Die Bundesbank mischt sich vor dem Hintergrund der demografischen Schieflage in die Diskussion um eine Reform der Rentenversicherung ein und schlägt eine Anhebung des Rentenalters auf mehr als 69 Jahre vor. So soll verhindert werden, dass das Rentenniveau künftig zu tief absinkt. In ihrem am Montag veröffentlichten Monatsbericht empfiehlt die Bundesbank, bis 2070 das Renteneintrittsalter mit der steigenden Lebenserwartung schrittweise zu erhöhen. "Die zunehmende Lebenszeit wäre dann mit einer längeren Erwerbsphase verbunden, aber auch die Zeit des Rentenbezugs würde wachsen." Nach dem Bundesbank-Vorschlag würden im Jahre 2001 Geborene dann 2070 erst mit 69 Jahren und vier Monaten in Rente gehen.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) begrüßte die Vorschläge. "Die Bundesbank mahnt zur rentenpolitischen Vernunft zum richtigen Zeitpunkt", schrieb IW-Wissenschaftsleiter Hans-Peter Klös auf Twitter. Die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung sei ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Es müssten aber noch weitere Schritte folgen.
Kritik kam aus der Bundestagsfraktion der Linken. "Warum nicht gleich 80 Jahre? Der Vorschlag der Bundesbank hat mit der Lebensrealität der Menschen wenig zu tun," sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dietmar Bartsch. Vielmehr müssten die Einnahmen der Rentenkasse erhöht werden. "Dafür braucht es eine Rentenkasse, in die alle einzahlen, und Löhne, die für eine gute Rente taugen."
Derzeit ist geplant, dass das gesetzliche Rentenalter bis 2031 auf 67 Jahre steigt. Die offiziellen Vorausberechnungen für die Rente enden im Jahre 2032. Doch die Lebenserwartung ist zuletzt immer höher gestiegen und wird Schätzungen zufolge künftig weiter zunehmen. Dazu verabschiedet sich ab Mitte der 2020er Jahre die Baby-Boomer-Generation in die Rente. Das setzt nach Berechnungen der Bundesbank die Finanzen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) unter Druck. Die Währungshüter sehen deshalb Reformbedarf: "Andernfalls steigen die Ausgaben auf Dauer deutlich stärker als die Einnahmen", warnen sie.
Der Vorschlag der Bundesbank sieht vor, dass das gesetzliche Rentenalter ab 2032 um durchschnittlich einen dreiviertel Monat pro Jahr steigt. Versicherte würden künftig dann zwar länger arbeiten müssen und somit mehr in die Rentenversicherung einzahlen. Sie würden aber auch länger Rente beziehen. "Sie würden hinsichtlich der Relation von Renten- zu Beitragsphase also nicht schlechter gestellt", unterstreicht die Bundesbank. Das Verhältnis von Rentenjahren zu Beitragsjahren könnte so stabilisiert werden. "Insgesamt ließe sich der demographische Wandel leichter bewältigen."
Die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters würde der Notenbank zufolge auch dazu beitragen, dass das Rentenniveau langfristig nicht zu stark absinkt. Dieses beschreibt, wie viel eine Standardrente wert ist im Vergleich zu einem Durchschnittseinkommen. Derzeit liegt das Rentenniveau bei rund 48 Prozent. Mit der Erhöhung des Rentenalters würde es bis 2070 laut Bundesbank-Berechnungen auf rund 43 Prozent sinken und sich bei 44 Prozent stabilisieren. Zum Vergleich: Ohne diese Änderungen würde das Rentenniveau bis 2070 auf rund 40 Prozent schrumpfen.