Politik

Krieg im Jemen: Arabische Emirate vollziehen überraschend Annäherung an den Iran

Der Jemen-Konflikt steht in direkten Zusammenhang mit dem chinesischen Infrastrukturprojekt der Neuen Seidenstraße. Wenn die Gegner Chinas das Land unter ihre Kontrolle bringen, wäre es möglich, den Seeweg der Seidenstraße zu blockieren. Jetzt haben die Vereinigten Arabischen Emirate überraschend eine Annäherung an den Iran eingeleitet.
12.08.2019 17:15
Lesezeit: 5 min
Krieg im Jemen: Arabische Emirate vollziehen überraschend Annäherung an den Iran
Der Jemen liegt an einem Knotenpunkt der Neuen Seidenstraße. (Grafik: CFR)

 

 

Bei Kämpfen zwischen regierungsnahen Truppen und Söldnern des Southern Transitional Council (STC) in der zweitgrößten Stadt des Jemen, Aden, sind in den vergangenen Tagen rund 40 Menschen ums Leben gekommen und 260 weitere verletzt worden, darunter auch Zivilisten. “Zahlreiche Zivilisten wurden seit dem 8. August bei den Kämpfen in der Stadt Aden getötet und verwundet. Vorläufigen Berichten zufolge wurden bis zu 40 Menschen getötet und 260 verletzt”, heißt es in einer Erklärung der UN. Aden befindet sich mittlerweile unter der Kontrolle des STC.

Die Regierung des jemenitischen Präsidenten Abedrabbo Mansour Hadi wird von einer von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition unterstützt, welche die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) bisher als wichtigen Partner im Kampf gegen die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen im Norden des Landes einbezogen hatte. Die südliche Hafenstadt Aden war die Basis der Hadi-Regierung, seit sie vor mehr als vier Jahren von den Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben wurde. 

Allerdings gibt es offenbar Differenzen zwischen den VAE und Saudi-Arabien. Am 28. Juni 2019 hatten die VAE angekündigt, ihre Truppen im Jemen reduzieren zu wollen. Die VAE zogen sich am 4. Juli 2019 vollständig aus Marib im Nordosten des Jemen zurück und übergaben die Insel Zuqar an der Westküste an Truppen von Präsident Hadi. Auch im Hafen von Aden wurden die Truppen der VAE reduziert. 

Die Karten werden neu gemischt

Jemenitische Kampfverbände, die den VAE loyal gegenüberstehen, wurden an der Westküste unter das einheitliche Kommando des Kommandanten der Republikanischen Garde, Tariq Saleh, dem Sohn des Bruders des verstorbenen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, gestellt, so die Zeitung Asharq al-Awsat. Im Süden stellten die VAE Sicherheitsgürtelsoldaten und Militäreliten unter das Kommando des STC.

Sowohl die STC als auch die Republikanische Garde, die von den VAE unterstützt werden, erkennen die Legitimität der Regierung von Präsident Hadi nicht an. Die Bemühungen der VAE zielen darauf ab, ihre loyalen Fraktionen und Brigaden im Süden des Jemen zu vereinen, um ihren anhaltenden Einfluss im Jemen auch nach dem Truppenabzug sicherzustellen. Die größten Gewinner dieser Politikänderung der VAE werden die Houthi-Rebellen sein, da nicht sie, sondern die Hadi-Regierung von nun an als Hauptgegner der VAE einzustufen ist. 

Doch auch die Al-Islah-Partei, die der jemenitische Arm der Muslimbruderschaft ist, kann aufatmen. Denn Saudi-Arabien wird auf sie angewiesen sein, wenn die schiitischen Houthi-Rebellen im Norden des Landes und die Verbände im Süden des Landes, die den VAE nahe stehen, bekämpft werden sollen. 

Auf der regionalen Ebene zielt der Truppenabzug der VAE darauf ab, die Lasten für die materiellen sowie menschlichen und moralischen Schäden zu minimieren. Saudi-Arabien würde im Rahmen einer derartigen Konstellation vermehrt Lasten tragen müssen.

Für den Oman bedeutet das, dass nur noch Saudi-Arabien in der östlichen jemenitischen Provinz Mahra als Kontrahent übrig bleibt. Da Riad in Mahra, das nach Ansicht des Omans das einzige Fenster zum Jemen ist, immer noch militärisch präsent ist, bleibt Oman in vollem Umfang von den lokalen jemenitischen Kampfverbänden abhängig, um die saudische Präsenz zu schwächen.

Diese überraschenden Entwicklungen stehen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens zwischen Abu Dhabi und Teheran am 1. August 2019 sowie einer Annäherung zwischen den Houthi-Rebellen und den VAE, die nach Angaben des stellvertretenden Generalsekretär der schiitischen und ebenfalls wie die Houthi-Söldner vom Iran unterstützte Hisbollah, Sheikh Naim Qassem, zu direkten Gesprächen führte, berichtet die Hisbollah-nahe Zeitung Al Mayadeen. Der Truppenabzug der VAE hängt direkt mit diesem Abkommen zusammen.

Die VAE geben den Houthi-Rebellen in diverse Gebieten die Freiheit, ihre Angriffe fortzusetzen. Als sich die Emiratis am 4. Juli 2019 aus Marib zurückzogen, zielten die Houthi-Rebellen mit einer ballistischen Rakete auf das Haus des Provinzgouverneurs Sultan al-Arada, berichtet Saba Net. Als die Emiratis am 1. August 2019 ihre Truppen aus Aden abzogen, beschossen die Houthi-Rebellen mit einer ballistischen Rakete und einer Drohne eine Militärparade in Aden. Dabei kamen 36 Hadi-Soldaten und der Kommandeur der 1. Brigade im Sicherheitsgürtel, Munir al-Yafei, ums Leben, meldet der englischsprachige Dienst von Reuters.

