Finanzen

Madame Lagarde, bitte lesen: Warum Schweden sein Experiment mit den Negativzinsen beendet hat

Nach nur fünf Jahren musste Schweden sein Experiment mit negativen Zinsen abbrechen. Denn nicht nur wurden die erklärten Ziele verfehlt, sondern die tatsächlichen Folgen der negativen Zinsen haben ein bedrohliches Niveau erreicht.
12.01.2020 13:19
Aktualisiert: 12.01.2020 13:19
Lesezeit: 2 min
Madame Lagarde, bitte lesen: Warum Schweden sein Experiment mit den Negativzinsen beendet hat
Das Experiment der schwedischen Riksbank mit negativen Zinsen ist gescheitert. (Foto: dpa) Foto: Sveriges Riksbank / Handout

Im Dezember hat die schwedische Notenbank den Leitzins von minus 0,25 Prozent auf null angehoben. Damit hat die Riksbank nach fünf Jahren das Experiment negativer Zinsen wieder beendet. Dies ist erstaunlich, da sich die Konjunktur auch in Schweden abkühlt. Die älteste Zentralbank der Welt begründet die Anhebung der Zinsen damit, dass die Bedingungen gut seien, um das Inflationsziel von 2 Prozent zu erreichen. Diese Abkehr der Schweden von negativen Zinsen ist deshalb von globalem Interesse, weil die großen Notenbank der Welt sich gerade in die entgegen gesetzte Richtung bewegen und ihre Zinsen weiter absenken. So sagte etwa die Europäische Zentralbank nach ihrer Zinssitzung im Dezember, dass die Leitzinsen in der Eurozone noch solange bei null oder auf einem tieferen Niveau liegen werden, bis sich die Inflationsaussichten wieder klar dem Ziel von knapp 2 Prozent annähern.

Warum also hat die schwedische Notenbank ihre Zinsen nach fünf Jahren im negativen Bereich nun wieder angehoben? Der Ökonom Daniel Lacalle erklärt den Schritt mit den aufkommenden finanziellen Risiken. "Das Interessanteste ist, dass die Riksbank ihre Politik der Negativzinsen gerade wegen der Gefahr einer wirtschaftlichen Verlangsamung wieder umgekehrt hat." Denn in der Regel führen Zentralbanken eine wirtschaftliche Abkühlung als Begründung dafür an, die Zinsen zu senken, nicht um sie anzuheben. Doch Lacalle zufolge liegen die Notenbanken hier falsch. Denn zumindest in Schweden haben die Negativzinsen eben nicht dazu geführt, dass mehr investiert und konsumiert wurde.

Statt mehr Investitionen und mehr Konsum haben die negativen Zinsen vor allem eine Verteuerung der Finanzwerte auf breiter Front bewirkt. So ist in der Folge der negativen Zinsen der Immobilienpreisindex in Schweden um rund 50 Prozent angestiegen und der durchschnittliche Wohnimmobilienindex um 27 Prozent. Nicht replizierbare Vermögenswerte sind zwischen 30 und 70 Prozent gestiegen und der schwedische Aktienmarkt um mehr als 20 Prozent. Hingegen sind Konsum und Bruttoinvestitionen der Haushalte in den fünf Jahren negativer Zinsen kaum angestiegen, und die Reallöhne haben stagniert.

Dieses Versagen negativer Zinsen im Hinblick auf die erklärten Ziele sei eine Folge der "lächerlichen Vorstellung", dass man das Sparen bestrafen muss, um die Wirtschaft anzukurbeln, sagt Daniel Lacalle. "Die Inflation und das Wachstum sind nicht wegen des übermäßigen Sparens niedrig, sondern wegen der Überschuldung, welche mit niedrigen Zinsen und hoher Liquidität die bestehenden Überkapazitäten aufrechterhält und die Wirtschaft zombifiziert, da sie die wenig produktiven und hoch verschuldeten Sektoren subventioniert und zugleich hohe Produktivität mit steigenden und enteignenden Steuern bestraft."

