Unternehmen

Knallharter Tavares: Auf Ingenieure bei Fiat Chrysler, Peugeot und Opel kommen Stellenstreichungen zu

Fiat Chrysler und die Opel-Mutter Peugeot Citroën haben sich rasch auf die Fusion geeinigt. Nun droht ein Stellenabbau im großen Stil, nach Ansicht von Ferdinand Dudenhöffer auch bei Opel. Denn der designierte Vorstandschef Tavares gilt als knallharter Sanierer.
27.12.2019 10:00
Lesezeit: 3 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Knallharter Tavares: Auf Ingenieure bei Fiat Chrysler, Peugeot und Opel kommen Stellenstreichungen zu
PSA-Konzernchef Carlos Tavares. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Die Opel-Mutter PSA und Fiat Chrysler wollen mit einer Mega-Fusion der Krise in der Autoindustrie trotzen. Als künftig viertgrößter Hersteller der Welt mit hunderttausenden Mitarbeitern werde der neue Konzern zu einem «Hauptakteur» der Branche aufsteigen, wie die Unternehmen am Mittwoch in Paris und Turin mitteilten. Ziel sei, «an der Spitze einer neuen Ära nachhaltiger Mobilität zu stehen». Trotz Milliarden-Einsparungen sollen keine Werke geschlossen werden, betonte PSA-Chef Carlos Tavares, der Vorstandschef des neuen Konzerns werden soll.

Die Konzerne hatten sich bereits Ende Oktober auf offizielle Fusionsgespräche verständigt und damit Wirbel in der schwächelnden Branche ausgelöst. Nun haben sie eine Fusionsvereinbarung unterschrieben. Der Zusammenschluss muss noch von den Wettbewerbsbehörden genehmigt werden. Auch die Aktionäre müssen noch zustimmen. Die Fusion soll laut Mitteilung in den nächsten zwölf bis fünfzehn Monaten umgesetzt werden.

Die Branche steht unter Zugzwang. Der Schulterschluss der Massen-Hersteller ist deshalb kein Zufall. Autobauer müssen Milliarden in autonome Autos und in Elektromobilität investieren. Fiat Chrysler hat zudem besondere Probleme. Der italienisch-amerikanische Hersteller hatte unter der Führung des gestorbenen Sergio Marchionne auf große Investitionen in Elektroantriebe verzichtet. Derzeit ist der Konzern vor allem mit den großen Spritschluckern der Marken Jeep und Ram in den USA erfolgreich.

PSA-Chef Tavares, der als knallharter Sanierer gilt, betonte, die Fusion sei «eine hervorragende Gelegenheit, eine stärkere Position in der Automobilindustrie» einzunehmen. Es gehe darum, den Übergang zu einer «sauberen, sicheren und nachhaltigen Mobilität» zu meistern. Der neue Verbund sieht sich in der Lage, in neue Techniken zu investieren. Man sei «sehr, sehr» zuversichtlich, dass es mit den Wettbewerbsbehörden keine Probleme gebe.

FCA-Verwaltungsratschef John Elkann nannte die Fusion in einem Brief an die Mitarbeiter «einen Meilenstein». Es werde ein «neues und noch ehrgeizigeres Kapitel» in der Geschichte der Autoindustrie geschrieben.

Der neue Konzern werde zusammen rund 8,7 Millionen Fahrzeuge absetzen. Nur noch Volkswagen, Toyota und der französisch-japanische Renault-Nissan-Verbund sind größer als der neue Auto-Gigant. Der geplante Verbund kommt auf einen Jahresumsatz von knapp 170 Milliarden Euro und einen jährlichen Betriebsgewinn von mehr als 11 Milliarden Euro - ohne die Marken der Zulieferer Magneti Marelli und Faurecia. Beschäftigt werden nach früheren Angaben des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums rund 400.000 Menschen.

PSA führt neben Opel die Marken Peugeot, DS und Citroën. Fiat Chrysler hat die Marken Alfa Romeo, Chrysler, Dodge, Jeep, Lancia oder Maserati im Angebot.

Dudenhöffer erwartet negative Auswirkungen für Opel

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet negative Auswirkungen für Opel und die britische Schwestermarke Vauxhall. «Das wird die Marke noch mehr unter Druck setzen, denn Alfa und Jeep sind nun die Premiumsparten der Gruppe und nicht mehr Opel. Es wird ein hartes Restrukturierungsprogramm geben, vor allem in Europa», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. PSA selbst bezeichnet DS als Premiummarke, aber nicht Opel.

Stellenstreichungen in großem Stil seien zu erwarten, meinte Dudenhöffer. «Meiner Meinung nach sind 10.000 Mitarbeiter zu viel an Bord (...). Die neue Gruppe braucht keine Entwicklungszentren in Rüsselsheim, Paris, Italien und in den USA. Die größten Verlierer werden Ingenieure bei Fiat, Peugeot und Opel sein.»

Opel-Chef Michael Lohscheller bewertet den Zusammenschluss hingegen positiv. Es entstehe ein noch schlagkräftigerer Konzern, das biete auch für Opel viele Chancen. «Wir werden auch in dem neuen, größeren Konzern die einzige deutsche Marke sein und für deutsche Ingenieurskunst stehen», sagte er.