Die Ziele der VAE im Jemen unterscheiden sich von denen Saudi-Arabiens. Während Riad versucht, die Houthi-Rebellen zu besiegen, konzentrieren sich die VAE auf den südlichen Jemen und den Küstenstreifen, insbesondere die Bab el Mandeb-Straße. Da die Houthi-Rebellen im Norden des Jemens operieren, und damit an der Grenze zu Saudi-Arabien präsent sind, ist die Präsenz der Houthi-Rebellen für die VAE ein sekundäres Problem. 

Jemen-Konflikt und Chinas Neue Seidenstraße

Der Konflikt im Jemen, und der damit verbundene Positionswechsel der VAE, hängt direkt mit der Neuen Seidenstraße Chinas zusammen. Die Bab el Mandeb-Straße ist ein wichtiger Knotenpunkt im System der Seewege der Neuen Seidenstraße.

Die VAE haben mit ihrem Positionswechsel im Jemen klar gemacht, dass sie im Zusammenhang mit dem Seidenstraßen-Seeweg auf Seiten Chinas stehen. Besonders auffällig ist, dass sich die VAE in den vergangenen Wochen von der US-Regierung distanziert haben, berichtet die Washington Post. Kronprinz Mohammed Bin Zayed besuchte Ende Juli 2019 Peking und bekundete seine Unterstützung für das Projekt der Neuen Seidenstraße. Bin Zayed ging sogar soweit, seine Unterstützung für die Minderheitenpolitik der Chinesen zu loben. Der chinesische Botschafter der VAE, Ni Jian, sagte in einem Interview mit der Emirate News Agency WAM: “Die Neue Seidenstraße entspricht den Interessen der VAE und bringt Chancen und Impulse für unsere jeweilige Entwicklung. Als wichtiger regionaler Verkehrsknotenpunkt sowie Finanz- und Handelszentrum spielen die VAE eine entscheidende Rolle bei der Ausweitung der Zusammenarbeit Chinas mit den Staaten am Golf und im Nahen Osten und bei der Erleichterung der Interkonnektivität.”

Wenn es um das geopolitische Gefüge der Neuen Seidenstraße geht, spielt auch der Iran - ein Verbündeter der Chinesen und deren wichtigster Energielieferant - als Baustein eine wichtige Rolle. Die iranische Zeitung Ebtekar berichtet, es gebe positive Anzeichen für eine Annäherung zwischen den VAE und dem Iran.

Der Kommandeur der Küstenwache der VAE besuchte Anfang August 2019 den südlichen Hafen von Bandar Abbas im Iran und unterzeichnete eine Absichtserklärung mit dem Chef der Grenzpolizei. Im Juli 2019 hatte es eine Reihe von Treffen zwischen hochrangigen Beamten aus dem Iran und den VAE gegeben. “Inmitten der gegenwärtigen Spannungen haben die VAE Teile ihrer Streitkräfte aus dem Jemen abgezogen, was ein positives Signal für den Iran ist. Außerdem haben wir in den letzten zwei Monaten miterlebt, wie die Rhetorik der Vereinigten Arabischen Emirate gegen den Iran dramatisch zurückgegangen ist. Medien aus dem VAE haben kein Interesse an einem Propagandakrieg gegen den Iran gezeigt”, zitiert Ebtekar den iranischen Außenpolitikanalyst Mostafa Najafi. Die iranischen Behörden sind der Ansicht, dass die VAE ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum Iran aufrechterhalten müssen, da viele Iraner in Dubai leben und arbeiten. Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna meldete kürzlich, dass Dubai ein Interesse an einer Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran gezeigt habe.

Abdul Qader Faghihi, Präsident des Iranian Business Council in Dubai, sagte in einem Interview mit Rouydad24.ir, dass ein “Raum für den Handel zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten wiedereröffnet wurde”. Einer Einigung zufolge sollen Iraner, die in Dubai tätig sind, problemlos Geschäftsvisa erhalten und Konten bei Banken eröffnen dürfen. 

Farshid Farzanegan, Vorsitzender der gemeinsamen Handelskammer Iran-VAE, erklärte kürzlich: “Das Verhalten der VAE gegenüber iranischen Geschäftsleuten hat sich geändert (...) und es werden Schritte unternommen, um die Beziehungen wieder aufzunehmen (...) Da die Wirtschaft der VAE zusammenbricht, haben die Beamten beschlossen, mit dem Iran zusammenzuarbeiten.”

Die Annäherung zwischen dem Iran und den VAE erfolgt vielleicht nicht nur im Sinne von China, sondern könnte auch von der Regierung in Peking in Gang gebracht worden sein. Während der Iran aus energiepolitischer Sicht und aus Sicht des Landwegs der Neuen Seidenstraße unerlässlich ist, sind die VAE aus Chinas Sicht wichtig im Zusammenhang mit der Sicherung der Bab el Mandeb-Straße, aber auch der Straße von Hormuz. Die USA und ihr enger Verbündeter Saudi-Arabien - und eigentlich auch Russland -  haben kein Interesse daran, dass China die Neue Seidenstraße dazu nutzt, um zu einer weltweit dominanten Macht aufzusteigen. 

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