Deutschland

Das millionenschwere Geschäft mit der Rattenplage-Vorsorge

Lesezeit: 3 min
15.01.2020 17:48
Die Ratte, die schon immer beim Menschen Ängste und Ekel erzeugt hat, bleibt in Deutschland grundsätzlich als Schädling in der Diskussion. Das spiegelt sich nicht zuletzt in den Umsätzen der Kammerjäger wider, die jährliche Erlöse von bis zu 650 Millionen Euro erreichen. Ein Fachmann erläutert den DWN seine Arbeit.
Das millionenschwere Geschäft mit der Rattenplage-Vorsorge
Ein Exemplar in Berlin (Foto: dpa).
Foto: Arno Burgi

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Sie gilt als sehr intelligent, flexibel und tritt immer dort auf, wo Menschen sind: Die Ratte hat eigentlich schon immer Angst erzeugt. Im Mittelalter war der Rattenfloh für die Übertragung der Pest verantwortlich. Und auch heute noch ist sie in den Köpfen sehr präsent: Viele denken dabei oft an das Nagetier, das aus der Kanalisation aus dem Klo herauskrabbelt und damit einen wahren Horror auslöst.

„Die Ratte ist der am häufigsten auftretende Schädling in Deutschland und in Berlin“, bestätigte Mario Heising, Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Brandenburg beim Deutschen Schädlingsbekämpfer-Verband (DSV) und wies auf die aktuellsten Statistiken hin: „Aus diesem Grund gab es im Jahr 2018 in Berlin rund 12.400 Fälle, in denen die Mitgliedsfirmen unseres Verbandes gerufen worden sind. Dabei müssen wir zwei Rattenarten bekämpfen – die Wanderratte und die Hausratte. Allerdings tritt die Wanderratte wesentlich häufiger auf“, erklärte der Fachmann den Deutschen Wirtschaftsnachrichten (DWN).

Schätzungen gehen von bis zu 200 Millionen Wanderratten in Deutschland aus

Hintergrund: Die Zahl der Fälle, in denen in der deutschen Hauptstadt die Firmen gerufen wurden, hat sich zwischen 2008 und 2018 um die Hälfte vergrößert – und zwar allein in Berlin. Auf das gesamte Land hochgerechnet sind die Zahlen wesentlich höher. Es gibt grundsätzlich ein Problem mit den Statistiken, wie groß die Zahl der Tiere ist und wie hoch die Summe des Schadens ist, den sie verursachen.

Schätzungen zufolge, die ein Schädlingsbekämpfungsunternehmen auf seiner Website aufgelistet hat, beträgt der Bestand derzeit in Deutschland zwischen 150 und 200 Millionen Wanderratten. Der Körper eines Exemplars kann bis zu 27 Zentimeter lang sein. Dazu kommt der Schwanz, der in manchen Fällen eine Länge von mehr als 20 Zentimetern erreicht. Das bedeutet, ein Tier verfügt möglicherweise über eine Gesamtlänge von einem halben Meter.

Grundsätzlich können die Ratten Krankheiten übertragen – beispielsweise die Infektionskrankheit Leptospirose. Sie wird unter anderem durch den Kontakt mit verunreinigtem Urin, Blut oder Gewebe infizierter Tiere verursacht. Allerdings können auch Mäuse sowie andere Haus- und Nutztiere die Überträger sein, nicht unbedingt nur die Ratten.

Die Zahl der Erkrankungen ist in Deutschland im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig gewesen, wie aus dem Jahrbuch für Infektionskrankheiten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervorgegangen ist. So wurden vor zwei Jahren insgesamt 134 Fälle registriert. Zwölf Monate zuvor waren es noch 148 gewesen.

Arbeit der Schädlingsbekämpfer besteht überwiegend aus prophylaktischer Vorsorge

Diese verhältnismäßig geringe Zahl zeigt, dass von den Ratten heutzutage in Deutschland im Prinzip keine richtige Bedrohung für die Gesundheit des Menschen mehr ausgeht – anders als in früheren Jahrhunderten. Das hat nicht zuletzt mit der Arbeit der professionellen Schädlingsbekämpfer zu tun, deren Fokus sich bereits verschoben hat, wie Heising vom DSV erklärt:

„Besonders wichtig ist, dass unsere Arbeit überwiegend aus prophylaktischer Vorsorge besteht. Unsere Mitgliedsfirmen werden beispielsweise alle vier Wochen von den Supermärkten engagiert, um zu kontrollieren, ob sich dort Schädlinge eingenistet haben und welche Ursachen für den Befall vorhanden sind. Wichtig ist unsere Ursachenforschung mit anschließender Beseitigung. Die Bekämpfung der Schädlinge, die bereits in den privaten Hauhalten und in den Unternehmen aufgetreten sind, ist dann eher der wesentlich kleinere Teil unserer Arbeit“, sagte der Fachmann.

Grundsätzlich ist der Markt für Schädlingsbekämpfung in Deutschland breit gefächert. Die Unternehmen bieten ihre Dienstleistungen in privaten Haushalten, aber auch in größeren Einrichtungen wie Fabriken in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie an. Darüber hinaus wird sie auch im Transportwesen benötigt – beispielsweise für Containerschiffe. Die Preise können sich somit sehr unterscheiden – in Abhängigkeit von der Größe des Auftrages.

Ein Kammerjäger, der seinen Auftrag in einem privaten Haushalt ausführt, erhält in der Regel dafür etwa 300 Euro. Wenn allerdings ein großer Auftraggeber für ein Schiff eine Firma beauftragt, eine umfassende Reinigung vorzunehmen, dann kann der Betrag schon einmal bei 100.000 Euro liegen. Die Umsätze sämtlicher Unternehmen in Deutschland, die Schädlinge wie die Ratten bekämpfen, dürften pro Jahr zwischen 600 und 650 Millionen Euro liegen.

Die Branche verfügt somit über eine Grundlage für Aufträge, die auch in Zukunft vorhanden sein dürften, auch wenn die Ratten keine Plage mehr sind, von der eine gesundheitliche Bedrohung ausgeht. Der Schwerpunkt der Kammerjäger hat sich im Laufe der Zeit nur auf die Prävention verschoben, so dass ihre Arbeit weiterhin eine wichtige Funktion hat. Trotzdem hat der Wirtschaftszweig Nachwuchssorgen, wie Heising zugibt. „Doch das betrifft nicht nur uns, sondern auch andere Handwerksberufe“, sagte der Fachmann.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Politik
Politik Chinesische Spionage: Verfassungsschutz mahnt Unternehmen zu mehr Vorsicht
24.04.2024

Der Verfassungsschutz warnt vor Wirtschaftsspionage und Einflussnahme aus China. Vor allem für deutsche Unternehmen wäre eine naive...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...