Politik

USA und Türkei verkünden brüchige fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien

Lesezeit: 2 min
18.10.2019 10:30  Aktualisiert: 18.10.2019 10:34
Die USA und die Türkei haben eine fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien verkündet. Die Türkei beansprucht die Kontrolle über einen 30 Kilometer breiten Korridor, was die Kurdenmilizen ablehnen. Offenbar herrscht Uneinigkeit darüber, wo genau die Waffenruhe wirken soll.
USA und Türkei verkünden brüchige fünftägige Waffenruhe für Nordsyrien
17.10.2019, Türkei, Ankara: Mike Pence (r), Vizepräsident der USA, spricht mit Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die USA und die Türkei haben sich überraschend auf eine Kampfpause in Nordsyrien geeinigt und damit Hoffnung auf eine nachhaltige Deeskalation der Lage in der Region geweckt, berichtet die dpa. Die Türkei werde ihren Militäreinsatz gegen die Kurdenmilizen fünf Tage lang aussetzen, sagte US-Vizepräsident Mike Pence in einer Pressekonferenz in Ankara am Donnerstagabend. Ziel sei, dass die Kämpfer der YPG-Miliz abziehen können. Diese Phase habe bereits begonnen. Nach dem vollständigen Abzug der Kurdenmilizen solle die Offensive ganz beendet werden, sagte Pence. Die türkische Seite sprach - anders als US-Vertreter - nicht von einer Waffenruhe, sondern von einer Unterbrechung der Offensive.

Eine hochkarätige US-Delegation unter Führung von Pence hatte das Abkommen am Donnerstag in mehrstündigen Verhandlungen mit Erdogan erzielt. Unklar ist allerdings, ob alle Parteien von den gleichen Grundvoraussetzungen ausgehen. Die kurdischen Kräfte im Nordosten Syriens ließen verlauten, sie seien bereit, die zwischen den USA und der Türkei ausgehandelte Feuerpause zu akzeptieren. «Wir werden alles tun, damit die Waffenruhe ein Erfolg wird», sagte der Kommandant der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, dem kurdischen Fernsehsender Ronahi TV. Die Vereinbarung beinhalte auch die Rückkehr Vertriebener in ihre Häuser, sagte Abdi. Zehntausende waren zuletzt in der Region auf der Flucht.

Nach Abdis Worten gilt die Vereinbarung aber nur für das Gebiet zwischen den Städten Ras al-Ain und Tall Abjad. Das wäre nur ein kleiner Teil der sogenannten Sicherheitszone, die die Türkei seit langem entlang der Grenze einrichten will und aus der sie mit ihrer Offensive alle Kurdenmilizen vertreiben wollte. Die gemeinsame Erklärung der USA und der Türkei definiert das Ausmaß der betroffenen Zone nicht.

Der US-Sonderbeauftragte für die Anti-IS-Koalition, James Jeffrey, sagte in einem Pressebriefing in der Nacht, das Abkommen beziehe sich nur auf das Gebiet, in das die Türkei während ihrer Offensive schon vorgedrungen war und wo sie noch kämpfe. Das schien die Sichtweise der Kurden zu unterstützen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte in einer Pressekonferenz am Abend jedoch, dass die Türkei nach wie vor danach strebe, «dass in 20 Meilen, also 32 Kilometern Tiefe, und östlich des Euphrats bis zur irakischen Grenze, also auf einer Länge von 444 Kilometern, kein Terrorist übrig bleibt und die gesamte Region als Sicherheitszone etabliert wird».

Sollte die Waffenruhe halten, würden die USA ihre Sanktionen gegen die Türkei wieder aufheben, kündigte Pence an. Zudem würden vorerst keine weiteren Strafmaßnahmen gegen die Türkei verhängt. Die USA hatten wegen der Offensive Sanktionen gegen türkische Minister und Ministerien verhängt sowie die Anhebung von Strafzöllen auf Stahlimporte aus der Türkei und den Abbruch von Gesprächen über ein Handelsabkommen angekündigt. Dieser Schritt hatte allerdings zunächst kaum Wirkung gezeigt.

Pence fügte hinzu, dass sich die Türkei und die USA zusätzlich zu dem Abkommen über die Waffenruhe dazu verpflichtet hätten, den IS in Nordostsyrien gemeinsam zu besiegen. Dabei soll es auch um die Koordinierung von Maßnahmen zu Gefangenenlagern mit IS-Insassen und zu Binnenflüchtlingen in vormals von der Islamistenmiliz kontrollierten Gegenden gehen.

Kurdenmilizen hatten bisher auch Lager mit gefangen genommenen IS-Kämpfern bewacht. Vor der Einigung hatte es von kurdischer Seite geheißen, angesichts der türkischen Offensive hätten die von Kurden angeführten SDF den Kampf gegen den IS ausgesetzt.

Dass man sich auf «eine Pause oder eine Waffenruhe» verständigt habe, sei ein großartiger Erfolg, sagte US-Präsident Donald Trump am Donnerstagabend (Ortszeit) bei einem Wahlkampfauftritt in Texas. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre EU-Kollegen äußerten sich dagegen zurückhaltend. In einer in der Nacht zum Freitag beim EU-Gipfel in Brüssel verabschiedeten Erklärung heißt es lediglich, der Europäische Rat nehme die amerikanisch-türkische Ankündigung über eine Unterbrechung aller militärischen Operationen zur Kenntnis. Statt die Einigung zu begrüßen, forderte die EU die Türkei erneut auf, den Militäreinsatz ganz zu beenden und die Truppen zurückziehen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Russlands Kriegswirtschaft: Putin geht das Geld nicht aus
25.04.2024

Russlands Wirtschaft wächst weiterhin, ist aber stark von der der Kriegsproduktion abhängig. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Politik
Politik Chinesische Spionage: Verfassungsschutz mahnt Unternehmen zu mehr Vorsicht
24.04.2024

Der Verfassungsschutz warnt vor Wirtschaftsspionage und Einflussnahme aus China. Vor allem für deutsche Unternehmen wäre eine naive...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....