Historische Beispiele zeigen, dass negative Zinssätze nicht zur Reduzierung der Schulden beitragen, sondern vielmehr einen Anreiz für noch höhere Schulden darstellen. Negativzinsen stärken nicht die Kreditfähigkeit der Haushalte, weil die Preise für nicht replizierbare Vermögenswerte wie Immobilien aufgrund des Geldmengenüberschusses in die Höhe schnellen und die niedrigeren Kosten der Verschuldung das größere Risiko nicht ausgleichen. Zu den Profiteuren der Negativzinsen gehören offensichtlich vor allem die Regierungen. "Staatsschulden werden zu künstlich niedrigen Renditen gehandelt, und statt die Wirtschaft zu stärken, machen negative Zinsen die Regierungen stärker von billigen Schulden abhängig. Die Politiker geben jeden reformistischen Impuls auf und ziehen es vor, mehr Schulden anzuhäufen", so Lacalle.

Negativzinsen könne nur von Menschen befürwortet werden, "die nie investiert oder einen Arbeitsplatz geschaffen haben, denn niemand, der in der Realwirtschaft gearbeitet hat, kann glauben, dass finanzielle Repression die Wirtschaftsakteure dazu bringt, viel mehr Kredite aufzunehmen und die Wirtschaft zu stärken", so Lacalle. Negative Raten seien ein riesiger Vermögenstransfer von den Sparern und den Reallöhnen an die Regierung und die Verschuldeten sowie eine "Steuer auf Vorsicht". Sie zerstören die Risikowahrnehmung, sodass nur Hasardeure und Spekulanten profitieren würden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Das Zeitalter des intelligenten passiven Einkommens: Bitcoin-Mining mit BlackchainMining

In der heutigen, sich rasant entwickelnden digitalen Wirtschaft sind Kryptowährungen wie Bitcoin nicht nur Vermögenswerte, sondern auch...

DWN
Politik
Politik Schutz vor Einschüchterung: Bundesregierung beschließt besseren Schutz vor Schikane-Klagen
10.12.2025

Die Bundesregierung schützt Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten künftig besser vor sogenannten Schikane-Klagen. Mit dem Vorhaben...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalmarkt 2026: Mehr Börsengänge in Deutschland und Europa erwartet
10.12.2025

Mit Ottobock, TKMS und Aumovio zählen drei deutsche Börsendebüts zu den gewichtigsten in Europa im laufenden Jahr. Doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Weihnachtsfeier steuerlich absetzen: So gelingt es – Tipps vom Steuerberater
10.12.2025

Viele Unternehmen möchten ihre Weihnachtsfeier steuerlich absetzen und gleichzeitig die Kosten im Blick behalten. Eine gut geplante Feier...

DWN
Politik
Politik „Reichsbürger“-Verfahren: Prinz Reuß wird zu Vorwürfen sprechen
10.12.2025

Der mutmaßliche „Reichsbürger“ Heinrich XIII. Prinz Reuß wird zu den Vorwürfen eines geplanten „Staatsstreichs“ Stellung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft KI-Blase: Warum die Rekordausgaben der Tech-Giganten zum Risiko werden
10.12.2025

Die Tech-Konzerne pumpen Milliarden in künstliche Intelligenz und treiben ihre Investitionslast auf historische Höhen. Doch aus dem...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen den Klimawandel: EU-Einigung auf Klimaschutzziel für 2040
10.12.2025

Die neuen Klimaziele der EU stehen fest: Der Treibhausgasausstoß soll bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bei der...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsmarkt: Angebot an Mietwohnungen steigt in Ostdeutschland
10.12.2025

Angebot runter, Preise rauf. Doch jetzt dreht sich der Trend – zumindest in Ostdeutschland. Allerdings nicht im Berliner Umland, dafür...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Selenskyj will Neuwahlen möglich machen - Ukraine könnte binnen 60 bis 90 Tagen wählen
10.12.2025

Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 fanden keine Wahlen in der Ukraine statt. Die reguläre Amtszeit des Präsidenten lief im Mai...