Politik

Streit mit Macron: Von der Leyen gerät bei Zusammenstellung der EU-Kommission unter Zeitdruck

Für Ursula von der Leyen wird es zunehmend schwieriger, den Zeitplan zur Vorstellung der neuen EU-Kommission einzuhalten. Frankreich lässt sich mit der Nominierung einer neuen Kandidatin nach der Ablehnung der bisherigen Kandidatin und dem anschließenden Eklat in der vergangenen Woche Zeit.
14.10.2019 16:43
Aktualisiert: 14.10.2019 16:51
Lesezeit: 2 min

Frankreich lässt sich bei der Nominierung eines neuen Kandidaten für das Team der künftigen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen offensichtlich Zeit. Von französischer Seite gebe es nach wie vor keine Entscheidung für einen neuen Kandidaten, sagte ein Sprecher von der Leyens am Montag. Zuvor hatten sich von der Leyen und der französische Präsident Emmanuel Macron rund eine Stunde lang im Pariser Élyséepalast getroffen.

Die französische Kommissionskandidatin Sylvie Goulard war vergangene Woche vom Europaparlament abgelehnt worden. Das hatte Macron mit einer Verbalattacke auf von der Leyen quittiert und der deutschen CDU-Politikerin die Schuld gegeben.

Macron machte von der Leyen unmittelbar nach der entscheidenden Abstimmung gegen Goulard für das Debakel verantwortlich. Er habe die deutsche CDU-Politikerin auf die laufenden Ermittlungen gegen Goulard in einer Scheinbeschäftigungsaffäre hingewiesen, sagte ein sichtlich aufgebrachter Macron am Donnerstagnachmittag in Lyon. Diese habe sich aber dennoch für Goulard als Kandidatin entschieden. Die frühere französische Verteidigungsministerin Goulard war wenige Stunden zuvor bei einer Abstimmung der zuständigen Ausschussmitglieder des Europaparlaments mit klarer Mehrheit abgelehnt worden. Nach Angaben aus dem Parlament stimmten lediglich 29 Abgeordnete für sie, aber 82 gegen sie.

Zum Verhängnis wurden Goulard unter anderem noch laufende Ermittlungen zu einer Scheinbeschäftigungsaffäre. Diese hatten bereits 2017 zu ihrem Rücktritt als Verteidigungsministerin geführt. Zudem kritisierten viele Parlamentarier, dass Goulard während ihrer Zeit als Europaabgeordnete (2009-2017) mehr als zwei Jahre lang nebenbei einen hoch dotierten Beratervertrag bei einer Denkfabrik des Privatinvestors Nicolas Berggruen hatte.

Macron betonte, dass er von der Leyen zuvor insgesamt drei Namen für den Spitzenposten in der Kommission genannte habe. Diese habe sich für Goulard ausgesprochen und versichert, die Zustimmung der Chefs der größten Fraktionen im EU-Parlament für die Kandidatin erhalten zu haben. EVP-Fraktionschef Manfred Weber und S&D-Fraktionschefin Iratxe Garcia Perez betonten unterdessen, von der Leyen habe sie vor der Nominierung Goulards nicht konsultiert. Sollte dies stimmen, hätte entweder Macron bei seinen Äußerungen in Lyon gelogen oder von der Leyen gegenüber Macron. Die christdemokratische EVP ist nämlich die größte und die sozialdemokratische S&D die zweitgrößte Parteienfamilie im Parlament.

Neben Frankreich müssen auch Ungarn und Rumänien neue Namen vorschlagen. Ein pünktlicher Start der EU-Kommission am 1. November wird deshalb immer unwahrscheinlicher. Von der Leyen braucht nun von allen drei Staaten neue Namen, um ihre Mannschaft zu komplettieren. Die Sprecherin der EU-Kommission, Mina Andreeva, wich Fragen nach möglichen Verzögerungen am Montag jedoch aus. «Es ist nicht möglich für mich, Angaben zum Zeitplan zu machen», sagte Andreeva.

Macron hatte am Sonntag noch betont, dass sich Europa derzeit nicht den «Luxus von unnützen Auseinandersetzungen, von kleinen Streitereien und dem Hinzufügen von internen Krisen zu Krisen der Welt, die uns bereits treffen» leisten könne. Der französische Staatschef empfing am Montag außerdem EU-Ratschef Donald Tusk, um sich auf den EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag vorzubereiten, bei dem unter anderem das Thema Brexit im Mittelpunkt stehen wird. Am Sonntagabend hatte sich Macron bereits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt. Deutschland und Frankreich machten deutlich, bei wichtigen internationalen Krisen wie dem Brexit und der türkischen Militäroffensive in Syrien an einem Strang ziehen zu wollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Aktivrente: Warum viele Ältere weiterarbeiten wollen
29.10.2025

Immer mehr ältere Menschen wollen auch im Ruhestand nicht auf Arbeit verzichten. Viele Rentner bleiben beruflich aktiv – aus Freude,...

DWN
Politik
Politik Lawrow bringt Nichtangriffsgarantie für Europa ins Spiel
29.10.2025

Russlands Krieg in der Ukraine erschüttert die Sicherheit Europas, die Zeichen stehen auf Aufrüstung. Nun fällt bei Außenminister...

DWN
Politik
Politik Gegengewicht zu China: Japan und USA stärken Allianz
28.10.2025

Die USA bleiben Japans Schutzmacht. Bei einem Gipfeltreffen in Tokio kündigen beide Länder eine weitere Vertiefung ihrer...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Einkaufsmanagerindex Deutschland: Das Comeback der Wirtschaft hat eine gefährliche Schwachstelle
28.10.2025

Die deutsche Wirtschaft wächst so stark wie seit Jahren nicht mehr – doch der Aufschwung hat Schattenseiten. Während Dienstleistungen...

DWN
Finanzen
Finanzen Überbewertete KI-Aktien: Auf neue Sektoren setzen
28.10.2025

Rekorde an den Börsen, Gold fällt, und Investoren ziehen sich aus überbewerteten KI-Aktien zurück. Wall-Street-Veteranen sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen PayPal-Aktie hebt ab: Kooperation mit OpenAI und starke Quartalszahlen sorgen für Kursfeuerwerk
28.10.2025

Die PayPal-Aktie erlebt derzeit ein beeindruckendes Comeback. Nach Bekanntgabe einer Kooperation mit dem KI-Unternehmen OpenAI und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tipico verkauft: Milliarden-Deal stärkt Sportwettenmarkt
28.10.2025

Tipico, einer der größten Sportwettenanbieter Deutschlands, wechselt für Milliarden den Besitzer. Der französische Konzern Banijay...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche sparen weniger: International aber weit vorn
28.10.2025

Knapp 270 Euro im Monat legen Privathaushalte in Deutschland im Schnitt zurück. Damit sinkt die Sparquote gegenüber dem vergangenen Jahr....