Angestrebt wird ein Zusammenschluss «unter Gleichen» mit einem ausgewogen besetzten Verwaltungsrat. Der designierte Vorstandschef Tavares (61) trimmt seit rund zwei Jahren die frühere General-Motors-Tochter Opel auf Gewinne und Effizienz. Der 43 Jahre alte Elkann wird auch im neuen Unternehmen Verwaltungsratschef. Er ist der Enkel das legendären Fiat-Bosses Giovanni «Gianni» Agnelli (1921-2003) und Ururenkel des Fiat-Gründers Giovanni Agnelli senior (1866-1945). Das italienische Traditionsunternehmen war 2014 in Fiat Chrysler Automobiles (FCA) aufgegangen.

FCA-Chef Mike Manley erinnerte daran, dass beide Unternehmen schwierige Zeiten durchgemacht hätten und nun zu «agilen Konzernen» aufgestiegen seien. Die Fusion soll Spareffekte von 3,7 Milliarden Euro bringen. Die Effizienzgewinne, die sich etwa aus Einsparungen beim gemeinsamen Einkauf ergäben, lassen sich nach vier Jahren zu 80 Prozent heben. Wie die neue Firma mit Sitz in den Niederlanden heißen soll, soll in den kommenden Monaten entschieden werden.

Es ist vor allem das gut ausgebaute Vertriebsnetz in Nordamerika, das FCA in den gemeinsamen Konzern einbringen kann. Es dürfte den Markteinstieg von Peugeot in Amerika erheblich erleichtern. PSA ist dafür in Europa stärker. Auch bei der Entwicklung von Hybrid- und Batterie-Fahrzeugen sind die Franzosen weiter.

Branchenfachmann Dudenhöffer zweifelt aber am schnellen Durchbruch bei neuen Technologien. «FCA hat derzeit überhaupt keine Kompetenz in Elektromobilität, und PSA-Opel lernt gerade, wie ein Elektroauto aussieht.» VW habe da etwa genauso wie die chinesischen Hersteller Geely und Great Wall oder der südkoreanische Konzern Hyundai-Kia fünf Jahre Vorsprung. «Die neue Gruppe wird mit Blick auf die Technologie in den nächsten zehn Jahren sicher nicht an der Spitze stehen.» Ein Opel-Sprecher teilte dazu am Abend mit, der Hersteller habe das Elektroauto Ampera-e im Angebot, und seit Kurzem auch den Corsa-e und den Grandland X Hybrid.

Der französische Staat, der Anteilseigner bei PSA ist, zeigte sich dennoch zuversichtlich. «Die Vereinbarung von PSA/FCA ist eine sehr gute Nachricht für Frankreich, für Europa und für unsere Automobilindustrie», sagte Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Der mächtige Ressortchef erinnerte an die Bedingungen des Staats. So müssten alle industriellen Standorte im Land erhalten bleiben. Ein geplanter Zusammenschluss von FCA mit dem französischen Hersteller Renault war im Juni gescheitert - Frankreich hatte damals den Vorwurf politischer Eingriffe zurückgewiesen.

Auch der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri war zu PSA/FCA positiv gestimmt. Die Regierung im Rom werde aber die Auswirkungen unter anderem auf Stellen und Investitionen genau verfolgen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Siton Mining: Mining mit BTC, XRP und DOGE.Verdienen Sie 8.600 $ pro Tag an passivem Einkommen

Auf dem volatilen Kryptowährungsmarkt ist die Frage, wie sich die täglichen Renditen digitaler Währungen maximieren lassen, anstatt sie...

 

DWN
Politik
Politik Draghi-Report: Ohne gemeinsame EU-Schulden verliert Europa gegen alle
18.09.2025

Ein Jahr nach seinem wegweisenden Draghi-Report warnt Mario Draghi vor einer dramatisch verschlechterten Lage der EU. Der ehemalige...

DWN
Finanzen
Finanzen Topmanager erwarten Trendwende bei Börsengängen
17.09.2025

Nach Jahren der Flaute sehen Topmanager eine Trendwende am Markt für Börsengänge. Warum Klarna den Wendepunkt markieren könnte und was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Solar-Krise: Solarfirma Meyer Burger schließt Standorte - 600 Beschäftigten gekündigt
17.09.2025

Rettung geplatzt: Warum auch Investoren keinen Ausweg für den insolventen Solarmodul-Hersteller Meyer Burger sehen und was jetzt mit den...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinesische Waren: Europas Industrie gerät zunehmend unter Druck
17.09.2025

Chinesische Waren fluten Europa. Subventionen aus Peking drücken Preise, während Europas Industrie ins Hintertreffen gerät. Deutschland...

DWN
Politik
Politik AfD stärkste Kraft: AfD zieht in YouGov-Umfrage erstmals an der Union vorbei
17.09.2025

Die AfD zieht in der Sonntagsfrage an der Union vorbei – für die SPD geht es minimal aufwärts. Eine Partei, die bislang nicht im...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft TOP10 Biotech-Unternehmen: Was Anleger jetzt wissen müssen
17.09.2025

Biotech-Unternehmen dominieren mit GLP-1 und Onkologie – doch Zölle, Patente und Studienerfolge entscheiden über Renditen. Wer jetzt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Halbleiterstandort Sachsen: Ansiedlung von TSMC - Silicon Saxony rechnet mit 100.000 neuen Jobs
17.09.2025

Sachsen ist Europas größter Mikroelektronik-Standort mit rund 3.600 Unternehmen und rund 83.000 Mitarbeitern. Auf der Halbleitermesse...

DWN
Politik
Politik Haushaltsdebatte im Bundestag: Erst Schlagabtausch, dann Bratwürste für den Koalitionsfrieden
17.09.2025

Merz gegen Weidel: Zum zweiten Mal treten die beiden in einer Generaldebatte gegeneinander an. Weidel wirft Merz „Symbolpolitik“ und...