Politik

Bundesregierung verteidigt plötzlich BND, der von ihr entmachtet wurde

Die Bundesregierung stellt sich im Zusammenhang mit der angeblichen "Massenüberwachung" durch den BND im Ausland auf Seiten des Auslands-Nachrichtendienstes. Doch der BND wurde im Jahr 2017 durch die Bundesregierung eigenständig entmachtet.
14.01.2020 13:17
Aktualisiert: 14.01.2020 13:17
Lesezeit: 1 min
Bundesregierung verteidigt plötzlich BND, der von ihr entmachtet wurde
Männer stehen auf einem Teppich mit dem Logo des Geheimdienstes während der Eröffnung des Besucherzentrums des Bundesnachrichtendienstes (BND). (Foto: dpa) Foto: Wolfgang Kumm

Die Bundesregierung hat die weitreichenden Überwachungsbefugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland vor dem Bundesverfassungsgericht verteidigt. Bei Entwicklungen wie aktuell im Iran, im Irak oder in Libyen würden binnen Stunden verlässliche Informationen benötigt, sagte der Chef des Bundeskanzleramts, Helge Braun (CDU), am Dienstag in Karlsruhe, meldet die dpa. Die Frage, wer hinter einem Angriff stecke, könne über Krieg und Frieden entscheiden. Die Informationen der Geheimdienste anderer Staaten könnten verzerrt oder interessengeleitet sein (Az. 1 BvR 2835/17). Doch der BND wurde durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2017 ohnehin weitgehend entmachtet.

Die Richter des Ersten Senats verhandeln noch bis Mittwoch über eine Klage der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) und mehrerer ausländischer Journalisten. Dabei geht es um die Befugnisse des BND bei der sogenannten strategischen Fernmeldeaufklärung im Ausland. Das Urteil wird frühestens in einigen Monaten verkündet.

Bei dieser Fernmeldeaufklärung durchforstet der BND ohne einen konkreten Verdacht große Datenströme auf interessante Informationen. Deutsche Bürger dürfen nicht auf diese Weise überwacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommunikation vor der inhaltlichen Auswertung auszusortieren. Die gewonnenen Daten werden auch für ausländische Partnerdienste ausgewertet oder an diese weitergegeben.

Seit Anfang 2017 gibt es im reformierten BND-Gesetz dafür zum ersten Mal eine rechtliche Grundlage. Die Kläger halten die Vorschriften aber für völlig unzureichend. Der BND dürfe immer noch viel zu viel, eine Kontrolle sei kaum vorgesehen. Außerdem sei es technisch kaum möglich, die Kommunikation von Deutschen vollständig auszusortieren. Sie sehen das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit verletzt.

ROG-Geschäftsführer Christian Mihr sagte, spätestens seit einem Bericht des Spiegel von 2017 sei bekannt, dass der BND im Ausland auch Medien überwache. Das habe “eine enorm einschüchternde Wirkung”. Journalisten seien auf gute Quellen angewiesen. Aber so müssten Informanten befürchten, dass ihre Kommunikation in Datenbanken lande, auf die Nachrichtendienste weltweit jahrelang zugreifen könnten.

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