Finanzen

Ölpreis-Anstieg: China und EU sind die Verlierer, USA und Russland profitieren

Der aktuelle Ölpreis-Anstieg ist schlecht für die Volkswirtschaften Chinas und der EU, da sie abhängig von Energieimporten sind. Russland und die USA sind die Profiteure. Die geopolitischen Konsequenzen stehen in Abhängigkeit zum Ölpreis.
21.06.2019 17:20
Lesezeit: 5 min

Die aktuelle Kriegsrhetorik zwischen den USA und dem Iran in Verbindung mit einem angeblichen Abschuss einer US-Drohne durch den Iran hat dazu geführt, dass der Ölpreis der richtungsweisenden Sorte Brent am Freitag pro Barrel (159 Liter) auf über 65 US-Dollar gestiegen ist.  Der Ölpreis für ein Barrel der US-Sorte WTI stieg auf über 57 US-Dollar. 

Von der jüngsten Entwicklung profitieren weltweit vor allem die Erdöl exportierenden Länder. Dazu gehören auch Venezuela und der Iran, aber auch Russland als Nicht-Opec-Land und die USA.

Im Mai 2019 waren die Ölexporte des Irans auf 400.000 Barrel pro Tag zurückgegangen, was zu beträchtlichen Einnahmeeinbußen führte. Doch durch den plötzlichen Anstieg des Ölpreises im Juni 2019 könnte der Iran seine Einbußen wieder wettmachen.

Für Russland kommt der Ölpreisanstieg zur rechten Zeit. Denn die Zuflüsse von Ural-Öl über den russischen Ostseehafen Ust-Luga dürften im dritten Quartal von neun Millionen Tonnen auf rund 2,8 Millionen Tonnen sinken, meldet der englischsprachige Dienst von Reuters

Russland hat zugestimmt, einen Teil des kontaminierten Öls aus der Druschba-Pipeline in Weißrussland zurückzunehmen, wodurch seine Fähigkeit, Öl nach Ust-Luga zu pumpen, eingeschränkt wird. Die Pipeline, die den Ust-Luga-Hafen und Druschba speist, hat zwei parallele Leitungen, die normalerweisen Öl nach Westen pumpen. Jetzt wird eine der Leitungen für den Rücktransport von kontaminiertem Öl nach Russland genutzt, wodurch die Pipeline verlangsamt und die Kapazität für Ust-Luga begrenzt wird. Der Ölpreisanstieg wird die Einbußen, die aus der Kontaminierung resultieren, mindern.

Die Sanktionen der Trump-Regierung gegen die iranische Energiewirtschaft seien gut für das saudi-arabische Ölgeschäft in Asien gewesen, teilte die US-Regierung am Mittwoch mit. Der US-Energieagentur EIA zufolge konnte Saudi-Arabien im aktuellen Jahr mehr Öl nach Asien verkaufen, obwohl die Opec die Ölförderung stark zurückgefahren hatte. Der Anstieg der saudischen Ölexporte nach China, Japan, Südkorea und Taiwan wird sich voraussichtlich im weiteren Jahresverlauf fortsetzen, da die Iran-Sanktionen in vollem Umfang ihre Wirkung zeigen werden und keine Ausnahmeregelungen gewährt werden.

Da seit dem 1. Mai 2019 keine Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit den Iran-Sanktionen gewährt werden, “wird wahrscheinlich jedes der vier Länder eine Alternative zum iranischen Öl benötigen”, so die EIA. Dies könnte die Ölexporte Saudi-Arabiens in den kommenden Monaten “als Teilersatz für iranische Barrels” auf einem höheren Niveau halten.

Saudi-Arabien wird bei einem Opec-Treffen mit Russland Ende des Monats in Wien entscheiden, ob die Produktion erhöht werden soll oder nicht. Saudi-Arabien und Russland haben ein Bündnis zwischen der Opec und den Nicht-Opec-Staaten geschlossen, um die Produktion zu drosseln, damit die Ölpreise nicht zu tief fallen.

Ein weiterer Profiteur des Ölpreisanstiegs sind die USA. In der Woche bis zum 14. Juni 2019 sind die US-Ölexporte angestiegen, während die Ölimporte zurückgingen. Das meldet die US-Energieagentur EIA. Die US-Ölimporte beliefen sich in der vergangenen Woche auf durchschnittlich 7,5 Millionen Barrel pro Tag, was einem Rückgang von 114.000 Millionen Barrel pro Tag im Vergleich zur Vorwoche entspricht.

In den vergangenen vier Wochen lagen die Ölimporte im Durchschnitt bei 7,5 Millionen Barrel pro Tag, was einen Rückgang von 613.000 Barrel pro Tag im Vergleich zum Vorjahr ausmachte. Die Ölexporte lagen mit durchschnittlich 3,3 Millionen Barrel pro Tag über dem Vorjahreswert von 1,22 Millionen Barrel lagen.    In seinem jüngsten Short-Term Energy Outlook (STEO), der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde, wird die jährliche US-Ölproduktion laut EIA-Prognose im laufenden Jahr um 1,4 Millionen Barrel pro Tag und 2020 um 0,9 Millionen Barrel pro Tag steigen.

