52 Prozent der Unternehmen fast durchweg in den Euroraum, allein im verarbeitenden Gewerbe sind es 78 Prozent. Lediglich 6 Prozent der Unternehmen mit Internationalisierungspotenzial zögern, berichtet die Commerzbank in ihrer am Montag erschienenen Studie zum deutschen Mittelstand.

Doch verändern geopolitische Turbulenzen wie anhaltende Handelsspannungen sowie der Brexit die Rahmenbedingungen. Der Mittelstand ist jedoch darauf eingestellt und setzt je nach Größe auf Kernprodukte, den Vertrieb im EU-Binnenmarkt oder auf Innovation und internationale Diversifizierung. Wesentlicher Treiber für Internationalisierung ist die hohe Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte, so geben es 81 Prozent der Unternehmen an. Weitere Treiber sind die zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen (78 Prozent) und günstige finanzielle Rahmenbedingungen (73 Prozent).

Die am 27. Mai 2019 in Frankfurt vorgestellten Ergebnisse der 19. Befragung der Initiative Unternehmerperspektiven mit dem Titel „Wie sicher sind die Märkte? Risiken managen im internationalen Geschäft“ benennt politische und wirtschaftliche Ursachen für die veränderte Internationalisierung des Mittelstands. „Eine wichtige Erkenntnis für uns als Bank ist, dass Unternehmen mit Potenzial für Internationalisierung angesichts der geopolitischen Situation und vermuteten Unsicherheiten bei Auslandsinvestitionen zögern“, kommentiert Michael Reuther, Vorstand im Firmenkundengeschäft der Commerzbank, die aktuelle Studie. „Wir sehen uns deshalb aufgefordert, den Mittelstand dabei zu unterstützen, beherrschbare Risiken beim Gang ins Ausland abzusichern. Deutsche Unternehmen sollten ihre Chancen auf den Weltmärkten weiter nutzen.“

Politische und wirtschaftliche Ist-Situation bewirkt Planungsunsicherheit

Fast zwei Drittel der befragten Unternehmen rechnen in den nächsten zwei Jahren mit geringerer Planungssicherheit und 61 Prozent mit konjunktureller Eintrübung. Gründe hierfür sind politische und wirtschaftliche Unsicherheiten: 47 Prozent bewerten die zunehmenden globalen Handelskonflikte negativ für die eigene Geschäftstätigkeit, 35 Prozent den möglichen Brexit. Mittelständische Unternehmen schätzen China aktuell als Handelspartner verlässlicher als die USA oder Großbritannien ein (30 Prozent versus 17 Prozent und 8 Prozent). Aber auch hausgemachte Themen belasten die Unternehmen: 45 Prozent rechnen mit negativen Auswirkungen der Dieselkrise auf die eigene Geschäftstätigkeit. 35 Prozent sehen negative Folgen des Klimawandels. „Alarmismus oder gar Einmauern ist dennoch fehl am Platz. Wir unterstützen die Politik darin, sich für ein multilaterales und regelgebundenes Welthandelssystem einzusetzen, damit kostengünstiger und nachhaltiger Handel zu fairen Bedingungen möglich ist“, so Dr. Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel (BGA) und Schirmherr der aktuellen Commerzbank-Studie.

Kein Patentrezept für Internationalisierungsstrategien

Die Unternehmen reagieren individuell auf diese Situation. Der Trend: Mittelständler mit bis zu 15 Millionen Euro Jahresumsatz konzentrieren sich bei der Expansion auf ihre Kernprodukte (63 Prozent). Für 44 Prozent steht der EU-Binnenmarkt im Vordergrund. Etwas weniger als die Hälfte (48 Prozent) betreiben Absicherung von Zahlungs- und Ausfallrisiken. Unternehmen mit über 100 Millionen Euro Jahresumsatz verstärken die eigene Innovationstätigkeit (78 Prozent) und digitalisieren Produkte oder Prozesse (79 Prozent).

Über zwei Drittel (67 Prozent) dieser Unternehmen sichern sich gegen Zahlungs- und Ausfallrisiken ab. Die angepassten Internationalisierungsstrategien exportierender Unternehmen wirken sich auf die Wahl ausländischer Märkte aus: Neue Märkte liegen für 14 Prozent in Übersee wie z. B. in Indien und Nordamerika, 12 Prozent planen nach China zu gehen. Produktionsstandorte werden am häufigsten nach China (31 Prozent) verlagert, aber auch in Länder des Verbands südostasiatischer Staaten ASEAN (11 Prozent) und nach Polen (11 Prozent). „Wenn wir uns anschauen, wie international viele Unternehmen mittlerweile aufgestellt sind, dann macht das Mut“, bewertet Dr. Holger Bingmann die Situation.

Banken sollen bei operativen Problemen unterstützen

Die meisten Anforderungen der Internationalisierung sind operativ: Über Dreiviertel (77 Prozent) nennt Bürokratie als Problem im Auslandsgeschäft. Preisschwankungen bei Rohstoffen (57 Prozent) sowie Einfuhrzölle (54 Prozent) stellen weitere Hürden dar. Exportierende Unternehmen erwarten bei dem Umgang mit den Herausforderungen Unterstützung durch die Banken bei beherrschbaren Risiken. Knapp die Hälfte erwartet eine Beurteilung von Risiken bei internationalen Geschäften und 45 Prozent die Bereitstellung von Informationen über Auslandsmärkte. Individuelle Beratung für schwierige Länder wünschen sich 38 Prozent der Unternehmen. Auf die Frage nach den wichtigsten Banken im internationalen Geschäft benennen 43 Prozent der exportierenden Unternehmen die Commerzbank, die damit die führende Bank im deutschen Außenhandel ist.

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