Am Dienstag sind in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen hunderte Schleusenwärter in den Streik getreten. Und auch in Bremen hat die Gewerkschaft Verdi zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Bis zum 22. August sollen in der Binnenschifffahrt an den Schleusen nichts mehr laufen. Der Streit zwischen Verdi, den Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) und Bundesverkehrsminister Ramsauer hält schon seit einigen Wochen an. Vergangene Woche waren Schleusenwärter in Berlin und Brandenburg in den Streik getreten – mehr als 50 Schleusen Berlins waren betroffen.
Hintergrund der Streiks ist die geplante Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Schon im Juni vergangenen Jahres stellte Verkehrsminister Ramsauer klar, dass er diese Reform unbedingt umsetzen will:
„Mit der Vorlage unseres Konzepts beenden wir einen über zwanzigjährigen Reformstau und 20 Jahre Unsicherheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen wird zukunftsfähig aufgestellt und orientiert sich künftig am tatsächlichen Bedarf. Wir legen Aufgabenbereiche zusammen und reduzieren die Anzahl der Behörden von jetzt 53 auf dann 34. Damit wird die Verwaltung schlanker und schlagkräftiger. Für die Umsetzung nehmen wir uns acht Jahre Zeit. Betriebsbedingte Kündigungen wird es keine geben.“
Doch die Mitarbeiter der Binnenschifffahrt und die Gewerkschaft Verdi sehen diese Reform deutlich skeptischer. Vielmehr fürchtet man hier bundesweit einen Abbau von 3.000 Stellen im Zuge der Reform. „Die Versprechen von Bundesverkehrsminister Ramsauer sind unverbindlich und können jederzeit von ihm oder einem seiner Nachfolger durch Änderungskündigungen ausgehebelt werden“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp vergangene Woche. „Deswegen wollen und brauchen die Beschäftigten einen Tarifvertrag.“
In einem Interview mit dem Tagesspiegel machte er sogar deutlich, dass seine Gewerkschaft durchaus bereit sei, noch weiter zu gehen. „Wir haben inzwischen deutlich gemacht, dass wir deutschlandweit in der Lage sind zu agieren. Wir können die Binnenschifffahrt deutschlandweit lahmlegen – das wäre die letzte Eskalationsstufe“, so Meerkamp.
Eine stillstehende Binnenschifffahrt ist in der Tat kein Problem, dass Verkehrsminister Ramsauer einfach so ignorieren kann. In Deutschland gibt es nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung etwa 7.300 Kilometer See- und Binnenwasserstraßen. Dazu gehören an den Bundeswasserstraßen unter anderem 450 Schleusenkammern und 290 Wehre, vier Schiffshebewerke, 15 Kanalbrücken und zwei Talsperren.
Über die Bundeswasserstraßen werden in Deutschland jährlich Gütermengen von bis zu 240 Millionen Tonnen transportiert. Dies entspricht fast 75 Prozent der Güterverkehrsleistung der Eisenbahnen beziehungsweise circa 14 Millionen Lkw-Fahrten. „Weiterhin werden im Binnenschiffsverkehr etwa 1,5 Millionen Container (TEU - Twenty Foot Equivalent Unit) befördert, was zusätzlich 700.000 Lkw-Fahrten entspricht“, heißt es aus dem Ministerium. „Damit leistet die Binnenschifffahrt einen bedeutenden Beitrag zur Bewältigung der Transportnachfrage und dies kostengünstig, termingetreu und umweltverträglich.“
Der Bundesverband der Binnenschifffahrt (BDB) hat sich nun an Angela Merkel gewendet. Sie solle ein Machtwort sprechen. Denn, „der streikbedingte Schaden in der Schifffahrtsbranche, die mit dem Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft und der Bundesregierung nichts zu tun hat, geht bereits jetzt in die Millionen“, teilte der BDB am Dienstag mit. „Dass eine komplette Branche, die nichts zur Lösung des Tarifkonflikts beitragen kann, als unbeteiligte Dritte derart geschädigt wird und einzelne Unternehmer in der Binnenschifffahrt in den Bankrott geraten, kann nicht richtig sein“, so BDB-Präsident Georg Hötte:
„Wir erleben hier eine völlig groteske Situation: Verdi kämpft für den Erhalt der Arbeitsplätze in der Verwaltung – und vernichtet gleichzeitig Arbeitsplätze in der Binnenschifffahrt! Das ist umso kurioser, weil Verdi zugleich Tarifvertragspartner für die Angestellten in der Schifffahrt ist und für deren Anliegen verantwortlich zeichnen sollte. Wenn tausende von Mitarbeitern des Bundes gut funktionierende Mittelstandsbetriebe ruinieren, darf das der Regierungschefin nicht egal sein!“