Politik

Bolivien: Morales verhinderte kurz vor seinem Sturz direkten Zugriff deutscher Firmen auf Lithium-Vorkommen des Landes

Die Zukunft der etwa 50 deutschen Unternehmen in Bolivien ist ungewiss. Ein DIHK-Sprecher sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass es nicht abzusehen sei, welche wirtschaftspolitische Agenda Boliviens neue Regierung künftig verfolgen wird. Kurz vor seiner Flucht hatte Präsident Evo Morales noch ein Dekret aufgehoben, welches deutschen Firmen direkten Zugriff auf die großen Lithiumvorkommen des Andenstaates gegeben hätte.
26.11.2019 15:00
Lesezeit: 2 min
Bolivien: Morales verhinderte kurz vor seinem Sturz direkten Zugriff deutscher Firmen auf Lithium-Vorkommen des Landes
Jeanine Anez, Interimspräsidentin von Bolivien, winkt während einer Veranstaltung zum Nationalhymne-Tag in La Paz. (Foto: dpa) Foto: Diego Valero

Ein Sprecher des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) teilte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten mit, dass in Bolivien derzeit etwa 50 Unternehmen mit deutschem Kapital aktiv sind. Auf Nachfrage, welche Auswirkungen der politische Umsturz in dem Land auf den deutschen Export und die deutschen Unternehmen haben könnte, antwortete der Sprecher: “Derzeit ist nicht abzusehen, welche wirtschaftspolitische Agenda das Land in den nächsten Jahren verfolgen wird. Daher sind Aussagen zu möglichen Auswirkung auf deutsche Unternehmen derzeit seriös nicht möglich.”

Die Regierung in Sucre hatte das Investitionsschutzabkommen von 1997 zwischen Deutschland und Bolivien im Mai 2013 einseitig gekündigt. Für bestehende Investitionen bleibt der Schutz jedoch für weitere 20 Jahre in Kraft. Dennoch bieten sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes für deutsche Unternehmen in Bolivien interessante Investitionsmöglichkeiten, insbesondere in folgenden Bereichen: Infrastruktur (Straßen und Eisenbahnen), Energie (konventionelle und erneuerbare Energiequellen), Gesundheitswesen und Lithiumgewinnung, einschließlich Batterieproduktion und chemischer Industrie.

Der vor einigen Wochen unter immer noch recht mysteriösen Umständen gestürzte Präsident Evo Morales soll Deutschland als wichtigen Partner bei der Modernisierung seines Landes gesehen haben. Der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Bolivien belief sich 2017 auf rund 326 Millionen Euro, wobei die bolivianischen Exporte nach Deutschland 160 Millionen Euro und die bolivianischen Importe aus Deutschland 166 Millionen Euro betrugen.

Am 3. November 2019 hatte Morales allerdings das Dekret 3738 aufgehoben, das für die “Dauer von 70 Jahren die Schaffung einer gemischten Gesellschaft zwischen dem bolivianischen Staat und der deutschen ACI Systems GmbH vorsah”, so die Konrad Adenauer Stiftung (KAS). Ziel des Joint-Ventures war der Abbau und die Weiterverarbeitung von Lithium - welches insbesondere für die Produktion von elektrischen Antriebsbatterien gebraucht wird. Die KAS wörtlich: “Hinter ACI stehen große deutsche Industrieunternehmen, darunter Volkswagen und Varta.”

Dieser Vorstoß von Morales kam plötzlich und überraschend. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) nahm die Annullierung “mit Überraschung und Bedauern zur Kenntnis”, wobei der Bundesregierung nachvollziehbare Gründe nicht bekannt waren.

Dabei hätte Deutschland durch das Dekret 3738 erstmals einen direkten Zugang zu Lithium-Ressourcen haben können. “Die aktuellen Entwicklungen in Bolivien bedeuten in diesem Zusammenhang vielleicht kein definitives Ende, sehr wohl aber einen schweren Vertrauensbruch in den Beziehungen zwischen Deutschland und Bolivien”, so die KAS. Doch Deutschland wünsche sich nach wie vor eine “strategische Rohstoffpartnerschaft”.

