Deutschland

WDR-Schönenborn selbstgefällig: Ich habe Putin ziemlich aus der Fassung gebracht

Nach dem legendären Interview mit Russlands Präsident Putin sieht sich der WDR-Mann Jörg Schönenborn als klarer Sieger. Die Mehrheit der Zuschauer habe „ein Psychogramm eines aggressiven Präsidenten“ gesehen und Schönenborn für seine knallharte Gesprächsführung „gelobt“. Gibt es eine zweite Fassung von dem Gespräch, die wir vielleicht nicht kennen?
12.04.2013 02:55
Lesezeit: 2 min

In einem Interview mit der Rheinischen Post zieht der Erfinder der Demokratieabgabe, WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, eine positive Bilanz seines dynamischen Interviews mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Dass man gewisse Zweifel an der Kompetenz des WDR-Chefredakteurs in Fragen der Zypern-Rettung oder den US-Gesetzen haben könnte, kann Schönenborn nicht nachvollziehen, im Gegenteil.

Die Situation, als er von Putin mit einer Gegenfrage zu den US-Bedingungen für politische Think-Tanks aufs Eis geführt wurde, schildert Schönenborn eigenwillig: Er behauptet: „Natürlich kannten wir das Gesetz.

Wer im pluralis majestatis von sich spricht, hat immer Recht. Schönenborn sagt, er habe zweimal darauf beharrt, dass es keine Razzien in den USA gegen politische Stiftungen gäbe.

Die logische Folge dieses gelungenen Tacklings:

„Und das hat Herrn Putin dann ja auch ziemlich aus der Fassung gebracht.“

Gibt es eine zweite, geheime Fassung des Interviews?

Schönenborn, der alle Fragen von Zetteln ablas und nie nachbohrte, beschreibt sich selbst als investigativen, knallharten Interviewer:

„Er (Putin) hat sich meinen Fragen gestellt. Die waren deutlich kritischer, als er das aus vielen Interviews gewohnt ist. Aber er ist natürlich auch Antworten schuldig geblieben.“

Was manch einem Zuschauer verborgen geblieben sein könnte, erklärt Schönenborn in seiner Nachlese in der Rheinischen Post als subtile Taktik:

Meine Strategie war: stoisch gelassen bleiben und in aller Ruhe die nächste Frage stellen.

Das begeisterte Publikum sah das genauso:

Die große Mehrheit der Zuschauer, die am Freitag nach der Sendung reagiert haben, hat genau das gelobt und hat ein Psychogramm eines aggressiven Präsidenten gesehen.

Kritik an solchen Interviews sei nur von „einem kleinen Teil“ gekommen. Das sei „vermutlich das Risiko, das man bei einem so ungewöhnlichen Gespräch eingeht“ (ein kleiner Teil der Kritik findet sich hier mit 588 Leser-Kommentaren).

Woher weiß Schönenborn eigentlich, was die „große Mehrheit der Zuschauer“ unmittelbar nach der Sendung gedacht hat? Die ARD hatte die Kommentarfunktion zu dem Interview im Internet gesperrt. Die GEZ-Zahler hatten keine Möglichkeit, ihr Lob auf der Website der ARD zum Ausdruck zu bringen.

Auf die Frage, ob es nicht vielleicht klüger gewesen wäre, jemanden zum Interview zu schicken, der Russisch spricht und sich im Thema auskennt, etwa die WDR-Korrespondentin Ina Ruck, sagte Schönenborn:

„Es war unser Wunsch, auch mein Wunsch, dass Ina Ruck dieses Interview führt. Das Presseamt hat aber aus Protokollgründen auf einem Chefredakteur als Interviewer bestanden. Das ist ja auch in westlichen Demokratien nicht unüblich. Deshalb haben wir uns darauf eingelassen.“

Aha.

Der Kreml kann sich also aussuchen, wer das Interview für einen öffentlich-rechtlichen deutschen Sender führt.

Theoretisch hätte die ARD auch sagen könne, dass sie bestimmt, wer die Fragen stellt. Aber das hätte dem Selbstverständnis des Senders widersprochen.

Der WDR ist nämlich eine Institution. Ein Staat (im Staate).

Daher versteht man beim WDR die Protokollgründe des Kreml: Mit dem russischen Präsidenten kann nur ein Repräsentant sprechen, der im selben Rang ist wie der Präsident.

Es muss ein Gespräch auf Augenhöhe sein. Das Protokoll, welchem der Kreml und der WDR verpflichtet sind, schreibt vor, dass solche Gespräche von Staatschef zu Chefredakteur geführt werden.

Ein Prominenter kann nur von einem Prominenten interviewt werden.

Putin war sich allerdings nicht ganz sicher, ob Schönenborn in dieser Hinsicht wirklich dem Protokoll Genüge tun kann. Daher fragte er Schönenborn vor laufender Kamera sicherheitshalber: „Wie heißen Sie eigentlich?

Und hier hat Schönenborn den einzigen Fehler in dem Interview gemacht.

Er antwortete: „Jörg Schönenborn.

Diese Antwort war falsch. Sie hat Putin verwirrt.

Schönenborn hätte sagen müssen:

Ich bin der Chefredakteur des Westdeutschen Rundfunks.

Ohne Namen, nur die Funktion.

Das hätte Putin eingeschüchtert. Dann hätte der russische Präsident mit Sicherheit weniger freche Antworten gegeben. Putin hätte gewusst: Das ist kein Interview, sondern ein Gipfeltreffen.

Da macht man keine Witze.

Das Gespräch wäre dann das „ungewöhnliche Gespräch“ geworden, als das es der Chefredakteur des WDR so hintergründig angelegt hätte.

Aber wäre es dann auch so lehrreich für die Zuschauer geworden?

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Der deutsche Markt konzentriert sich auf neue Optionen für XRP- und DOGE-Inhaber: Erzielen Sie stabile Renditen aus Krypto-Assets durch Quid Miner!

Für deutsche Anleger mit Ripple (XRP) oder Dogecoin (DOGE) hat die jüngste Volatilität am Kryptowährungsmarkt die Herausforderungen der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stromsteuersenkung: Wirtschaftsverbände kritisieren Merz für gebrochene Zusage
04.07.2025

Die Entscheidung der Bundesregierung zur Stromsteuersenkung sorgt für Aufruhr. Wirtschaftsverbände fühlen sich übergangen und werfen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China-Zölle auf EU-Weinbrand kommen nun doch – das sind die Folgen
04.07.2025

China erhebt neue Zölle auf EU-Weinbrand – und das mitten im Handelsstreit mit Brüssel. Betroffen sind vor allem französische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gaspreise steigen wieder: Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet
04.07.2025

Nach einem deutlichen Preisrückgang ziehen die europäischen Gaspreise wieder an. Was das für Verbraucher und Unternehmen bedeutet –...

DWN
Panorama
Panorama Schwerer Flixbus-Unfall auf der A19 bei Röbel: Was wir wissen und was nicht
04.07.2025

Ein Flixbus kippt mitten in der Nacht auf der A19 bei Röbel um. Dutzende Menschen sind betroffen, ein Mann kämpft ums Überleben. Noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Solarausbauziel in Deutschland bis 2030 zur Hälfte erfüllt
04.07.2025

Deutschland hat bereits einen großen Schritt in Richtung Solarenergie gemacht – doch der Weg ist noch weit. Trotz beachtlicher...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...