Panorama

Südamerika: Hier sind deutsche Auswanderer wirklich willkommen

Südamerika ist schon seit Jahrhunderten ein Ziel für deutsche Auswanderer auf der Flucht vor Armut oder Verfolgung. Da sie sich in der Regel vor Ort gut integrierten, sind Deutsche in vielen der dortigen Staaten auch heute noch sehr willkommen.
25.02.2020 09:43
Lesezeit: 5 min
Südamerika: Hier sind deutsche Auswanderer wirklich willkommen
Illustration: Timo Würz

Wer sich heute auf Weltreise begibt, der hat meist auch Südamerika auf dem Plan. Denn hier zeigt sich die Natur von ihrer schönsten Seite, man denke etwa die Iguazú-Wasserfälle im Dreiländereck von Argentinien, Brasilien und Paraguay, an die Salzwüste Salar de Uyuni in Bolivien, an die Atacama-Wüste in Chile oder an den höchsten Wasserfall der Welt, den Salto Ángel in Venezuela. Zudem haben hier vergangene Kulturen sehenswerte Baudenkmäler hinterlassen, am bekanntesten unter ihnen ist wohl die Inka-Stadt Machu Picchu in Peru.

Doch viele Deutsche haben in Südamerika auch immer wieder mehr als nur ein Reiseziel gesehen. Sie sind gekommen, um hier zu bleiben. Und dafür gibt es neben der schönen Landschaft eine Reihe weiterer guter Gründe. So sind die dortigen Landessprachen Spanisch und im Falle Brasiliens Portugiesisch im Vergleich etwa zu den asiatischen Sprachen relativ leicht zu lernen. Die Lebenshaltungskosten sind in Südamerika meist relativ niedrig. Auch fällt man vielerorts als Deutscher mit seinem Aussehen kaum auf, und in der Regel ist man hier als Einwanderer wirklich willkommen.

Allerdings wanderten nach Daten des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2018 nur etwas mehr als 3.500 Deutsche nach Südamerika aus, während zugleich gut 5.100 Deutsche aus den verschiedenen südamerikanischen Ländern wieder in die deutsche Heimat zurückkamen, vor allem aus Venezuela. In diesen Zahlen spiegeln sich vermutlich die aktuellen dortigen Probleme wider. Zum Vergleich: Im selben Jahr wanderten etwas mehr als 6.400 Deutsche nach Spanien aus und nur knapp 5.500 kamen wieder nach Deutschland zurück.

Die beliebtesten deutschen Auswanderungsziele in Südamerika waren zuletzt Brasilien, Chile, Paraguay, Kolumbien und Argentinien. Zwar kamen in den letzten Jahren verstärkt Deutsche wieder aus Brasilien zurück, doch eine Auswanderung nach Brasilien hat noch immer zahlreiche Vorzüge. So gibt es in dem Land einige Regionen, in denen insgesamt rund eine Million Nachkommen deutscher Einwanderer leben. Überhaupt haben zwei Drittel der Bevölkerung europäische Vorfahren, knapp die Hälfte ist weiß.

Brasilien eignet sich gut für deutsche Auswanderer, die sich dort selbstständig machen oder die dort ihren Lebensabend verbringen wollen. Für solche Pläne braucht es natürlich ein gutes Konzept und das nötige Startkapital beziehungsweise ausreichende Altersbezüge. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten niedriger als in Deutschland. Ein Nachteil Brasiliens sind die strengen Einwanderungsbestimmungen. Wer hier keine Verwandtschaft hat, wer hier nicht schon vor der Einreise eine Arbeit findet und wer sich nicht mit einem hohen Investitionsbetrag in das Land einkaufen kann, der muss das Land in der Regel nach drei Monaten wieder verlassen.

Deutlich einfacher ist die Einwanderung nach Chile, das wohl auch aus diesem Grund die Nummer zwei unter den beliebtesten deutschen Auswanderungsziele in Südamerika ist. Ein erfolgreicher Antrag auf Einwanderung setzt hier nicht einmal den Nachweis von ausreichenden Sprachkenntnissen voraus. Wert legen die Chilenen hingegen darauf, dass man dem Land nicht zur Last fällt. Dies muss man bei der Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung durch ein für deutsche Verhältnisse geringes Bankguthaben nachweisen oder durch ein Einkommen – hier reicht zum Beispiel schon eine kleine deutsche Rente.

Neben dieser Willkommenskultur – insbesondere Deutsche sind wegen der positiven historischen Erfahrungen mit deutschen Einwanderern sehr willkommen – hat Chile noch eine Reihe weiterer Vorteile zu bieten. Das Land ist in Südamerika wirtschaftlich am weitesten entwickelt, die Kriminalität ist hier am niedrigsten, die gesundheitliche Versorgung ist gut, und mit einer Nord-Süd-Länge von rund 4.300 Kilometern bietet das Land eine riesige landschaftliche Vielfalt von den Tropen bis zum Südpol.

Die Nummer drei unter den deutschen Auswanderungszielen in Südamerika ist das kleine Paraguay mit seinen nur rund sieben Millionen Einwohnern, wovon zudem immerhin rund 5 Prozent deutscher Herkunft sind. Das Land liegt im Zentrum Südamerikas und hat daher auch keinen Zugang zum Meer. Fast überall in Paraguay wird Spanisch gesprochen. Außerhalb der Städte ist die gesprochene Sprache aber meist das paraguayische Guaraní.