Boliviens Hauptexportgüter nach Deutschland sind Blei, Zinn und Silbererz, Nüsse, Kaffee, Sojaprodukte, Quinoa und Hirse sowie Leder- und Textilwaren. Die Hauptimporte aus Deutschland sind Maschinen, Haushaltsgeräte, Fahrzeuge und Fahrzeugteile, chemische und pharmazeutische Produkte, Elektrogeräte sowie Mess- und Regeltechnik.

Nach Angaben des Außenwirtschaftsportals Bayern wurden im Jahr 2018 elektrische Ausrüstungen im Wert von 17.671.000 Euro, Datenverarbeitungsgeräte im Wert von 11.359.000 Euro, chemische Erzeugnisse im Wert von 13.003.000 Euro, Kraftwagen und Kraftwagenteile im Wert von 13.953.000 Euro, Maschinen im Wert von 34.575.000 Euro und Sonstige Waren im Wert von 24.243.000 Euro exportiert. In anderen Bereichen fielen die Exporte geringer aus. Der Gesamtexportwert nach Bolivien belief sich auf 144.002.000 Euro, was im Vergleich zum Vorjahr einen prozentualen Rückgang von 13,15 Prozent ausmachte.

Bolivien exportierte nach Deutschland im vergangenen Jahr Erzeugnisse der Landwirtschaft und Jagd im Wert von 55.337.00 Euro, Erze im Wert von 62.617.000 Euro und Metalle im Wert von 29.334.000 Euro. In anderen Bereichen fielen die Exporte geringer aus. Der Gesamtexportwert nach Deutschland belief sich auf 154.359.000 Euro, was im Vergleich zum Vorjahr einen prozentualen Rückgang von 3,59 Prozent ausmachte.

Deutschland ist in Bolivien auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Bei den vergangenen Regierungsverhandlungen im Mai 2017 wurden für einen Zeitraum von zwei Jahren Neuzusagen in Höhe von rund 50 Millionen Euro gemacht. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Bolivien konzentriert sich auf drei vorrangige Bereiche: Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, nachhaltige ländliche Entwicklung und Umwelt sowie Energie mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Wachstum von mehr als 600 Prozent: Senioren setzen verstärkt auf Cannabis als Medizin
28.08.2025

Immer mehr ältere Menschen entdecken Cannabis als Medizin – mit erstaunlichen Wachstumszahlen. Doch die Entwicklung wirft Fragen auf:...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Russlands Wirtschaft taumelt: Drei Faktoren könnten den Zusammenbruch auslösen
28.08.2025

Russlands Wirtschaft gerät unter dreifachen Druck: Die Zentralbank warnt, der Staatsfonds schmilzt, und die Energieeinnahmen brechen weg....

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie im Aufwind: Europas größte Munitionsfabrik nimmt Betrieb auf
28.08.2025

Die Rheinmetall-Aktie rückt in den Fokus der Anleger: Mit der Eröffnung von Europas größter Munitionsfabrik in Deutschland setzt der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bitkom-Umfrage: Warum das Fax-Gerät im Handwerk noch nicht verschwindet
28.08.2025

Die Digitalisierung verändert viele Branchen, doch im Handwerk bleibt das Fax-Gerät erstaunlich präsent. Trotz Chancen und Potenzial...

DWN
Politik
Politik Rentensystem in Deutschland: Mehr Senioren kosten mehr Geld – welche Lösungen sind realistisch?
28.08.2025

Immer mehr Menschen gehen in Deutschland in den Ruhestand – doch die Ausgaben steigen drastisch. Neue Zahlen der Deutschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Schrumpfende Position: Deutschlands Weltmarktanteile gehen zurück
28.08.2025

Deutschlands Weltmarktanteile geraten seit Jahren unter Druck. Trotz starker Exportindustrie verliert die Bundesrepublik kontinuierlich an...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Strategien für mehr Energieautarkie: Wie sich der Mittelstand unabhängig macht
28.08.2025

Strom vom Firmendach, Verträge mit Erzeugern und digitale Kontrolle über den Verbrauch: Für viele Mittelständler wird Energieautarkie...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone-Wirtschaftsstimmung: Unerwartete Eintrübung im August
28.08.2025

Die Eurozone-Wirtschaftsstimmung hat sich im August stärker eingetrübt als erwartet. Neue Daten zeigen, dass das Vertrauen in mehrere...