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Experte über 5G: "Deutschland kann international zum Vorreiter werden"

Lesezeit: 4 min
07.07.2019 12:46
5G bedeutet für die deutsche Industrie ein riesiges Potential. Bis die neue Technik im Leben der Bürger etwas ändert, wird es allerdings noch ein paar Jahre dauern.

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Nach dem Abschluss der 5G-Frequenz-Versteigerung ist der Weg für den Aufbau des Echtzeit-Mobilfunks frei. Für Deutschlands Industrie tut sich ein riesiges Potential auf. Bis die Bürger Veränderungen in ihrem tagtäglichen Leben spüren, wird es allerdings noch ein paar Jahre dauern, denn die Einführung neuer Mobilfunkstandards ist komplex und mit hohen Investitionen verbunden.

Was die fünfte Mobilfunkgeneration im Wesentlichen ermöglichen wird, ist die sichere und effiziente Vernetzung von Objekten aller Art sowie deutlich schnellere Multimedia-Anwendungen. Der große Vorteil  von 5G ist ihre äußerst hohe Geschwindigkeit und ihre gewaltige Kapazität: Experten sprechen von einer bis zu 100mal rascheren Übertragung von 1.000mal größeren Datenmengen und bis zu 1.000mal mehr Endgeräten pro Quadratkilometer als bei der Vorgänger-Technologie 4G. Außerdem soll die neue Technik Verzögerungen bei der Datenübertragung auf ein Minimum reduzieren und darüber hinaus deutlich weniger Strom verbrauchen.

Für Prof. Thomas Magedanz ist 5G ein „Quantensprung in der Kommunikationstechnik“, der einen „gewaltigen Innovationsschub“ ermöglicht. Der Leiter des Geschäftsbereichs ´Software-basierte Netzwerke´ am Berliner ´Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme´ (FOKUS) benutzt die Begriffe „Evolution“ sowie „Revolution“ und spricht von einem „riesigen Potential“. Allerdings warnt er auch vor „Verheißungen“, die teilweise Erwartungen weckten, die „unrealistischer Natur“ seien. Ein konkretes Beispiel seien Luft-Taxis. Die werde es in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach nicht geben, da die dazu notwendige Infrastruktur gar nicht so rasch flächendeckend aufgebaut werden könne, so der Wissenschaftler. Die Diskussion um solche eher „wilden Ideen“ seien unnötig und kontraproduktiv und würden von den wirklichen Chancen der neuen Technologie nur ablenken.

 

Vernetzung von Maschinen

5G wird eine enorm wichtige Rolle bei der Digitalisierung der Industrie spielen. Die Vernetzung der Maschinen untereinander (Industrie 4.0) wird die Art und Weise, wie Güter produziert werden, von Grund auf verändern. In der mit 5G ausgestatteten Fabrik der Zukunft wird es keine Fertigungsstraßen, wie sie heute üblich sind, mehr geben. Stattdessen werden Roboter-Einheiten nach dem On-Demand-System in kooperativer Zusammenarbeit die Produktionsarbeit leisten. Weitere wichtige Einsatzfelder von 5G werden beispielsweise die Steuerung von Energie-Netzen, das Gesundheitswesen und möglicherweise die Altenpflege durch Roboter sein.

Prof. Magedanz glaubt, dass 5G einzelne Branchen grundlegend transformieren wird. „Die Wertschöpfungskette wird komplexer“, sagt er voraus, und verdeutlicht das am Beispiel eines vernetzten Kühlschranks. Von dessen Produktion profitiert heute - offensichtlich - sein Hersteller. Und in der 5G-Ära? Vielleicht auch Amazon oder die Supermarktketten - schließlich wird der Kühlschrank den Lieferanten automatisch anzeigen, wenn ihm ein Produkt entnommen wird.

 

Vernetzung von Maschinen und Menschen sowie Menschen untereinander

Weiterhin wird 5G den Straßenverkehr langfristig grundlegend verändern. Die Explosion bei der Geschwindigkeit der Datenübertragung wird die Entwicklung des autonomen, mit seiner Umgebung kooperierenden Fahrzeugs ermöglichen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch menschliche Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer) mit den Fahrzeugen sowie untereinander vernetzt werden. Auch im Bereich der Augmented Reality wird 5G völlig neue Möglichkeiten schaffen, beispielsweise im Bereich Wartung und Reparatur.

