Unternehmen

Goldman Sachs gründet Mittelstands-Einheit für Westeuropa

Lesezeit: 3 min
11.11.2019 16:00
Goldman Sachs hat ein neues Team gebildet, das Geschäfte mit mittelständischen Unternehmen in Westeuropa an Land ziehen soll. Doch gerade hierzulande dürfte es schwer werden für die Wall-Street-Banker.
Goldman Sachs gründet Mittelstands-Einheit für Westeuropa
Ein Zeichen der US-Bank Goldman Sachs auf dem Parkett der Börse an der Wall Street. (Foto: dpa)
Foto: Justin Lane

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In der Vergangenheit waren Deutschlands rund 900 mittelständische Unternehmen mit jährlichen Umsätzen zwischen von 0,5 und 2 Milliarden Euro zu klein, um für Goldman Sachs von Interesse zu sein. Doch inzwischen hat die New Yorker Investmentbank ihr traditionelles Geschäftsfeld erweitert - auch um ihre anhaltend schwachen Profite wieder zu steigern.

"Wir haben es uns angesehen und gesagt, mehr Füße auf der Straße bringen mehr Einnahmen", zitiert die Financial Times den Präsidenten von Goldman Sachs, John Waldron. Die Investmentbank hat ein 40-köpfiges Team aufgebaut, das damit beauftragt ist, Geschäfte mit mittelständischen Unternehmen in Westeuropa auf den Weg zu bringen. Laut Waldron reichen die möglichen Kunden von Private-Equity-Eigentümern bis hin zu Familienunternehmen, die verkaufen wollen.

Rob Pulford, der in London ansässige Goldman-Partner, der die europäische Initiative leitet, nennt Deutschland als Schwerpunkt neben Frankreich und Großbritannien. "Wir haben bei Familienunternehmen, auch beim Mittelstand, viel mehr Erfolg, als wir zunächst erwartet hatten", sagte er der FT und fügte hinzu, dass Finanzierungen besonders beliebt seien.

Laut dem Finanzmarktdienstleister Dealogic fällt der Marktanteil von Goldman Sachs an den Fusions- und Übernahmevergütungen aus Deals im Wert von weniger als 500 Millionen Dollar in Europa, dem Nahen Osten und Afrika in diesem Jahr von 19 Prozent auf 18 Prozent. Und an den Aktienmärkten erhöht sich der Marktanteil der Bank an Geschäften mit einem Volumen von unter 500 Millionen Dollar leicht, auch wenn ihr Marktanteil in Europa mit 6,9 Prozent weiter gering ist.

Führende Goldman-Manager sagten, dass sich ihre Bemühungen in Europa deshalb noch nicht in großen Veränderungen des Marktanteils niederschlagen, weil es Zeit dauert, bevor sich aus der Einstellung von Mitarbeitern und der Gewinnung von Kunden auch höhere Einnahmen ergeben. In Europa seien viele seiner Mitarbeiter erst in den vergangenen drei Monaten an Bord gekommen, sagte Pulford.

Weltweit hat sich Goldman Sachs das Ziel gesetzt, zusätzliche Einnahmen in Höhe von 500 Millionen Dollar durch neue Bankgeschäfte mit 1.000 zusätzlichen mittelständischen Unternehmen zu gewinnen. In den USA tragen Kunden mit weniger als 2 Milliarden Euro Umsatz inzwischen jedes Jahr etwa 2 Milliarden Dollar zum Umsatz im Investmentbanking von Goldman bei, was etwa 30 Prozent der gesamten Investmentbankerträge entspricht. In Europa könnte es jedoch schwerer für Goldman werden.

Jan Pieter Krahnen, Professor für Finanzwirtschaft an der Frankfurter Universität, sagte der FT, Deutschland stelle für Goldman eine Gelegenheit dar. Denn die historisch starken Beziehungen großer, nicht börsennotierter Familienunternehmen zu ihren Banken seien geschwächt, zum Teil wegen der gleichen Branchenverwerfungen, die zu den abgebrochenen Fusionsgesprächen zwischen Commerzbank und Deutscher Bank geführt haben. Allerdings warnt Krahnen, dass es angesichts der Konkurrenz durch in- und ausländische etablierte Unternehmen und Anwaltskanzleien, die oft deutsche Privatunternehmen bei Eigenkapitaltransaktionen beraten, ein harter Kampf wird.

Laut Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, ist der deutsche Mittelstand kein ideales Ziel für Goldman Sachs, da der Mittelstand in der Regel eine konservative Finanzierung bevorzugt. "Acht von zehn Familienunternehmen finanzieren Investitionen vor allem aus ihren eigenen Cashflows", sagte er der FT. "Wenn sie Fremdkapital brauchen, nutzen sie in erster Linie Bankkredite." Deutsche Unternehmen setzen "auf eine langfristige, auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Zusammenarbeit", sagt Heidbreder.

Vor diesem Hintergrund wird Goldman es in Deutschland und in Europa insgesamt schwer haben, zumal seine paar Dutzend Banker über den ganzen Kontinent verteilt sind und die Bank in der Vergangenheit bereits ähnliche wenig erfolgreiche Initiativen gestartet hatte. Doch Gregg Lemkau, Co-Head Investment Banking bei Goldman, sagte der FT: "Um sicherzustellen, dass diese Anstrengung Bestand hat, haben wir eine separate Gruppe aufgebaut". Früher habe es keine so große Gruppe gegeben, die eine so große Anzahl von Unternehmen abdecken konnte.

Goldman wirbt um Mitarbeiter für die neue Cross Markets Group (CMG), die in Stellenanzeigen als "wichtige Wachstumsinitiative" verkauft wird. Doch ein ehemaliger Goldman-Geschäftsführer sagt, dass man bei Goldman sehr statusbewusst ist und dass die Arbeit an kleineren Geschäften schädlich für die Karriere sein könnte. Lemkau bestreitet dies und sagt, dass er seit der Gründung der CMG an vielen Kundengesprächen selbst teilgenommen, "das Telefon abgehoben, Kunden angerufen und die Pitches verfolgt" habe.

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Automesse China 2024: Deutsche Autohersteller im Preiskrieg mit BYD, Xiaomi und Co.
25.04.2024

Bei der Automesse in China steht der eskalierende Preiskrieg bei Elektroautos im Vordergrund. Mit hohen Rabatten kämpfen die Hersteller...