Finanzen

Stresstest: Hälfte von Chinas Großbanken scheitert im Worst Case-Szenario

In einem Stresstest der chinesischen Zentralbank, der von einem Wirtschaftswachstum von nur 4,15 Prozent ausgeht, ist mehr als die Hälfte der großen Banken im Land durchgefallen.
27.11.2019 15:00
Lesezeit: 3 min
Stresstest: Hälfte von Chinas Großbanken scheitert im Worst Case-Szenario
Finanzzentrum in Schanghai (Foto: dpa) Foto: Zhou Peng

Die Spannungen in Chinas Bankensektor halten an, wie ein aktueller Bericht der chinesischen Zentralbank zeigt. Dieser stuft 586 der landesweit insgesamt 4.379 geprüften Banken und Finanzierungsunternehmen als "hoch riskant" ein. Das entspricht einem Anteil von 13 Prozent. In die Kategorie "hoch riskant" fallen vor allem die kleineren ländlichen Finanzinstitute, zitiert Bloomberg aus dem China Financial Stability Report 2019, den die Zentralbank am Montagabend veröffentlichte.

Zwar werden in dem Bericht keine der geprüften Banken namentlich genannt, aber es ist dennoch erstaunlich ist, wie offen und transparent die chinesischen Behörden informieren, auch wenn nicht sicher ist, wie realistisch diese Stress-Tests sind und wie es wirklich um das Eigenkapital von Chinas Banken bestellt ist.

Chinas Wirtschaft wächst derzeit so langsam wie seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr, was vor allem auf das scharfe Vorgehen gegen riskante Kredite und den Handelskrieg mit den USA zurückzuführen ist. Die Gewinne der chinesischen Industrieunternehmen sanken im Oktober um 9,9 Prozent nach einem Minus von 5,3 Prozent im September, so Daten des nationalen Statistikamtes vom Mittwoch.

Der Oktober war somit der dritte monatliche Gewinnrückgang der chinesischen Industriebetriebe in Folge und der stärkste Rückgang seit mindestens 2011. Das Statistikamt meldet zudem weiter fallende Erzeugerpreise und eine nachlassende Inlandsnachfrage. Die Erzeugerpreise sanken im Oktober um 1,6 Prozent, und es wird erwartet, dass sich der Preisrückgang in diesem Monat fortsetzt, berichtet Bloomberg.

Während ausländische und private Banken in China als relativ sicher gelten, wurden dem Bericht zufolge mehr als ein Drittel der ländlichen Banken des Landes als "hoch riskant" eingestuft. Einige mittelgroße und kleine Finanzinstitute erhielten schlechte Ratings, weil kleine Kreditgeber empfindlicher auf Schwankungen in der Wirtschaft reagierten, so der Bericht.

Die chinesische Zentralbank hat alle geprüften Banken und Finanzunternehmen über ihr Rating informiert und außerdem einige von ihnen dazu aufgefordert, dass sie ihr Kapital erhöhen, faule Kredite abbauen, ihre Dividendenausschüttungen begrenzen oder sogar Änderungen am Management vorzunehmen, so der Bericht vom Montag.

Die Zentralbank testete in der ersten Jahreshälfte 2019 auch 30 mittelgroße und große Banken. Im Basisszenario unter der Annahme eines BIP-Wachstums von 5,3 Prozent sind neun Banken gescheitert. Im schlimmsten Fall mit einem BIP-Wachstum von 4,15 Prozent haben sogar 17 der 30 Großbanken den Test nicht bestanden. Nach den globalen Standards, die Eigenkapitalanforderungen ausnehmen, scheiterte jedoch nur einer der 30 Kreditgeber im Basisszenario und sieben im Worst-Case-Szenario.

Bei einem Liquiditätsstresstest von 1.171 Banken, die fast drei Viertel des chinesischen Bankensektors nach Vermögenswerten repräsentieren, versagten 90 Banken im Basisszenario und 159 im Worst-Case-Szenario.

Die Zentralbank warnt, dass einige potenzielle Bedrohungen mehr Zeit benötigen, um sie zu beseitigen. Finanzielle Risiken können "leicht" und häufiger auftreten, wenn sich die Wirtschaft abkühlt und das Risiko einer Verlangsamung des globalen Wachstums steigt. Sie will nach eigenen Angaben ein Gleichgewicht zwischen Wirtschaftswachstum und Risikokontrolle halten.

Die Tragfähigkeit der kleinen chinesischen Banken ist ein wachsendes Problem. Viele Kreditnehmer können den Banken gar keine Zinsen mehr zahlen, wobei die Banken den aufgelaufenen Zins einfach als neue Kreditvergabe deklarieren. So haben sie keine faulen Kredite, aber eben angesichts des starken Kreditwachstums zu wenig Eigenkapital. Vor allem aus dem Bau- und Immobiliensektor gibt es viele solche Unternehmen, welche auf diese "Zusatzkredite" angewiesen sind.

