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Schienen-Logistiker VTG will Deutschland flächendeckend mit LNG versorgen

Lesezeit: 3 min
22.06.2019 19:47
Weltweit nimmt die Nachfrage nach LNG zu. Der Schienen-Logistiker VTG sieht darin eine große Chance - das Hamburger Traditions-Unternehmen will das Flüssiggas deutschlandweit per Kesselwagen transportieren.
Schienen-Logistiker VTG will Deutschland flächendeckend mit LNG versorgen
Ein von VTG entwickelter Kesselwagen für den Transport von LNG. (Foto: VTG)

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Der LNG-Bedarf nimmt weltweit zu. Auch in Deutschland dürfte das verflüssigte Erdgas in den nächsten Jahren verstärkt nachgefragt werden. Das ruft den Waggon-Vermieter und Schienenlogistiker VTG auf den Plan. Im Interview mit den DWN erläutert Heinz-Jürgen Hiller, der bei der VTG für den Bereich LNG verantwortlich ist, die Pläne des Hamburger Traditionsunternehmens.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Die VTG will in das Geschäft mit dem Transport von LNG einsteigen. Warum?

Heinz-Jürgen Hiller: Weil wir davon überzeugt sind, dass die Bedeutung von LNG in den nächsten Jahren sehr stark zunehmen wird. Ein paar Beispiele: Aufgrund der strengeren Umweltstandards in der internationalen Schifffahrt, werden künftig viele Schiffe mit LNG-Antrieb ausgerüstet sein. Die AIDA hat den Anfang für Kreuzfahrtschiffe gemacht, viele weitere Kreuzfahrt- und Container-Schiffe werden folgen. Darüber hinaus wird Erdgas als Antriebsmittel für Autos zunehmend an Bedeutung gewinnen. Und schließlich wird auch die Industrie gezwungen sein, auf umweltfreundlichere Energieträger wie LNG umzusteigen. Fazit: Der Transport von LNG bietet ein erhebliches Potential.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wie soll dieser Transport vonstattengehen?

Heinz-Jürgen Hiller: Lassen Sie mich vorerst einmal die derzeitige Situation erläutern: LNG wird von Schiffen und von LKWs transportiert. Also von Transportmitteln mit riesigem und mit geringem Fassungsvermögen. Was völlig fehlt, ist die mittlere Dimension. In diese wollen wir vorstoßen.

Zu diesem Zweck haben wir schon vor längerer Zeit mit erheblichem Aufwand einen LNG-Kesselwagen entwickelt und zwei Prototypen gebaut. Diese haben wir bereits 2015 auf der „transport logistic“ - der weltweiten Leitmesse der Branche in München - vorgestellt. Der Kesselwagen ist vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) in Bonn für den gesamten Betrieb innerhalb von Europa zugelassen worden.

 

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: LNG könnte man ja auch per LKW transportieren. Worin liegen die Vorteile der Schiene?

Heinz-Jürgen Hiller: Sie ist um ein Vielfaches umweltfreundlicher und bringt den

Güterverkehr von der Straße. Unsere Kesselwagen haben ein Fassungsvermögen von 111 Kubikmeter. Laut der Gefahrgut-Regelung (RID) muss beim Transport ein Freiraum von zehn Prozent gelassen werden. Das heißt, ein Kesselwagen wird 95 bis knapp 100 Kubikmeter LNG transportieren. Das ist etwa das Zweieinhalbfache eines Tanklastwagens. Ein Zug besteht aus bis zu 22 Kesselwagen; das heißt, ein Zug transportiert so viel wie 44 bis 55 LKWs: Eine große Entlastung sowohl des Verkehrs als auch der Umwelt. Zum besseren Verständnis der ökologischen Bedeutung, hier noch ein Zahlenbeispiel: Eine durchschnittlicher deutscher Vier-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr rund 4.000 Kilowattstunden. Einer unserer Kesselwagen fasst genügend LNG für die Produktion von rund 600.000 Kilowattstunden.

Darüber hinaus ist der Verkehr auf der Schiene bekanntermaßen viel sicherer als der auf der Straße. Jeder Tanklastwagen, der nicht über eine deutsche Straße fährt, bedeutet ein Stück Sicherheit mehr für die Verkehrsteilnehmer - und entlastet zugleich die Straße.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Könnte LNG nicht auch per Pipeline transportiert werden?

Heinz-Jürgen Hiller: Technisch gesehen natürlich schon. Aber die vorhandenen Pipelines sind ausgelastet. Und eine Genehmigung für den Bau einer Pipeline zu bekommen, dürfte extrem schwierig sein. Zumal das gesellschaftliche Klima in Deutschland nicht gerade günstig ist für den Bau einer Pipeline.

Deutsche Wirtschaftsnachrichten: Wann, glauben Sie, werden die ersten LNG-Kesselwagen durch Deutschland rollen?

Heinz-Jürgen Hiller: Wenn die entsprechende Infrastruktur vorhanden ist. Das heißt, es muss Terminals geben, an denen die LNG-Tanker - die übrigens zwischen 150.000 und 265.000 Kubikmeter LNG fassen - gelöscht werden können. Diese Terminals müssen mit einem Gleisanschluss ausgestattet ein. Und es müssen genügend Schienenstränge vorhanden sein, um eine umfassende Versorgung gewährleisten zu können. Wie schon gesagt, erwarten wir, dass Erdgas als Auto-Kraftstoff eine bedeutende Rolle spielen wird. Das heißt, der Fahrer betankt sein Fahrzeug an der Tankstelle. Die Tankstelle wird mit Tanklastwagen beliefert. Diese Tanklastwagen nehmen das Erdgas an einem der Zentrallager auf und verteilen es dann an die Zapfsäulen in ganz Deutschland. Diese Zentrallager werden mittels Kesselwagen beliefert - wofür natürlich die entsprechende Infrastruktur, das heißt vor allem Gleisanschlüsse, vorhanden sein muss.

Wir befinden uns in engem Kontakt mit den potentiellen Partner-Gesellschaften in den Hafenstädten Rotterdam und Brunsbüttel. Gespräche gibt es auch mit den zuständigen politischen Entscheidungsträgern, beispielsweise dem Bundesverkehrsministerium. Denn da es sich um erhebliche Investitionen handelt, benötigen die Akteure Planungssicherheit.

Sobald diese besteht und die entsprechende Nachfrage vorhanden ist, können und werden wir die Produktion der Kesselwagen in Auftrag geben. In zwei bis drei Jahren, so schätzen wir, wird es losgehen.

***

Die „VTG Aktiengesellschaft“ mit Sitz in Hamburg zählt zu den führenden Waggonvermiet- und Schienenlogistik-Unternehmen in Europa. Die Flotte des Unternehmens umfasst rund 94.000 Güterwagen, darunter schwerpunktmäßig Standard-Güterwagen, Kesselwagen sowie Schiebewandwagen. Im Geschäftsjahr 2018 erwirtschaftete die VTG mit rund 1.600 Mitarbeitern einen Umsatz von 1.073 Millionen Euro. Über Tochter- und Beteiligungs-Gesellschaften ist das Unternehmen neben Europa auch in Nordamerika, Russland und diversen asiatischen Staaten präsent.


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