Finanzen

Fed greift zum letzten Mittel, um Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren

Die Federal Reserve startet ein neues Wertpapierkaufprogramm in unbekanntem Umfang, um die aufgeflammten Liquiditätsprobleme in den Griff zu bekommen.
10.10.2019 16:55
Lesezeit: 2 min
Fed greift zum letzten Mittel, um Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren
Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Fed, besteht darauf, dass die erneuten Anleihekäufe kein QE seien. (Foto: dpa) Foto: ---

Die Federal Reserve wird in Kürze wieder massiv Geld drucken, um US-Staatsanleihen mit kurzen Laufzeiten zu kaufen. Damit wolle man eine Wiederholung der jüngsten Unterbrechung der Übernacht-Repo-Märkte verhindern, sagte der Vorsitzende Jerome Powell. Wie aus den am Mittwoch veröffentlichten Fed-Protokollen hervorgeht, besteht im Führungskreis der Notenbank Einigkeit in diesem Punkt.

Jüngst musste die US-Notenbank wiederholt mit vielen Milliarden Dollar am Geldmarkt intervenieren, um Liquiditätsengpässe bei den Banken zu lindern. Es waren die ersten solchen Eingriffe seit der Finanzkrise. Nun will die Fed auch wieder Staatsanleihen kaufen. Dazu schafft sie Geld aus dem Nichts, das als Passiva in der Bilanz geführt werden, während die gekauften Anleihen als Aktiva geführt werden. Daher spricht man beim Wertpapierkauf durch Zentralbanken auch von einer Bilanzerweiterung.

Ende Juli hatte die Federal Reserve bereits entschieden, den Abbau ihrer in den Jahren nach der Finanzkrise kräftig aufgeblähten Wertpapierbestände in der Bilanz vorzeitig abzubrechen. In den Jahren nach der Finanzkrise war die Bilanzsumme der Notenbank im Rahmen von drei QE-Programmen (Quantitative Easing) auf rund 4,5 Billionen Dollar angewachsen. Anschließend wurde es auf rund 3,8 Billionen Dollar eingedampft.

In Denver, Colorado, sagte Powell vor der National Association of Business Economists, dass sich die neuen Maßnahmen von den QE-Programmen aus der Krisenzeit unterscheiden, weil sie eher dazu gedacht seien, kurzfristige Kredite zu erleichtern. Die QE-Programme hingegen hatten das erklärte Ziel, die US-Wirtschaft zu stimulieren. Tatsächlich führten die massiven Wertpapierkäufe mit frischem Geld durch die Fed vor allem zu massiven Preissteigerungen auf den Finanzmärkten.

Möglicherweise vermeidet Powell den Begriff QE im Zusammenhang mit dem neuen Anleihenkaufprogramm (das in der Realität nichts anderes ist), weil er den Eindruck vermeiden will, die US-Wirtschaft stecke in Schwierigkeiten. Sicher ist, dass die Banken die jüngsten Eingriffe der Fed an den Übernacht-Repo-Märkten dringend brauchten, um liquide zu bleiben, dass also das Finanzsystem in großen Schwierigkeiten steckt.

In den letzten Wochen musste die Federal Reserve Bank of New York Milliarden Dollar in die kurzfristigen Kreditmärkte stecken, um den Druck zu mildern, der im September aufgeflammt war und die Zinsen für die Übernacht-Repo-Kreditaufnahme auf bis zu 10 Prozent anstiegen ließ. Die Liquiditätsspritzen der Fed haben die so genannte Repo-Rate wieder in einen normalen Bereich von etwa 1,8 Prozent gebracht. Doch die Zentralbanker halten dies nicht für eine dauerhafte Lösung des Problems.

Ohne ausreichende Reserven im Bankensystem könne selbst eine normale, vorhersehbare Nachfrage nach Reserven, zum Beispiel wenn Unternehmen Bargeld zur Zahlung von Steuern benötigen, zu übergroßen Bewegungen der Geldmarktzinsen führen, sagte Powell. Der Fed-Chef machte keine Angaben über den Umfang der Anleihekäufe, um Marktstörungen zu vermeiden.

"Was wir hier nicht haben, ist die genaue Größe der Anleihenkäufe, und das ist es, was mich beunruhigt", zitiert die Financiel Times Subadra Rajappa, Leiterin der US-Tarifstrategie bei Société Générale. "Die Sorge hier ist, dass die Menschen anfangen könnten, dies bei der Bewertung von Finanzwerten als eine lockerere Geldpolitik mit einzupreisen, wenn sich der Staub gelegt hat."

Analysten halten es für notwendig, dass die Federal Reserve in den nächsten sechs Monaten zwischen 200 Milliarden Dollar und mehr als 300 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit kauft, um die Finanzmärkte wieder in ihr normales Funktionieren zu versetzen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rohstoffmacht China: Wie Peking Europas Mittelstand in die Abhängigkeit treibt
16.11.2025

China verschiebt seine Exportkontrollen für Seltene Erden – offiziell um ein Jahr. Doch das ist keine Entspannung, sondern eine...

DWN
Technologie
Technologie Kuka weitet Stellenabbau in Augsburg aus – 560 Jobs betroffen
16.11.2025

Der Roboterhersteller Kuka plant an seinem Stammsitz in Augsburg einen größeren Stellenabbau als zunächst angekündigt. Statt der...

DWN
Immobilien
Immobilien PV-Anlagen für Unternehmen: Wie Betriebe mit Steuerbonus und Eigenstrom doppelt punkten
16.11.2025

Gewerbliche Photovoltaikanlagen gewinnen für den Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Durch den Investitionsabzugsbetrag und die...

DWN
Politik
Politik Europa im Wandel: Populismus und Spannungen in Deutschland, England und Frankreich
16.11.2025

Europa steht vor politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, während der Zusammenhalt innerhalb der EU zunehmend brüchig wird....

DWN
Politik
Politik Von der Leyen unter Druck: Zwei Billionen Euro und kein Plan für Europas Bauern
16.11.2025

Der Streit um Agrarsubventionen spaltet die Europäische Union. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will den EU-Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzskandal bei privaten Krediten: HPS und BNP Paribas verlieren hunderte Millionen
16.11.2025

Der Markt für private Kredite außerhalb regulierter Banken erlebt ein rasantes Wachstum, das zunehmend systemische Risiken birgt. Wie...

DWN
Politik
Politik TNT-Produktion in Europa: NATO-Staaten planen neue Fabriken zur Versorgungssicherung
16.11.2025

Europa verfügt derzeit über nur eine Produktionsstätte für NATO‑Standard‑TNT, während mehrere Länder neue Fabriken planen. Wie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...