Der Grund sind die immensen Leerbestände. Denn die Bau- und Immobilienunternehmen haben gewaltige Kapazitäten erstellt, können diese aber nicht verkaufen. Sie sitzen so auf unverkäuflichem Material, müssen aber Zinsen auf den Kredit zahlen. Das bringt sie in eine Liquiditätsengpass. Solange die Preise hoch bleiben und es noch Chancen auf einen Verkauf gibt, haben die Banken kein Interesse daran, die Schuldner bankrott gehen zu lassen. Denn dann müssten sie das Kollateral übernehmen und den Abschreiber vornehmen.

Im November hat es in China bereits Bank-Runs bei zwei kleineren Banken gegeben - bei der Henan Yichuan Rural Commercial Bank und bei der Yingkou Coastal Bank. Zudem musste dieses Jahr bereits eine Reihe kleinerer Banken vom Staat gerettet werden.

Der Grund für die aktuellen Probleme ist, dass die Interbanken-Zinsen wegen wachsender Risiken gestiegen sind und immer mehr Banken sich fast ausschließlich durch ihre Einlagen finanzieren, was sie zwingt, ihre Einlagenzinsen zu erhöhen. Die Leitzinssenkungen seit August zur Ankurbelung der sich abschwächenden Konjunktur haben den Druck auf die Nettozinsmargen der Banken weiter verstärkt.

Mit weniger Einnahmen aus der Kreditvergabe und ohne die Finanzierungsmöglichkeiten, die den größeren Banken zur Verfügung stehen, könnten die höheren Zinssätze, die Chinas viele kleine Banken anbieten müssen, um Einlagen zu gewinnen, ihre Stabilität weiter untergraben. Um ihre kritische Einlagenbasis zu halten, müssen kleine Banken ihre Einlagenzinsen noch höher anheben, um sich von der Konkurrenz abzuheben, wodurch sie aber die eigene Stabilität zusätzlich gefährden.

Dai Zhifeng, ein Bankanalyst bei Zhongtai Securities, sagte zu Reuters, dass die Finanzierungsschwierigkeiten das Verhalten der kleinen Banken verzerren und ihr Scheitern noch wahrscheinlicher machen könnten. Bei einigen Instituten drohe eine Liquiditätskrise.

Chinas Finanzsystem umfasst mehr als 4.000 Banken und ist mit 40 Billionen Dollar doppelt so groß wie das der USA. Die vier größten Banken der Welt nach Vermögenswerten sind alle im Besitz des chinesischen Staates. Ein Crash im chinesischen Bankensektor hätte demnach globale Folgen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzstabilitätsbericht 2025: Bundesbank warnt vor wachsenden Risiken für Banken
06.11.2025

Insgesamt stehen Deutschlands Banken gut da. Doch es gibt reichlich Risiken. Und bisweilen werden sie unterschätzt, warnt die Bundesbank.

DWN
Politik
Politik Brics-Europa-Symposium: AfD-Politiker reisen nach Russland
06.11.2025

AfD-Abgeordnete reisen zu einer Konferenz nach Russland. Dabei kommt es vielleicht auch zu einem Treffen mit Ex-Präsident Medwedew. Die...

DWN
Panorama
Panorama Uhrmacherhandwerk: Schwarzwälder wollen Kuckucksuhr als Kulturerbe schützen
06.11.2025

Die Kuckucksuhr feiert ihren 175. Geburtstag – doch die Branche steht vor Herausforderungen. Warum Hersteller jetzt auf mehr Schutz und...

DWN
Finanzen
Finanzen Schufa Auskunft: Wie lange darf die Schufa Zahlungsprobleme speichern?
06.11.2025

Der Schufa-Score soll Unternehmen helfen, die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden einzuschätzen. Aber wie lange dürfen die Daten gespeichert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD schlägt Alarm: Zu wenig Tempo beim Klimaschutz
06.11.2025

Die Industriestaatenorganisation warnt: Die Welt ist nicht auf Kurs, um ihre Klimaziele zu erreichen. Welche Konsequenzen drohen, wenn...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsbau: Regierung reaktiviert Neubauförderung mit 800 Millionen Euro
06.11.2025

Für bestimmte Neubauprojekte gibt es nun wieder Fördergeld. Welche Bedingungen Bauherren erfüllen müssen – und warum viele genehmigte...

DWN
Immobilien
Immobilien Dachausbau: Wie sich das verborgene Potenzial nutzen lässt
06.11.2025

Die Umgestaltung von Dachböden in Wohnräume ist eine der günstigsten Methoden, um neue Wohnfläche zu gewinnen.

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie im Plus: Trotz starker Quartalszahlen und Rekordaufträgen bleiben Risiken
06.11.2025

Rheinmetall überzeugt mit starken Quartalszahlen und rekordhohen Aufträgen – doch Lieferverzögerungen und Investitionen belasten die...