Politik
Mehr Neubauten in Dörfern als in Städten

Gegen hohe Mieten: Deutschland muss mehr bauen

Bis zum Jahr 2020 müssen in Deutschland jährlich rund 350.000 neue Wohnungen gebaut werden. Nur so können die hohen Mieten gedrosselt werden. Einen anderen Weg gibt es nicht.
27.08.2019 17:22
Lesezeit: 3 min

Wer in deutschen Metropolen ein neues Zuhause sucht, hat häufig keine allzu guten Karten. Denn in den sieben größten Städten hierzulande werden viel zu wenige Wohnungen gebaut, wie aus einer in Köln publizierten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Am miesesten unter den Metropolen sah es zuletzt in Köln aus, wo der Bedarf an Neubauwohnungen seit 2016 nicht mal zur Hälfte gedeckt werden konnte (46 Prozent). "Insgesamt besteht in den Metropolen ein gravierender Wohnungsmangel", schreiben die Autoren Ralph Henger und Michael Voigtländer.

In Stuttgart wurden 56 Prozent der Wohnungen gebaut, die nötig gewesen wären. Nur etwas besser war die Lage in München (67 Prozent), Berlin (73) und Frankfurt/Main (78). "Hier fehlen nicht nur aktuell Wohnungen, sondern auch längerfristig bedarf es einer weiteren Steigerung der Bautätigkeit." Vergleichsweise gut, aber ebenfalls noch deutlich unter Bedarf schnitten Hamburg und Düsseldorf mit jeweils 86 Prozent ab. Die Autoren verglichen die Zahl der 2016 bis 2018 fertiggestellten Wohnungen mit dem Bedarf, den sie anhand von Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung und Leerständen schätzten. Auch in Unistädten wie Münster wird zu wenig gebaut.

Gründe für die Misere sind der hohe Zuzug in die Städte, das knappe Personal in Bauämtern, strenge Vorschriften und der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft. "Man kommt mit dem Bauen nicht hinterher", sagt Studienautor Henger.

Dies zeigt auch die Statistik zum sogenannten Bauüberhang - also die Zahl der Wohnungen, die schon genehmigt, aber noch nicht fertiggestellt wurden. Deren Zahl wuchs in den sieben Metropolen von 2016 bis 2018 den Angaben zufolge von rund 88.000 auf 123.000. Die Situation war von Stadt zu Stadt aber unterschiedlich - in Köln und Stuttgart blieb der Überhang in etwa gleich, während er in Berlin, München, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf stark wuchs.

Die Städte müssten sich anstrengen, um die Mietenentwicklung zu bremsen, mahnen die Autoren. Entscheidend hierfür sei in den Metropolen die Bereitstellung von Bauland, um Investoren anzulocken. Zudem sollten mancherorts alte Gebäude umgebaut werden, anstatt neue zu errichten. Auch sollten der Bund und das Land finanziell klamme Städte wie Köln stärker unterstützen, etwa für den Ausbau des Nahverkehrs. Wenn das Umland besser angeschlossen wäre, würde das Wohnen dort attraktiver und der innerstädtische Druck des Wohnungsmarktes würde sich etwas abschwächen, meldet die dpa.

Ganz anders sieht es auf dem Land aus: Dort wird mancherorts zu viel neu gebaut, etwa in Sachsen-Anhalt, Sachsen, im Saarland und am Rande Bayerns. "Obwohl es auf dem Land viel Leerstand gibt, entstehen relativ viele Neubauten, die bevorzugt werden, obwohl Umbauten im Altbestand vielerorts sinnvoller sind", sagte Studienautor Henger.

Durch Neubaugebiete vor den Türen von Kleinstädten verlieren Stadt- und Dorfzentren an Bedeutung und das Leerstand-Problem verschärfe sich da. "Kommunen auf dem Land fernab der Metropolen sollten ein besseres Flächenmanagement betreiben, um attraktiv zu bleiben und Leerstände in der Ortsmitte zu vermeiden." Der Grundsatz "Umbau vor Neubau" sei hier wichtig. In einem Drittel der deutschen Kreise sollte "die Bautätigkeit im Neubau gebremst werden, um ein Überangebot zu vermeiden", heißt es in der Studie.

