Politik
Görlitz und Ostsachsen betroffen

Polens starker Smog ruft die EU auf den Plan

Eines der größten Probleme, das Deutschlands Nachbar lösen muss, ist der Smog. Das Ausmaß ist so groß, dass sich bereits die EU damit beschäftigt. Experten zufolge ist auch Deutschland davon betroffen - und zwar überwiegend die Grenzregion in Görlitz.
09.08.2019 10:41
Lesezeit: 3 min
Polens starker Smog ruft die EU auf den Plan
Die Stadt Krakau, die hier zu sehen ist, leidet besonders unter dem Smog. Eine Frau mit einer Atemmaske hat gerade die Straße überquert. Foto: DPA Foto: picture alliance / Omar Marques/

Polen ist berühmt für seine Filmindustrie und seine Regisseure – beispielsweise Roman  Polański oder Andrzej Wajda. Zu den Schauspielern, die derzeit beim deutschen Nachbarn die Spalten der einheimischen Presse füllen, gehört Paweł Deląg, der früher auch in wichtigen westlichen Filmen mitgespielt hat – beispielsweise in den neunziger Jahren in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“.

Doch jetzt macht der 49jährige auf einem völlig anderen Terrain Schlagzeilen: Der Mime aus Krakau setzt sich für die Bekämpfung des Smogs in seinem Land ein – einem der größten politischen Probleme, das den deutschen Nachbarn bedrückt. Schätzungen zufolge sterben pro Jahr in Polen bis zu 48.000 Menschen an der übermäßigen Umweltbelastung. Darüber hinaus gehen die Schäden für die polnische Volkswirtschaft, die die dreckige Luft verursacht, in eine zweistellige Euro-Milliarden-Summe.

So hat Deląg gerade Anfang August einen neuen Film mit dem Titel „Piękna robota“ (deutsch: „Schöne Arbeit“) vorgestellt, der sich mit den Folgen der Umweltzerstörung beschäftigt. Der Streifen soll Ende August auf einem Krakauer Filmfestival vorgestellt werden, das sich im Besonderen mit der Ökologie auseinandersetzt – ein Thema, für das es in Polen bisher kaum ein Bewusstsein gegeben hat.

Krakau besonders vom Smog betroffen

Dass dieses Festival gerade in Krakau stattfindet, ist auch kein Zufall. Denn das Ballungsgebiet um die südwestpolnische ehemalige Kaiserstadt gehört zu den Regionen, die besonders stark von den Emissionen betroffen sind. Die Gründe dafür sind relativ einfach: Der Strom wird nach wie vor überwiegend durch alte Kohlekraftwerke erzeugt. Die Regierung hat zwar schon in den vergangenen Jahren den Anteil von Grüner Energie am Energiemix sukzessive erhöht.

Doch dominiert weiterhin die Kohle, die für den Großteil der Energieerzeugung verwendet wird. Die Kohle-Lobby im Land ist mächtig, und keine Regierung hat sich je getraut, hier notwendige Umstrukturierungen vorzunehmen. Darüber hinaus sorgt der Hausbrand für die verstärkte Umweltbelastung, weil die Haushalte oft mit qualitativ minderwertiger Kohle heizen. Ebenso verpesten die Autoabgase in den Ballungszentren die Luft.

Dabei ist die Entwicklung beim deutschen Nachbarn tatsächlich dramatisch, ohne zu übertreiben. Die volkswirtschaftlichen Schäden, die der Smog verursacht, liegen Schätzungen zufolge bei umgerechnet 25 Milliarden Euro pro Jahr – also fast fünf Prozent am polnischen Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Wie aus einer Studie hervorgeht, die die internationale Beratungsgesellschaft Deloitte herausgegeben, sind das die Kosten, die unter anderem im Gesundheitswesen entstehen, wenn beispielsweise der Arbeitsausfall eines Mitarbeiters bezahlt werden muss, der aufgrund des Smogs erkrankt ist.

