Unternehmen

Der Mittelstand findet keine kompetenten Mitarbeiter mehr

Deutsche Mittelständler stehen vor zahlreichen Herausforderungen. Besonders große Probleme scheint die Suche nach geeigneten Bewerbern zu machen.
15.01.2020 09:33
Aktualisiert: 15.01.2020 09:33
Lesezeit: 4 min
Der Mittelstand findet keine kompetenten Mitarbeiter mehr
Wie qualifiziert ist der Nachwuchs? (Foto: dpa) Foto: Uwe Anspach

Der deutsche Mittelstand gilt aufgrund seiner hohen Expertise, umfangreichen Belegschaft und dem ausgeprägten Sinn für Tradition und Innovation als Basis der deutschen Volkswirtschaft. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig für das ganze Land, wie sich kleine und mittelgroße Unternehmen schlagen und welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen:

Offenbar lässt sich dabei leicht ein Bereich identifizieren, der einen besonders starken Handlungsbedarf aufweist. In einer repräsentativen Umfrage der DZ Bank und des Bankenverbandes BVR nannten jüngst 96 Prozent der 1501 befragten Unternehmen den sogenannten „Fachkräftemangel“ als drängendstes Problem, wie die dpa berichtet. DZ Bank und BVR sprachen in einer gemeinsamen Mitteilung von einem „alarmierenden Rekordwert“. Bei der vorigen Umfrage vom Herbst 2018 lag der Wert noch bei 79 Prozent. Fast drei Viertel der aktuell befragten Unternehmen gaben zudem an, unter bürokratischen Herausforderungen zu leiden.

„Fachkräftemangel und Bürokratie haben sich in den letzten Jahren zu chronischen Problemen entwickelt und betreffen hierzulande immer mehr Unternehmen“, stellte der Firmenkundenvorstand der DZ Bank, Uwe Berghaus, fest. „Der Fachkräftemangel beschäftigt den Mittelstand wie kein anderes Thema und erstreckt sich über alle Branchen und Regionen.“

Um sich als Arbeitgeber attraktiver zu machen, bieten viele Mittelständler ihren Mitarbeitern Möglichkeiten zur Weiterbildung (rund 86 Prozent), denken über Gehaltserhöhungen nach (rund 79 Prozent) oder locken mit einer betrieblichen Altersvorsorge (76 Prozent).

Offenbar zeitigen solche Initiativen aber oft nicht den gewünschten Erfolg – nicht, weil das Unternehmen dabei versagt, sondern weil es schlicht kaum noch gut ausgebildete und lernwillige junge Menschen zu geben scheint, die sich für eine Stelle in einem Kleinbetrieb im technischen Bereich interessieren.

Der Mangel an geeignetem Nachwuchs ist auch Grund dafür, warum viele Firmen angesichts des derzeit zu beobachtenden Abschwungs den Abbau von Arbeitsplätzen meiden und ihre Angestellten stattdessen mit Sonderlösungen im Unternehmen zu halten versuchen. Sie können nämlich nicht sicher sein, diese beim nächsten Aufschwung wieder einstellen zu können.

So will der mittelständische Maschinenbauer Alfred H. Schütte seine Fachkräfte auch im Konjunkturabschwung mit Kurzarbeit und dem Abbau von Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto halten, statt Stellen zu streichen, wie Firmenchef Carl Martin Welcker berichtet. Während Großkonzerne wie ThyssenKrupp, BASF, Siemens oder die Deutsche Bank mit dem geplanten Abbau tausender Jobs für Schlagzeilen sorgen, halten kleinere und mittlere Unternehmen bislang Kurs.

„Die Beschäftigung im Mittelstand hat in den letzten Jahren eine Schallmauer nach der nächsten durchbrochen“, sagt Michael Schwartz, Mittelstandsexperte der staatlichen Förderbank KfW. Mehr als 31 Millionen Menschen beschäftigten die etwa 3,76 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen nach jüngsten KfW-Daten Ende 2017. Das waren gut 70 Prozent aller Erwerbstätigen.

Allerdings drücken internationale Handelskonflikte und die Konjunkturabkühlung mittlerweile auch auf die Stimmung in der Chefetage kleinerer und mittlerer Firmen. Die Unternehmen beurteilen die aktuelle Geschäftslage schlechter und blicken pessimistischer in die Zukunft. Anlass zur Sorge sieht Schwartz jedoch nicht: „Insgesamt gehen wir derzeit noch von einem Zuwachs an neuen Stellen im Mittelstand aus, auch wenn dieser schmaler ausfallen dürfte als in den Vorjahren.“

Ähnlich beurteilt Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Situation: „Die Gesamtlage ist eine andere, als die Schlagzeilen über den Stellenabbau bei einigen prominenten Konzernen suggerieren.“ „Unser Arbeitsmarkt ist gegenüber konjunkturellen Schwankungen viel robuster als früher“, erläutert Weber. Das liege vor allem an der Arbeitskräfteknappheit. „Viele mittelständische Unternehmen suchen nach wie vor händeringend Fachkräfte.“

Nach einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts fahren derzeit 3,8 Prozent der Unternehmen in der verarbeitenden Industrie Kurzarbeit. 8,5 Prozent rechnen damit in den kommenden drei Monaten. Das ist der höchste Wert seit 2013. Wenn ein Betrieb etwa wegen fehlender Aufträge die Arbeitszeit verringern muss, zahlt die Bundesagentur für Arbeit Kurzarbeitergeld an die betroffenen Beschäftigten. So sollen Entlassungen vermieden und der Verdienstausfall teilweise ausgeglichen werden.

