Politik

Soja gibt es bald nur noch in gentechnisch manipulierter Form

Europäische Lebensmittel-Händler beklagen eine Knappheit an konventionell angebauter Soja. Schuld sei der rasante Siegeszug der Gentechnik. Den Konsumenten droht eine signifikante Einschränkung ihrer Wahlfreiheit.
21.05.2013 01:34
Lesezeit: 2 min

In Brasilien müsse auch in Zukunft gentechnikfreie Soja angebaut werden, fordern Einzelhandles-Ketten aus mehreren europäischen Ländern in einer gemeinsamen Erklärung. Millionen Tonnen an Kraftfutter aus Sojabohnen werden in Europa jährlich an Nutztierarten verfüttert. Die Hülsenfrucht ist damit einer der wichtigsten Grundstoffe für die Produktion tierischer Lebensmittel – von Fleisch über Milchprodukte bis hin zu Eiern.

Brasilien ist eines von wenigen bedeutenden Soja-Exporteuren, in denen es überhaupt noch nennenswerte Marktanteile von gentechnikfreien Sorten gibt. In den USA oder Argentinien hingegen wird kaum noch Soja gepflanzt, der nicht genmodifiziert ist. Mehr als 70 Prozent der weltweiten Soja-Flächen werden mittlerweile mit gentechnisch veränderten Sorten bebaut.

Seit dem Jahr 2005 sei der Anteil an gentechnikfreier Soja in Brasilien kontinuierlich zurückgegangen, heißt es in der gemeinsamen „Brüsseler Soja-Erklärung“ der Handelsfirmen. Diese Entwicklung sei auch eine Folge der erhöhten Nachfrage nach gentechnisch veränderter Soja in China. Dadurch würde die Nachfrage nach herkömmlichem Sojabohnen an Bedeutung verlieren. Kleinere Mengen bedeuten auch teurere Produktionsbedingungen. Der Konsument, der Wert auf gentechnikfreie Lebensmittel setzt, wird kräftig zur Kasse gebeten. Bei einer zunehmenden Vertiefung der Entwicklungen besteht schließlich irgendwann gar keine Wahlmöglichkeit mehr.

Laut Zahlen des Biotech-Interessensverbandes ISAAA hat sich die Anbaufläche von gentechnisch verändertem Soja zwischen 2000 und 2012 mehr als verdreifacht. Soja umfasst damit die Hälfte aller weltweit mit Gentechnik-Pflanzen bewirtschafteten Flächen. Seit Jahren ist Brasilien der Motor dieser Entwicklung. 2012 nahm dort allein im Vergleich zum Vorjahr die Anbaufläche von gentechnisch veränderten Pflanzen um 21 Prozent zu. Dies geschah aber nicht nur auf Kosten der konventionellen Landwirtschaft. Ohne die Rodung immer größerer Regenwaldgebiete zur Flächengewinnung wäre der Siegeszug der Gentechnik ebenfalls nicht möglich.

In ihrem Papier bieten die Einzelhandelsfirmen ihre Unterstützung für den brasilianischen Soja-Anbau an, ohne dabei jedoch konkret zu werden. Zu den Unterzeichnern gehören neben Handelsketten aus Belgien, Österreich und Portugal die Unternehmen Rewe, Edeka, tegut, Kaiser´s Tengelmann, Lidl, Netto und Kaufland sowie der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT). Die vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen einen erleichterten Zugang zu nicht genmanipuliertem Saatgut für Brasiliens Landwirte und eine „faire“ Aufteilung der Gewinne, die im Rahmen der gesamten Produktionskette von Lebensmitteln anfallen.

Die Initiative ist trotz der nicht zu unterschätzenden Marktmacht der beteiligten Ketten wohl kaum mehr als ein kleiner Funke. Zudem ist die Rolle der Einzelhandels-Riesen nicht unumstritten. Gerade die Forderung nach fairer Gewinnbeteiligung der Erzeuger geht meilenweit an dem vorbei, was die Händler seit jeher in der Realität vertreten.

Sie sind damit selbst Teil des Umbaus der weltweiten Lebensmittel-Produktion zugunsten des von wenigen Agrarkonzernen beherrschten Gentechnik-Marktes (hier). Neben dieser beobachtbaren wirtschaftlichen Konzentration sind viele gesundheitliche, soziale und ökologische Risiken noch gar nicht absehbar.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...