EU mahnt Polen, schneller die Luft zu verbessern

Deswegen hat sich auch schon Brüssel hat damit befasst, und Polen droht sogar Strafen in Milliarden-Euro-Höhe, sollte es dem Land nicht gelingen, die Qualität der Luft zu verbessern. Die europäischen Gerichtshöfe haben Ende Dezember 2018 festgestellt, dass Polen beim Smog die rechtlichen Vorgaben der Gemeinschaft nicht einhält. Warschau sollte dafür sorgen, dass sich die Luft wieder verbessert, forderten die Richter.

Jetzt hat die EU Mitte Juli 2019 Polen erneut gemahnt. Das Land habe zwar Maßnahmen in die Wege geleitet, um den Smog einzudämmen, so die Vertreter der EU. Doch werden die Projekte der Regierung nicht schnell genug umgesetzt, findet Brüssel. Dazu gehört ein staatliches Programm, das den Bürgern die Umrüstung alter Brennöfen ermöglicht, die besonders viel Schadstoffe in die Luft blasen.

Polnischer Smog - eine „relative Gefahr“ für Deutschland

Doch nicht nur die EU, sondern auch die Behörden ist Deutschland haben den Smog beim Nachbarn bereits im Visier. „Die Gefahr, die aus der hohen Luftbelastung in einigen Gebieten Polens für uns besteht, muss man allerdings relativieren“, sagte Stefan Gilge vom Deutschen Wetterdienst (DWD) den Deutschen Wirtschafts Nachrichten (DWN).

„Bei uns werden überwiegend Luftmassen vom Atlantik und von unseren westlichen Nachbarn antransportiert – also aus Frankreich, den Benelux-Staaten und aus Großbritannien“, erklärte der Fachmann und wies darauf hin, dass Deutschland in einer „Westwind-Zone“ liegt. „Tatsächlich konnten aber schon höhere Schadstoffimmissionskonzentrationen bei Ostlagen beobachtet werden“, erklärte der DWD-Experte.

„Deutschland ist von Feinstaubtransporten aus Polen betroffen,“, gab Ute Dauert vom Umweltbundesamt in Dessau genauere Auskunft. „Und zwar vor allem aus den Industriegebieten, die im Südwesten Polens liegen“, so die Expertin. „Die Kollegen aus Sachsen berichten, dass in der Grenzregion bei Görlitz Benzapyren aus Polen herüberkommt“, so die Fachfrau. „Dieser giftige Kohlenwasserstoff stammt aus privaten polnischen Haushalten, die Kohle und Holz verbrennen“, sagte Dauert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Über den Wolken: Sky City 1000 – eine Zukunftsvision gegen Wohnraummangel
28.12.2025

Die japanische Hauptstadt Tokio wächst – schneller als die Stadt es verkraftet. Allein 2024 kamen zehntausende Menschen hinzu, im...

DWN
Technologie
Technologie Batteriespeicher: Warum RWE den Takt für Europas Netze vorgibt
28.12.2025

Ein deutscher Energiekonzern baut in Wales den größten Batteriespeicher Großbritanniens und verschiebt damit die Kräfteverhältnisse in...

DWN
Panorama
Panorama DWN-Wochenrückblick KW 52: Die wichtigsten Analysen der Woche
28.12.2025

Im DWN Wochenrückblick KW 52 fassen wir die zentralen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Woche zusammen....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Jahreswagen, Vorführwagen, Tageszulassung: So sparen Sie beim Autokauf
28.12.2025

Wer beim Auto kaufen sparen will, muss nicht zwingend zum alten Gebrauchten greifen. Jahreswagen, Vorführwagen und Tageszulassung wirken...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Föderale Modernisierungsagenda: 200-Punkte-Programm für Bürokratieabbau – ist das der große Wurf?
28.12.2025

Bund und Länder haben ein Paket beschlossen, das den Staat schlanker und schneller machen soll. Über 200 Maßnahmen zielen auf Bürger,...

DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...