Technologie

Umbruch oder Untergang: Deutschlands Zulieferer stehen am Scheideweg

Die deutschen Zulieferer stehen vor dem größten Umbruch ihrer Geschichte. Er muss gelingen – sonst droht den Unternehmen bestenfalls die Übernahme, anderenfalls die Insolvenz.
21.12.2019 12:34
Lesezeit: 2 min
Umbruch oder Untergang: Deutschlands Zulieferer stehen am Scheideweg
Kontrolle von Kabeltrommeln bei Leoni. Genau wie das angeschlagene Traditions-Unternehmen aus Nürnberg, stehen viele deutsche Zulieferer vor existenziellen Weichenstellungen. Foto: Ralf Hirschberger

E-Mobilität, autonomes Fahren, vernetzte Fahrzeuge: Deutschlands Auto-Industrie steht vor einem radikalen Wandel. Die Zulieferer sind besonders betroffen – sie stehen sozusagen am Ende der Nahrungskette und müssen die Vorgaben, die ihnen die Autobauer machen, punktgenau und innerhalb kürzester Zeit umsetzen, ohne dass sie dafür lange Vorbereitungszeiten einplanen können. Eine ganze Reihe von Zulieferern scheint dem Wandel nicht gewachsen zu sein: Sie haben schon jetzt – teilweise existentielle – Probleme. Leoni, Weber Automotive, Avir Gussmann: Nur drei prominente Beispiele von Herstellern, die vor der Insolvenz stehen beziehungsweise sie bereits angemeldet haben.

In einer umfangreichen Studie mit dem Titel „Strategien für eine neue Wertschöpfungsarchitektur“ hat die Unternehmensberatung „Strategy&“ jetzt den Zustand und die Aussichten der Branche untersucht. Ihr Fazit: „Die Großen erzielen nach wie vor solide Ergebnisse.“ Mit anderen Worten: Die Kleinen haben es schwer. Diese Einsicht deckt sich mit dem Umstand, dass die Zahl der Zusammenschlüsse – genau wie bei den OEMs, wo vor wenigen Tagen die spektakuläre 50-Milliarden-Dollar-Fusion zwischen Fiat/Chrysler und Peugeot stattfand – immer mehr zunimmt. Strategy& beschreibt es folgendermaßen: „´Big is Beautiful´ nimmt langsam Fahrt auf.“

Für kein anderes Land der Welt sind die Autozulieferer so wichtig wie für Deutschland: Fast genau ein Viertel (24 Prozent) der weltweiten Branchen-Produkion stammt aus der Bundesrepublik. Zum Vergleich: Alle asiatischen Unternehmen zusammen kommen auf 41 Prozent, die USA auf 17 Prozent (womit für das einwohnerkleinere Deutschland die Zulieferer-Industrie fast sechsmal so bedeutend ist wie für die USA).

Was die Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) angeht, so bescheinigt die Studie den deutschen Zulieferern, nach wie vor überdurchschnittlich hohe Summen zu investieren: 2018 lag ihr durchschnittlicher Aufwand bei sechs Prozent des Umsatzes (zum Vergleich: die in den letzten Jahren stark in den Markt vorgedrungenen Asiaten kommen lediglich auf 4,2 Prozent). Allerdings sind die F&E-Raten der deutschen Unternehmen sehr unterschiedlich verteilt. Vor allem kleinere, sich schon lange am Markt befindliche Unternehmen investieren häufig unterdurchschnittlich wenig in F&E.

Ein weiteres Problem stellen die rückläufigen Gewinne dar. Obwohl die EBIT-Margen vieler deutscher Zulieferer „unter Druck geraten sind“, wie es in der Studie heißt, haben die Unternehmen „erst spät mit der Anpassung ihrer Kostenstrukturen begonnen“.

Fazit der Studie: Die deutschen Zulieferer müssen „eine wettbewerbsfähige Kostensituation und eine kritische Größe sicherstellen, ohne Investitionen in Innovation zu vernachlässigen“. Konkret:

  • Die Zulieferer müssen lernen, zwischen „guten und schlechten Kosten“ zu unterscheiden. Es ist auf der einen Seite notwendig, „Ballast abzuwerfen“, auf der anderen Seite aber auch, nicht an der falschen Stelle zu sparen und kluge Ausgaben zu tätigen.
  • Die Zulieferer müssen weiterhin auf Innovationen setzen, ihre Innovationskraft sogar noch ausbauen – nur ihre Technologieführerschaft wird es ihnen erlauben, mit der Konkurrenz (vor allem der asiatischen) mitzuhalten.
  • Die Zulieferer müssen ihre Marktrelevanz aufrechterhalten und stärken. Das beinhaltet einerseits die strategische Absicherung des Geschäfts durch Partnerschaften und Arbeitsteilung, aber auch durch organisiertes Schrumpfen, wenn nötig.

Liste der größten deutschen Zulieferer (der angegebene Umsatz ist der Automotive-Anteil am Gesamtumsatz):

  1. Bosch: 48 Milliarden Euro; EBIT-Marge 2018: 7,2 %
  2. Continental: 41 Milliarden Euro; 9,1 Prozent
  3. ZF Friedrichshafen: 34 Milliarden Euro; 3,8 Prozent
  4. Mahle: 13 Milliarden Euro; 6,3 Prozent
  5. Schaeffler: 10,6 Milliarden Euro; 9,5 Prozent
  6. Hella: 6,6 Milliarden Euro; 10,8 Prozent
  7. Benteler (Rechtssitz in Österreich): 6,1 Milliarden Euro; 1,3 Prozent
  8. Brose: 5,9 Milliarden; nicht bekannt
  9. Eberspächer: 5,0 Milliarden; 2,2 Prozent.
  10. Leoni: 4,15 Milliarden; 2,4 Prozent

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...