Die Flotten von fünf Nato-Staaten - Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Großbritannien - planen eine Intensivierung ihrer Zusammenarbeit. Ziel ist eine wirksamere Verteidigung der Nordsee sowie des Ärmelkanals. Als potentiellen Feind, den es dort zu bekämpfen gilt, wird ganz offen Russland genannt.
Nach Ansicht führender Nato-Marine-Offiziere haben sich durch die Erweiterung der Nato nach Osten neue strategische Notwendigkeiten für das europäische Verteidigungsbündnis ergeben. Bis 1989 sei es die „explizite Aufgabe“ gewesen, „ein Durchbrechen der Warschauer-Pakt-Flotte in den Atlantik zu vereiteln“, sagte der Pressesprecher der Deutschen Marine, Kapitän zur See Johannes Dumrese, im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.
Jetzt dagegen müssten die Nato-Mitglieder Estland, Lettland, Litauen und Polen verteidigt werden, so Dumrese. Das heißt, die Nordflanke der NATO hat sich bis tief in die Ostsee bis nach Polen und ins Baltikum verlängert. Um dort feindliche - sprich russische - Truppen bekämpfen zu können, müsse Verstärkung, in erster Linie amerikanische Truppen und Material, in die Ostsee transportiert werden. Der Weg dorthin führt durch den Ärmelkanal, der deshalb im Kriegsfall unter allen Umständen frei gehalten werden muss.
Wobei, so Dumrese, bereits jetzt die Beobachtung der so bedeutenden Schifffahrtsader intensiviert werden müsse. Minen beispielsweise könnten von jedem beliebigen Schiff ausgebracht werden und die Schifffahrt empfindlich gefährden. Würde eine Mine einen Frachter zum Sinken bringen, wäre eine Durchfahrt durch den Ärmelkanal - der an seiner engsten Stelle gerade mal 34 Kilometer misst - unter Umständen nicht mehr möglich.
Die Sicherung des Ärmelkanals sei allerdings auch in Friedenszeiten eine bedeutsame Aufgabe, heißt es in einer Presseerklärung der Marine. Über Häfen in Rotterdam, Antwerpen, Hamburg und Bremerhaven würden jährlich genau 40 Millionen Container umgeschlagen. „Diese vier Handelsplätze des Kontinents sind von strategischer Bedeutung, im Frieden wie in Krise und Krieg.“
Zur Formalisierung ihrer neuen Strategie unterzeichneten die Marine-Kommandeure der fünf Staaten eine gemeinsame Erklärung mit den wichtigsten Punkten ihrer geplanten Kooperation. Dafür trafen sich die Flotten-Chefs Anfang November in Hamburg, und zwar im Rahmen des Nato-Admiralgremiums „Chancom“ (steht für „Channel Committee“). „Chancom“ ging aus dem 1952 gegründeten Nato-Kommando „Allied Command Channel“ hervor, das während des Kalten Krieges für die Sicherheit des Ärmelkanals zuständig war und 1994 aufgelöst wurde. Große Relevanz hatte „Chancom“ in den bisherigen 25 Jahren seines Bestehens nie, doch jetzt soll der Institution neues Leben eingehaucht werden. Darauf deutet auch der Beobachterstatus von Italien, Portugal und Spanien hin, deren Marinechefs an dem Treffen Anfang November ebenfalls teilnahmen.