 

Vernetzung von Menschen

Die Kommunikation wird sich vervielfachen und neue Dimensionen erreichen. So wird es wahrscheinlich möglich sein, sich Gesprochenes in einer fremden Sprache in Echtzeit von einem Übersetzungssystem in die eigene Sprache übertragen zu lassen. Smartphone, Messaging, virtuelle Chatrooms: Die heutigen Kommunikationsmittel und -wege sind nur ein Bruchteil dessen, was in Zukunft zur Verfügung stehen wird.

 

 

Speziell für die deutsche Industrie bedeutet die fünfte Mobilfunkgeneration in Magedanz´ Augen eine gewaltige Chance. Dank der nun anstehenden Vergabe lokaler und regionaler 5G-Frequenzen würden viele große Unternehmen in der Lage sein, ihr eigenes, an ihre jeweiligen speziellen Bedürfnisse angepasstes 5G-Netz aufzubauen, und so ihre Infrastrukturen sicher und effizient zu vernetzen. Und das bei Bedarf schneller als die Netzbetreiber und unabhängig von deren 5G-Ausbauplänen. Eine triviale Aufgabe sei das aber ganz und gar nicht - für viele kleinere und mittelständische Unternehmen sei sie wahrscheinlich mittelfristig kaum zu stemmen. Das heißt, es öffnet sich ein riesiges Feld für neue Hersteller und Dienstleister sowie Entdeckungen und Innovationen für mittels 5G vernetzte Produkte. Dafür sei die mittelständisch geprägte bundesdeutsche Unternehmensstruktur ideal, so Magedanz: „Wenn 5G rasch in den Fabriken und Unternehmen installiert wird, kann die Bundesrepublik in diesem Bereich international zum Vorreiter werden.“

Bevor 5G seine Wirkung entfalten kann, muss die notwendige Infrastruktur natürlich erst aufgebaut werden, was aufgrund der Integration mit 4G („Evolution“) eine komplexe Aufgabe darstellt, die nur Schritt für Schritt zu bewältigen ist. Stichworte sind hier ´neue Basis-Stationen´, Glasfaser-Ausbau sowie die Errichtung neuer verteilter Datenzentren (Edge Server). Denn 5G basiert technologisch auf dem Prinzip der Netz-Virtualisierung („Revolution“). Neue Netzfunktionen lassen sich auf diese Weise in kurzer Zeit realisieren und dort dynamisch platzieren, wo sie gebraucht werden.

Das ist im Übrigen auch die Grundvoraussetzung für die 5G-Echtzeitkommunikation (die ja auch für Privat-Anwender von Interesse ist). Die 5G-Standards dafür befinden sich allerdings erst in der Entwicklung; Produkte dazu wird es laut Magedanz frühestens Ende 2020 geben, vielleicht auch erst 2021. Rund ein Jahrzehnt wird es dauern, schätzt der Wissenschaftler, bis die Neuerungen, die auf dem Einsatz der neuen Technologie beruhen, sich durchgesetzt haben werden. Aktuelle Produkte können nur besseres Multimedia. 5G wird jedoch die digitale Transformation vieler Branchen maßgeblich beeinflussen und als anwendungsorientierte Netz-Technologie im Laufe des nächsten Jahrzehnts fortlaufend verbessert werden. Die Revolution steht erst an ihrem Anfang.

Unklar ist derzeit, wann die Technologie flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehen wird. Es gibt Unstimmigkeiten zwischen der Bundesregierung und den Netzbetreibern. Letztere lehnen die Pflicht, 5G überall in Deutschland anbieten zu müssen, aus Kostengründen ab. Die Zahl der zu errichtenden Masten wäre zu hoch, so die Argumentation (tatsächlich ist die Reichweite von 5G-Masten geringer als die von 4G-Masten, von Ersteren müssten also weitaus mehr gebaut werden). Es ist daher nicht auszuschließen, dass 5G die Landflucht in Zukunft noch mehr forcieren wird - die neue Technologie enthält mithin auch eine gesellschaftspolitische Dimension.


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