Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auch unter ihrer neuen Präsidentin Christine Lagarde die Zinsen längerfristig niedrig halten. Die Schlüsselsätze würden noch solange auf dem aktuellen oder einem tieferen Niveau liegen, bis sich die Inflationsaussichten wieder klar dem Ziel von knapp zwei Prozent annäherten, teilte die Euro-Notenbank am Donnerstag nach ihrer Zinssitzung mit. Eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik steht damit vorerst nicht an. Letztmalig hatten die Währungshüter im Jahr 2011 ihre Zinsen angehoben. Der Schlüsselsatz zur Geldversorgung der Banken liegt mittlerweile seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.
Das Problem dabei ist, dass die offiziellen Inflationszahlen seit Jahren viel niedriger liegen, als die echte Teuerung eigentlich rechtfertigen würde. Dies hängt mit der umstrittenen Berechnung der Inflation in der Eurozone aber auch weltweit zusammen.
Seit November hat die Notenbank zudem ihre umstrittenen Anleihenkäufe wieder aufgenommen. Monatlich sollen Papiere im Volumen von 20 Milliarden Euro erworben werden. Auf ein Enddatum für die Käufe legte sich die EZB erneut nicht fest. Die Transaktionen sollen erst dann beendet werden, wenn die EZB kurz davor stehe, die Zinsen zu erhöhen, bestätigte sie frühere Aussagen. Die EZB und die nationalen Euro-Notenbanken hatten bis Ende 2018 bereits Staatsanleihen und andere Papiere im Volumen von rund 2,6 Billionen Euro erworben. Die Einnahmen aus fällig werdenden Titeln sollen auch nach einer Erhöhung der Zinsen noch für längere Zeit in Anleihen reinvestiert werden, bekräftigte die Notenbank.
Für Lagarde war es die erste Zinssitzung unter ihrer Leitung. Die ehemalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte im November Mario Draghi an der EZB-Spitze abgelöst, dessen Amtszeit Ende Oktober abgelaufen war.
Einige bedeutende Änderungen zur Ära Draghi deuteten sich jedoch an: Die EZB wird nach den Worten ihrer neuen Präsidentin ihre Untersuchung zum Thema digitale Währungen vorantreiben. Ihre persönliche Überzeugung sei, dass die EZB bei diesem Thema vorneweg gehen sollte, sagte Lagarde. Es gebe eine Nachfrage nach Digitalwährungen, darauf müsse reagiert werden. Daher werde die EZB-Arbeitsgruppe ihre Untersuchungen über die Folgen von Digitalwährungen vorantreiben. Mitte 2020 dürften die Ergebnisse vorliegen.
Die Euro-Wächter hatten unlängst in einem Dokument für die EU-Finanzminister argumentiert, die Ausgabe einer bei der EZB angesiedelten Digitalwährung könnte erforderlich werden, sollten grenzüberschreitende Zahlungen in der EU weiterhin zu teuer bleiben. Dabei wiesen sie allerdings auch darauf hin, dass von der Notenbank gestütztes Digitalgeld weitreichende Konsequenzen für die Geldpolitik und für Banken haben könnte.
Bei der EZB angesiedeltes Digitalgeld wäre eine Alternative zu den Plänen des US-Internetkonzerns Facebook, 2020 eine eigene Cyber-Devise mit dem Namen Libra einzuführen. Das Projekt des weltgrößten Internet-Netzwerks, das rund 2,5 Milliarden Nutzer hat, hatte Politiker rund um den Globus aufgeschreckt. Die EU-Länder verständigten sich kürzlich auf eine harte Linie gegenüber Digitalgeld von Privatfirmen wie Facebook.
Zudem will Lagarde die EU-Kommission beim Klimaschutz unterstützen. Sie habe mit Freude den Ehrgeiz von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen beim sogenannten Green Deal wahrgenommen, sagte sie. Sie äußerte die Hoffnung, dass sich alle europäischen Institutionen im Rahmen ihrer Möglichkeiten im Kampf gegen den Klimawandel engagierten. Man müsse schauen, wo und wie die EZB hier dabei sein könne. Lagarde bekräftigte, dass Klimawandel für die EZB künftig eine stärkere Bedeutung haben werde und Teil der für 2020 geplanten Strategieüberprüfung sei.