Europa und China als Verlierer

Zu den Verlierern des Ölpreisanstiegs gehören vor allem die Volkswirtschaften Chinas und der EU.

Gegenwärtig importiert die EU 55 Prozent ihres gesamten Energieverbrauchs zu durchschnittlichen Kosten von rund 266 Milliarden Euro pro Jahr. Im Einzelnen deckt die EU 87 Prozent ihrer Ölnachfrage und 70 Prozent ihrer Erdgasnachfrage durch Importe ab. Hauptlieferanten sind Norwegen, Russland und die Opec, berichtet die EU-Kommission in einem Factsheet.

Der Wert des im Jahr 2018 nach China importierten Öls belief sich auf 239,2 Milliarden US-Dollar - ein Anstieg von 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 37,9 Milliarden US-Dollar (15,8 Prozent) entfielen auf Russland, 29,7 Milliarden US-Dollar (12,4 Prozent) auf Saudi-Arabien, 24,9 Milliarden US-Dollar (10,4 Prozent) auf Angola und 22,4 Milliarden US-Dollar (9,4 Prozent) auf den Iran, berichtet World’s Top Exports.

China verkündete im Mai 2019, dass Strafzölle auf den Import von US-LNG eingeführt werden. Fast zeitgleich gab der russische Konzern Novatek bekannt, dass die angestrebte LNG-Produktionskapazität bis 2030 auf 70 Millionen Tonnen pro Jahr erhöht wird, nachdem zuvor 57 Millionen angestrebt worden waren, berichtet Oilprice.com. Daraus folgt, dass Russland auf dem chinesischen Gasmarkt expandieren möchte, zumal der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist. Russland profitiert auch davon, dass die iranischen Gasexporte nach China kontinuierlich zurückgehen. Das Vakuum, das dadurch entsteht, kann problemlos von Gazprom, Novatek, oder aber anderen russischen Gas- und LNG-Lieferanten gefüllt werden.

Da die EU und China in einer unweigerlichen Abhängigkeit von Energie-Importen stehen, wird jeder Anstieg des Ölpreises auch eine geopolitische Schwächung beider Blöcke nach sich ziehen. China präsentiert sich zwar als ebenbürtiger Gegner der USA. Doch das Land ist nicht nur energie- sondern auch exportabhängig. Chinas Größe hängt von diesen beiden Faktoren ab. Um weiter wachsen zu können, müssen seine Märkte und seine Energieversorgung gesichert sein. Dasselbe gilt für Deutschland.

Doch die Lage in China ist wesentlich instabiler - nicht nur aufgrund der Bedrohung durch einen hohen Ölpreis. Die chinesische Bevölkerung lebt mehrheitlich im Osten (Han-China), da es in Westchina nur wenige Niederschläge gibt und dort keine sehr großen Bevölkerungsgruppen leben können. In diesem Sinne ist China ein relativ enges Land mit einer extrem dichten Bevölkerung. Die Interessen innerhalb von Westchina sind ebenfalls vielfältig, und dies hat häufig zu Fragmentierung und Bürgerkrieg geführt.

Die wichtigste Unterscheidung erfolgt zwischen der Küstenregion und dem Binnenland. Das Küstenregion ist am regionalen und globalen Seehandel beteiligt, während das Binnenland weniger kommerzielle Möglichkeiten bietet. Die Priorität der Küstenregion liegt darin, seine Auslandsmärkte zu erreichen, während das Binnenland will, dass Peking den Reichtum der Küstenregion auf das arme Binnenland umverteilt.

Dieses Problem ist nicht zu unterschätzen, zumal es in der Vergangenheit zu internen Konflikten geführt hat. Genau dies war von der britischen Intervention Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1947 der Fall, führt der US-Informationsdienst GPF aus. Damals harmonierten die Interessen der Küstenregion mit den Interessen der britischen Handelspartner, die in China intervenierten. Mao Zedong glaubte das Problem lösen zu können, indem er das Land vom Handel abschnitt, die Eliten der Küste unterdrücken ließ und eine Diktatur schuf. Das Resultat war ein mit Gewalt vereintes, aber sehr armes Land.

Chinas Hauptkunden, Europa und die USA, gerieten 2008 in eine Rezession, und die Nachfrage nach chinesischen Produkten ging zurück. Das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich dramatisch und bis 2016 trugen die Exporte nur 19 Prozent zum BIP bei. Obwohl der Binnenkonsum zunahm, konzentrierte sich die Küstenregion auf Märkte in fortgeschrittenen Industrieländern, die der Innenraum nicht ersetzen konnte. Die Interessen der Küstenregion und des Binnenlands gingen erneut auseinander.

Der OECD zufolge ist das Wachstum in China sehr ungleichmäßig verteilt. Etwa 88 Prozent der ausländische Direktinvestitionen (FDI) konzentrierte sich beispielsweise zwischen 1983 und 2001 auf die Küstenregion. Nur neun Prozent der FDIs gingen ins Binnenland und nur drei Prozent in den Westen Chinas.

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