Eine weitere Möglichkeit, Personal zu halten, ist der Abbau von Plusstunden auf Arbeitszeitkonten. Die Unternehmen sollten zudem die Zeit nutzen, um die Mitarbeiter weiterzubilden, empfiehlt Weber. „Es ist wichtig, mit den Beschäftigten den Strukturwandel aufgrund der Digitalisierung zu schaffen.“

Nach einer IAB-Studie sind seit den 70er-Jahren die durch Automatisierung und den Einsatz von Robotern entstandenen Arbeitsplatzverluste durch neue Arbeitsplätze ausgeglichen worden. „Technischer Fortschritt hat in Deutschland bislang nicht zu weniger Arbeit geführt, sondern zu einer Umschichtung von Arbeitsplätzen und Arbeitskräften“, heißt es in der Studie. Die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften sei gestiegen, Geringqualifizierte waren hingegen weniger gefragt.

Die Nachfrage nach spezialisierten Fachkräften könnte ein wichtiger Grund für den derzeitigen Mangel sein. Es ist bekannt, dass der Mittelstand insbesondere in den Bereichen Maschinenbau, Ingenieurswesen sowie Pharma angesiedelt ist – alles Fächer, die von einer vergleichsweise kleinen Zahl an Studenten oder Auszubildenden gewählt werden.

Neben dem Fachkräftemangel gibt es noch andere Probleme für den Mittelstand: Dazu gehören in erster Linie Gängelungen durch die Bürokratie und eine hohe Abgaben- und Steuerlast.

So hatte die deutsche Industrie kürzlich Schlagzeilen gemacht, weil sie öffentlich mit der Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung abgerechnete. Industriepräsident Dieter Kempf beklagte vor allem hohe Strompreise, zu viel Bürokratie und eine hohe Steuerlast. Auch beim Mobilfunkausbau komme die schwarz-rote Koalition nicht schnell genug voran. „Die Regierung hat einen großen Teil des in sie gesetzten Vertrauens verspielt“, sagte Kempf. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) konterte – es kam zu einem Schlagabtausch. Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) mischte mit.



Kempf kritisierte beim Tag der Industrie in Berlin, die Koalition stehe für das „mutlose Abarbeiten kleinteiliger Sozialpolitik“ und ein ungesundes Maß an Umverteilung. Die Regierung schade mit ihrer Politik Firmen. Kempf sagte, die wirtschaftliche Lage in Deutschland werde zunehmend zum Risiko. Es gebe große Unsicherheiten vor allem wegen der Handelskonflikte etwa zwischen den USA und China. Die Bundesregierung sowie Forschungsinstitute hatten ihre Wachstumsprognosen für dieses Jahr deutlich heruntergeschraubt. Die deutschen Firmen litten daneben unter einer im internationalen Vergleich hohen Steuerlast und den höchsten Energiekosten Europas, sagte Kempf. Er forderte erneut eine umfassende Reform der Unternehmenssteuern.Deutschlands Mittelständler erkennen zudem auch in Handelskonflikten, dem Klimawandel und der Dieselkrise besonders große Herausforderungen. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Erhebung des Marktforschungsinstituts Forsa hervor. Der Studie zufolge exportieren seit 2007 mehr als die Hälfte der Mittelständler, zuletzt waren es 52 Prozent. Nach Angaben von Commerzbank-Firmenkundenvorstand Michael Reuther zögern Unternehmen, die das Potenzial zur Expansion in andere Länder hätten, angesichts der geopolitischen Situation allerdings mit Investitionen im Ausland.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sanierungsfall Webasto: Rettungsplan für den Autozulieferer scheint in trockenen Tüchern
22.10.2025

Der Rettungsplan für den Automobilzulieferer Webasto steht: Der für seine Autodächer und Standheizungen bekannte Zulieferer hat seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus im Wandel: Exklusive Erlebnisse lösen materiellen Besitz als Statussymbol ab
22.10.2025

Der Luxusmarkt steht vor einem Wandel. Trotz steigender Vermögen der Superreichen schrumpfen traditionelle Segmente, während sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Höhere Strompreise im Winter? Behörden legen Bericht für Deutschland vor
22.10.2025

Ende 2024 schnellten die Strompreise zeitweise auf mehr als 900 Euro pro Megawattstunde. Haben Anbieter die Lage ausgenutzt?...

DWN
Finanzen
Finanzen „Sorgenkind“ Vollkasko: Autoversicherung verteuert sich weiter
22.10.2025

Eine Verivox-Auswertung zeigt Steigerungen deutlich über der Inflation. Immerhin im Vergleich zu den Anstiegen des vergangenen Jahres...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ölpreis fällt auf Fünf-Monats-Tief: Droht ein Überangebot?
22.10.2025

Das Überangebot wächst, die Nachfrage bricht ein: Der Ölpreis fällt auf den tiefsten Stand seit Monaten. Doch hinter dem Preisrutsch...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Mehrheit der Deutschen für Olympia-Bewerbung
22.10.2025

In einer repräsentativen Umfrage spricht sich fast jeder Zweite generell für eine deutsche Olympia-Bewerbung aus. Die Befragten äußern...

DWN
Finanzen
Finanzen EU nimmt hohe Investmentgebühren ins Visier: Ein EU-Land zahlt mehr als doppelt so viel wie US-Anleger
22.10.2025

Dänische Anleger zahlen fast doppelt so hohe Investmentgebühren wie andere Länder der EU. Und weit mehr als US-Investoren. EU-Chefin...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wenn Maschinen Kunden besser verstehen als Verkäufer
21.10.2025

Künstliche Intelligenz verändert die Art, wie Unternehmen mit ihren Geschäftskunden kommunizieren – radikal und unumkehrbar. Wer...