Wegen der zahlreichen deutschen Ärzte und anderen Dienstleistern ist Paraguay nicht nur bei deutschen Rentnern sehr beliebt. Auch Unternehmer oder Selbstversorger zieht es nach Paraguay. Denn Immobilien sind hier billig, die Steuern sind niedrig, und es gibt hier nur relativ wenig Bürokratie. Und auch wenn Paraguay deutlich ärmer ist als Chile, so kann man hier doch fast alle Produkte einkaufen, die man aus Europa gewohnt ist. Für den Antrag zur Einwanderung nach Paraguay muss man lediglich ein Vermögen von 5.000 Dollar nachweisen.

Die Nummer vier unter den deutschen Auswanderungszielen in Südamerika ist Kolumbien. Das tropische Land bietet eine große landschaftliche Vielfalt. Dazu gehören die vielen Kaffeeplantagen, die dichten Regenwälder des kolumbianischen Amazonas und die Bergketten der Anden. Im Gegensatz zu den anderen vier hier genannten Zielländern für deutsche Auswanderer hat Kolumbien zudem die tropische Karibik mit ihren vorgelagerten Korallenriffen zu bieten.

Allerdings ist die Einwanderung nach Kolumbien etwas komplizierter. Es gibt verschiedene Arten von Visa, um in dem Land zu leben. So können Rentner mit ausreichend hohen Bezügen ein Visum erhalten. Wer in Kolumbien einen Job gefunden hat, kann ein Arbeitsvisum beantragen, das jedoch an den Arbeitgeber geknüpft ist. Wird man entlassen, muss man das Land innerhalb von 30 Tagen wieder verlassen. Um ein unbefristetes Visum zu erhalten, hat man auch die Möglichkeit eine Direktinvestition im sechsstelligen Eurobereich zu tätigen.

Die vielfältige Natur und die rund 300.000 deutschsprachigen Einwohner machen auch Argentinien zu einem beliebten Ziel für deutsche Auswanderer. Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung stammen von eingewanderten Europäern ab, darunter allerdings nur knapp 4 Prozent von Deutschen. Der Großteil der Argentinier lebt in den Städten, darunter vor allem im riesigen Ballungsraum Buenos Aires.

Das Prozedere der Einwanderung ist relativ unkompliziert. Rentner können ebenso eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten wie Unternehmer, die ein wenig Kapital mitbringen. Auch wer einen Job oder ein Studium in Argentinien antreten will, erhält in der Regel eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung kann man beantragen, nachdem man sich mindestens drei Jahre lang ununterbrochen legal im Land aufgehalten hat.

Historisch war Südamerika immer wieder ein Ziel für Menschen auf der Flucht. So floh der jüdische Schriftsteller Stefan Zweig – Autor der Schachnovelle – 1934 vor den Nationalsozialisten aus Wien und verstarb 1942 in Brasilien. Im Jahr 1955 floh der Deutsche Adolf Eichmann nach Argentinien, um einer Bestrafung zu entgehen. Denn während der Zeit des Nationalsozialismus hatte er jene Gestapo-Abteilung geleitet, welche die Verfolgung, Vertreibung und Deportation von Juden organisierte. Im Jahr 1960 wurde er vom Mossad entführt und zwei Jahre später in Israel hingerichtet. Heute ist Südamerika ein Fluchtort für jene Deutschen, die Angst haben vor Überfremdung oder vor den Folgen eines kommenden Finanz-Crashs.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Kryptowährungsmarkt im Fokus: ETFs, XRP und Moon Hash – Weihnachtsbonusverträge beflügeln Cloud-Computing-Trends

Zum Jahresende erlebt der Kryptowährungsmarkt einen neuen Aufschwung. Kryptowährungs-ETFs und XRP ziehen zunehmend Gelder traditioneller...

DWN
Technologie
Technologie Natrium-Batterien: Wie China die nächste Akkurevolution vorantreibt
20.12.2025

Chinesische Hersteller treiben die Entwicklung von Natrium-Batterien rasant voran und bedrohen damit das bisherige Lithium-Dominanzmodell...

DWN
Politik
Politik Härtefallfonds für bedürftige Ostrentner schliesst: 425 Millionen Euro ungenutzt
20.12.2025

Aus dem Härtefallfonds für bedürftige Rentner aus der ehemaligen DDR und Osteuropa fließen zu Jahresende mehrere Hundert Millionen Euro...

DWN
Panorama
Panorama Grüne Stadt der Zukunft: Wie realistisch CO2-neutrale Metropolen bis 2040 sind
20.12.2025

Städte sollen Europas Klima-Rettungsanker werden – doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine Lücke. EU-Ziele, Modellstädte und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chefin der Wirtschaftsvereinigung Stahl warnt: Die Deindustrialisierung ist real
20.12.2025

Kerstin Maria Rippel ist Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Im DWN-Interview sagt sie, dass Berlin nach dem...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenkapitalbildung: Immobilienkauf laut IfW-Studie für Millennials schwerer
20.12.2025

Eigenkapitalbildung wird für viele Kaufwillige zur größten Hürde: Eine neue Studie vergleicht, wie stark sich die Anforderungen für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-CO2-Zoll wird ausgeweitet: Kommt die nächste Stufe für Waschmaschinen und andere Haushaltsgeräte?
20.12.2025

Der EU-CO2-Zoll steht vor der nächsten Ausbaustufe: Brüssel will ihn auf Haushaltsgeräte und weitere Industrieprodukte ausdehnen. Ab...

DWN
Politik
Politik Neues Ranking: Wer jetzt über Europas Zukunft entscheidet
20.12.2025

Donald Trumps Aufstieg an die Spitze des aktuellen Politico-Rankings zeigt, wie stark externe Kräfte Europas Politik inzwischen bestimmen....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Rallye mehrerer Technologieunternehmen treibt US-Aktien an
19.12.2025

Die US-Aktien unterbrachen ihre jüngste Verlustserie und stiegen am Freitag, da Anzeichen einer abkühlenden Inflation und nachlassende...