Vor der Fortsetzung des EU-Gipfels zur Vergabe der europäischen Spitzenposten sind die Fronten weiter verhärtet: Aus Osteuropa kam weiter Widerstand gegen den von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CSU) mit vorgelegten Plan, den Sozialdemokraten Frans Timmermans aus den Niederlanden zum neuen Kommissionspräsidenten zu machen, berichtet AFP. Die deutschen Unionsparteien halten dagegen an dem CSU-Politiker Manfred Weber fest, dem Spitzenkandidaten der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) bei der Europawahl.
Der tschechische Regierungschef Andrej Babis sagte am Dienstag, die osteuropäischen Visegrad-Staaten seien einer Meinung: "Timmermans ist ein No Go". Zu der Gruppe gehören neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.
Zur Begründung sagte Babis, Timmermans habe als Vize-Kommissionspräsident die Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn und Polen vorangetrieben. Zudem halte er an Aufnahmequoten für Migranten fest, die die Osteuropäer ablehnen. Babis betonte, die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sei dagegen ein "erstklassiger Name" für die Kommissionsspitze.
Am Montag sei die Debatte zunehmend chaotisch verlaufen, weil immer neue Namen für das EU-Personaltableau ins Spiel gebracht worden seien, sagte ein von AFP befragter Diplomat. Dieses umfasst auch die Posten des EU-Ratspräsidenten, des Parlamentspräsidenten, des Außenbeauftragten und des Chefs der Europäischen Zentralbank (EZB).
Der Finanzdienstleister Solvecon kritisiert den derzeitigen Zustand der EU und die Verhandlungen in einem Newsletter scharf:
Die EU gibt ein prekäres Bild ab. Das Treffen am Sonntag und Montag hatte kein Ergebnis in der Frage der Besetzung der Spitzenpositionen gebracht. Das ist völlig unverständlich. Die Parteien sind mit Spitzenkandidaten in der Wahl des Europäischen Parlaments angetreten. Da gab es Sieger und Verlierer. Die EVP hat die Wahl gewonnen, prozentuale Verluste hin oder her. Es gilt, dieses eindeutige Mandat des Souveräns umzusetzen (wir sind ja nicht in Bremen!).
Dass eine der Umwelt zuneigende Parteiengruppe neben Macron jetzt Süppchen wegen ihres relativen Wahlerfolgs köchelt, ist mindestens interessant. Dass die Länder im Osten ihr sehr eigenes Demokratieverständnis in den Postenfragen zutage treten lassen, belegt einmal mehr den Reifegrad dieser Länder. Lediglich eins der zwölf Ostländer erfüllte vollständig die Bedingungen zum Beitritt zur EU.
So ist es eben, wenn man bei EU-Eintrittsstandards latent nivelliert. Man hat am Ende kein Niveau. Das kann den Menschen in den EU- Gründungsländern nicht gefallen. Die messbare Frustration der Menschen in den Gründungsländern (Zahlmeister) hat damit zu tun. Die aktuellen außenpolitischen Interessen, die EU losgelöst von Eintrittsstandards zu balkanisieren und in den Osten auszuweiten ist diskussionswürdig. Der Erweiterungsprozess bei Nivellierung der Eintrittsstandards hat die EU doch gerade handlungsunfähig gemacht. Die EU-Staats- und Regierungschefs setzen am Vormittag ihre Beratungen über die Besetzung der Führungsspitze in der EU fort. Als überzeugter Europäer ist man bezüglich der aktuellen Situation mehr als irritiert. So nicht! Dieses europäische Bild ist für Finanzmärkte absolut unattraktiv!