Über das Kreditumfeld, in der sich der Mittelstand aktuell befindet, erläuterte BVMW-Präsident Mario Ohoven, gegenüber den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: “Die Finanzierung im Mittelstand befindet sich momentan im Wandel. Sicher werden das Hausbankprinzip und somit Bankkredite auch in Zukunft das Fundament bilden. Historisch niedrige Zinsen, verschärfte Basel-Regulierung, der Filial- und Personalabbau der Banken und die Digitalisierung in der Finanzbranche machen allerdings Alternativen zunehmend attraktiv. Zugleich wissen wir aus Umfragen, dass kleine Unternehmen beim Kreditzugang drei Mal häufiger Schwierigkeiten haben als Großunternehmen. Mittelständler sollten deshalb alternative Finanzierungsformen wie Factoring, Leasing, Crowdlending und -investing, Schuldscheindarlehen oder Konsortialkredite deutlich stärker als bisher nutzen und auch verschiedene Instrumente miteinander kombinieren. Aber auch staatliche Förderung gehört in den mittelständischen Finanzierungsmix: Neben dem bewährten Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) bietet insbesondere die unlängst beschlossene steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung ab 2020 Klein- und Mittelbetrieben gute Möglichkeiten, Investitionen in Innovation zu fördern.”
Für Unternehmen wird es schwieriger, ihre Hausbank von der Finanzierung ihrer Investitionen zu überzeugen. Hatte im vergangenen Jahr nur gut jeder dritte Betrieb Schwierigkeiten, stößt mittlerweile jeder zweite Mittelständler auf Widerstand bei seiner Hausbank. Das sind Ergebnisse der im dritten Jahr in Folge durchgeführten Studie "Industrieller Mittelstand und Finanzierung 4.0". creditshelf, der Gestalter digitaler Mittelstandsfinanzierung, hat dafür zusammen mit der TU Darmstadt mehr als 250 Vorstände und Geschäftsführer befragt.
"Der Konjunkturmotor stottert, darauf reagieren die Banken sehr sensibel. Niemand möchte jetzt Problem-Kredite in sein Portfolio aufnehmen. Entsprechend vorsichtig finanzieren die Institute neue Vorhaben der Unternehmen", sagt Dr. Daniel Bartsch, Vorstand und Gründungspartner von creditshelf. Während im vergangenen Jahr noch 63 Prozent der befragten Unternehmen angaben, dass sie ihre Hausbank leicht von neuen Investitionen überzeugen konnten, waren es 2019 nur noch 51 Prozent. "Das ist ein deutlicher Rückgang und verschärft die Situation des deutschen Mittelstands beträchtlich", zitiert die dpa Bartsch.
"Vor allem in Anbetracht einer rasend schnell voranschreitenden Digitalisierung müssen die Unternehmen in Deutschland ihre Investitionen erhöhen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben", erläutert Prof. Dr. Dirk Schiereck, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat. Der Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinanzierung an der TU Darmstadt warnt deshalb vor einer zu defensiven Kreditvergabe der Banken und rät zu alternativen Finanzierungsquellen: "Der Mittelstand darf sich nicht allein auf die Hausbank verlassen, sondern sollte sich neuen Finanzierungsmöglichkeiten öffnen. Digitale Kreditmarktplätze überzeugen mit einer schnellen Bearbeitung, günstigen Konditionen und flexiblen Anpassungsoptionen."
Für die Finanzierung neuer Anlagen, Maschinen oder Geräte verlangt die Hausbank bei rund der Hälfte aller Kredite immer noch dingliche Sicherheiten. Digitale Kreditportale sind je nach Ausrichtung flexibler aufgestellt: "Bei creditshelf verzichten wir komplett auf dingliche Sicherheiten", erläutert creditshelf-Vorstand Bartsch. Grundlage der Kreditlösung und der dazugehörigen Risikoanalyse sei eine auf das Unternehmen zugeschnittene Finanzanalyse, bei der neben den bekannten Unternehmens-Kennzahlen auch Daten zur gesamtwirtschaftlichen Lage und Branchenentwicklung mit einfließen. Mit Hilfe dieser in- und externen Daten "ist ersichtlich, welcher Teil des Vermögens kurzfristig im operativen Geschäft gebunden ist. Aufgrund dessen stellen wir die Finanzierungsalternativen zusammen", so Finanzierungsexperte Bartsch. "Diese passgenau zugeschnittenen Kredite versetzen den Mittelstand in die Lage, zukunftsgerichtet zu investieren."