In den Jahren 2019 und 2020 werden den Angaben zufolge in ganz Deutschland je 342.000 neue Wohnungen benötigt, um den Bedarf zu decken. 2018 wurden nur 287.000 Wohnungen fertiggestellt. Dieser Wert dürfte dieses Jahr nicht deutlich anspringen - die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bleibt also groß.

Nach Publikation der Studie äußerten Branchenvertreter ihre Besorgnis. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW wies darauf hin, dass bei preiswerten Mietwohnungen nur die Hälfte des Neubaubedarfs bundesweit gedeckt werden konnte und bei Sozialwohnungen noch weniger. "Das zeigt, dass der Wohnungsbau weiterhin nicht ausreichend in Schwung kommt", so der Verband. Er forderte, dass die Länder Mittel für Sozialwohnungsbau aufstocken. Zudem sollten Kommunen und Länder sich "der Daueraufgabe stellen, mehr Bauflächen zu schaffen", hieß es - Nachverdichtung und Dachaufstockung sollten angekurbelt statt ausgebremst werden.

Der Mieterbund untermauerte seine Forderung nach Schutz gegen extreme Mieterhöhungen, etwa mit einem Mietendeckel, und zwar "bis der Wohnungsneubau die Märkte in den Städten wirklich entlasten kann".

Von solchen Forderungen hält der Eigentümerverband Haus & Grund bekanntermaßen wenig. Mit politischen Instrumenten zur Mietenregulierung werde "keine einzige Wohnung geschaffen", monierte Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland. "Zwei wesentliche Hindernisse im Wohnungsbau sind die hohen Baukosten und fehlendes Bauland." Der Staat könne viel tun, um Baukosten zu senken. "Die Stadt Hamburg hat mit ihrer neuen Landesbauordnung vorgemacht, wie sich bürokratische Hürden beispielsweise im Brandschutz senken lassen, um damit den Dachgeschossausbau voranzutreiben."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Umfrage: Deutsche gegen militärische Führungsrolle in Europa
25.11.2025

Rente, Bürgergeld, Wehrdienst – bei solchen Themen ist die Stimmung der Bürger gut erforscht. Für die Außenpolitik gilt das hingegen...

DWN
Politik
Politik Lawrow zu Europa: "Ihr hattet eure Chancen, Leute"
25.11.2025

Haben sich die Ukraine und die USA geeinigt? Europa jedenfalls habe seine Chance verspielt, den Ukrainekonflikt politisch zu entschärfen,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Biotech-Unternehmen wandern aus: Europa verliert 13 Mrd. Euro an die USA
25.11.2025

Europas Biotech-Branche steht an einem Wendepunkt, weil zentrale Finanzierungsquellen immer seltener im eigenen Markt zu finden sind....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
25.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Experten warnen vor wachsenden Risiken am Markt
25.11.2025

Die Finanzmärkte stehen unter spürbarer Spannung, während Anleger die Dynamik rund um künstliche Intelligenz bewerten. Doch weist die...

DWN
Finanzen
Finanzen Doppelbesteuerung Rente: Ob Sie betroffen sind und was Sie tun können!
25.11.2025

In Deutschland müssen auch Rentner ihre Rente versteuern, weil Renten als Einkünfte gewertet werden, obwohl Arbeitnehmer bereits im...

DWN
Politik
Politik Georgiens Krise: Welche Machtverschiebung Europa jetzt alarmieren sollte
25.11.2025

Ein Land am Schwarzen Meer verliert seine demokratischen Sicherungen, während die Regierung Kritiker verfolgt und neue Allianzen mit...

DWN
Politik
Politik Insa-Umfrage aktuell: AfD bleibt in Sonntagsfrage vor Union
25.11.2025

Die aktuelle Insa-Umfrage zeigt eine AfD auf Rekordkurs - und eine Union, die langsam näher rückt. Gleichzeitig bröckelt das Tabu-Image...