„In der Nähe der niederschlesischen Stadt Walbrzych steht ein Mausoleum, das die Nazis zwischen 1936 und 1938 erbaut haben,“ weist Piotr Koper auf seiner Facebook-Seite auf einen aktuellen Artikel vom lokalen Stadtportal hin. „Es war Bestandteil eines Programms, das die Errichtung von spektakulären Ehrenmälern für Tote in ganz Deutschland vorgesehen hatte“, so der polnische Hobby-Historiker.
„Die lokalen Behörden in Polen wissen jetzt allerdings nicht, was sie nun damit machen sollen“, schrieb Koper auf seiner Fan-Seite, von denen er reichlich hat: So kommunizieren auf diesem Sozialem Medium weit mehr als 2.100 Freunde mit dem polnischen Hobby-Historiker.
Koper ist immer noch fasziniert von Relikten aus der Nazi-Zeit, von denen es in der polnischen Wojewodschaft Dolnośląsk (dem ehemaligen Niederschlesien) sehr viele gibt. Der Freizeit-Forscher gehört wohl zu den bekanntesten Polen. Denn Koper hat gemeinsam mit seinem deutschen Kompagnon Andreas Richter (auch ein Geschichtsenthusiast) hier in der Gegend mehrere Jahre lang fieberhaft den sagenhaften Gold-Zug der Nazis gesucht.
Damit hat er nicht nur zuhause bei den hiesigen Medien, sondern sogar bei der internationalen Presse eine vielachtete Karriere gemacht. Der einheimische Nachrichtensender TVN24 richtete sogar eine eigene Rubrik über ihn ein. Darüber hinaus füllte Koper die Bericht-Spalten der wichtigsten westlichen Zeitungen wie dem deutschen „Spiegel“, dem französischen „Le Figaro“, aber auch der „New Yorker Times“. Sie alle wollten unbedingt wissen, wo das Nazi-Gold versteckt ist. Der Medienhype, den Koper losgetreten hatte, elektrisierte letztlich alle. So kamen viele Touristen in die Gegend, um zu sehen, wie weit die Grabungen sind.
Hintergrund: Der Legende nach sollen die deutschen Machthaber gegen Ende des Zweiten Weltkrieges vom damaligen Breslau aus (heute: Wroclaw) einen Sonderzug nach Südwesten geschickt haben, der aber nie sein Ziel erreicht hat. Die Fracht: 300 Tonnen Gold, das aus Raub und Industriegütern stammte.
Eine erstaunliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die aktuellen Goldreserven Polens gerade einmal bei 228 Tonnen liegen. Wenn die Polen den Zug tatsächlich einmal entdecken und den Schatz ihrer Nationalbank zur Verfügung stellen, dann würden sich ihre Reserven weit mehr als verdoppeln. Auf der internationalen Weltrangliste würde das Land auf den neunten Platz vorspringen. Derzeit befindet es sich auf dem 20. Rang – also ein gewaltiger Satz. Der Schatz hätte demnach eine erhebliche politische Bedeutung – auch für das heutige Polen noch.
Doch das ist nicht der einzige Fakt, der zur Goldsuche reizt. Der Zug soll dann in einem versteckten Tunnelsystem namens „Riese“ verschwunden sein, das sich über mehrere Kilometer im Erdreich erstreckte. Es war ein Mega-Projekt, das die Nazis nie fertig gestellt hatten. Und was sie damit genau vorhatten, weiß man bis heute nicht– ähnlich wie beim Ehrenmal in Walbrzych. Einer Theorie zufolge sollte die Anlage ein riesiges Bunkersystem werden, das bis zu 20.000 Personen Platz bietet – überwiegend wichtigen Vertretern des Nazisystems.
So ist es auch kein Wunder, dass Koper und sein deutscher Partner von dieser Legende so fasziniert waren, dass sie den sagenumwobenen Zug unbedingt finden wollten. Wie sehr sie davon überzeugt waren, wird auch daran deutlich, dass sie zehn Prozent des Fundes für sich beanspruchten – und zwar offiziell per Anwalt.
Die Suche erwies sich dann mühseliger als erwartet, weil die beiden doch tiefer bohren mussten. Darüber hinaus schossen die Kosten in Höhe. Auch bezweifelten aktuellen Gutachten von polnischen Wissenschaftlern, dass der Zug existiert.
Sein deutscher Partner Schmidt verließ schließlich 2018 das Grabungsteam, Koper machte zwar noch weiter – alles aber ohne Erfolg. Die Legende vom sagenhaften Nazi-Gold bleibt aber in den Köpfen, weil sie nach wie vor nichts von ihrer Anziehungskraft verloren hat. Möglicherweise fängt irgendwann einmal wieder jemand an, danach zu suchen. Es muss nur etwas Zeit vergehen.