Politik

EU-Generalstaatsanwältin hat vier Mitarbeiter für 3000 Fälle von Korruption

Lesezeit: 2 min
09.02.2020 14:58  Aktualisiert: 09.02.2020 14:58
Die Rumänin Laura Kövesi, die noch in diesem Jahr ihre Arbeit als erste EU-Generalstaatsanwältin aufnehmen soll, verfügt nur über vier Mitarbeiter. Diese werden für rund 3.000 Fälle von Betrug und Korruption zuständig sein und sollen Milliarden Euro gestohlener EU-Gelder zurückholen.
EU-Generalstaatsanwältin hat vier Mitarbeiter für 3000 Fälle von Korruption
Agrar-Subventionen in Milliarden-Höhe fließen an Politiker, reiche Landbesitzer und Großunternehmen. (Foto: dpa)
Foto: Paul Zinken

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft (EuStA) mit Sitz in Luxemburg soll bei Verdacht auf Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union ermitteln. Doch der 46-jährigen rumänischen Staatsanwältin Laura Codruța Kövesi zufolge, die das Amt leiten wird, ist die neue Institution unterbesetzt und unterfinanziert, da sie viel mehr Fälle haben wird als bisher angenommen.

In einer Rede vor EU-Gesetzgebern am Donnerstag in Brüssel hat Kovesi die Europäische Kommission aufgefordert, den Jahreshaushalt zu überdenken, um der neuen Realität gerecht zu werden. "Meine vorläufige Schätzung macht den gesetzlichen Finanzrahmen obsolet, unter dem die EuStA-Verordnung verabschiedet wurde", zitiert sie der EUobserver.

Laut Kovesi arbeiten 24 von ihren insgesamt 29 Mitarbeitern in der Zentrale in Luxemburg in den Bereichen IT und Personalwesen. Eine weitere arbeitet an Haushaltsfragen. Nur vier Personen schauen sich die 3.000 Fälle an, sagte Kovesi. Damit stehe die Europäische Staatsanwaltschaft vor einer unüberwindlichen Aufgabe.

Die Zahl war auf 3.000 angestiegen, nachdem Kovesi Ende letzten Jahres die 22 EU-Teilnehmerstaaten gebeten hatte, ihr Fälle zu schicken, die in ihre Zuständigkeit fallen könnten. Einige Länder haben die Daten noch nicht übermittelt, was bedeutet, dass die Zahl wahrscheinlich sogar noch weiter steigen wird.

"Es ist sehr schwierig, mit nur vier Mitarbeitern 3.000 Fälle zu registrieren und zu analysieren", sagte Kovesi. Zudem erwarte man jedes Jahr weitere 2.000 neue Fälle. Allein durch grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug gingen jährlich bis zu 60 Milliarden Euro verloren.

Darüber hinaus wird die EuStA die EU-Agrarsubventionen untersuchen, die in Milliardenhöhe an wohlhabende Politiker, Landbesitzer und Unternehmenskonglomerate fließen, wie im November 2019 eine Analyse der New York Times aufzeigte.

Ungarn, Polen und Schweden haben sich bisher geweigert, der Europäischen Staatsanwaltschaft beizutreten, während Dänemark und Irland spezielle Ausnahmeregelungen haben. Zwar haben die übrigen 22 Mitgliedsstaaten alle zugestimmt, doch einige scheinen die Ambitionen des neuen Amtes nun zurückzuschrauben.

Zu den Problemen gehört laut Kovesi, dass "delegierte Staatsanwälte" in den EU-Staaten wohl nur Teilzeitkräfte sein werden. "Ich bin seit vielen Jahren Staatsanwältin, aber ich weiß nicht, dass es irgendwo auf der Welt ein Viertel eines Staatsanwalts gibt. Wie soll ein delegierter europäischer Teilzeit-Staatsanwalt in der Praxis überhaupt arbeiten?"

Die EU-Abgeordneten hatten Kovesi mehrheitlich unterstützt und die EU-Kommission und die EU-Staaten aufgefordert, die EuSta voll zu finanzieren und auszustatten. Die Kommission schien jedoch zurückhaltend. "Die Kommission wird die Bedürfnisse der EuSta mit dem Ziel prüfen, dass die Institution noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen kann", sagte ein Beamte der EU-Kommission am Donnerstag und löste damit eine Runde von Hohn und Spott der Abgeordneten aus.

Die deutsche EU-Abgeordnete Monika Hohlmeier (CSU) bezeichnete die Antwort der EU-Kommission als inakzeptabel. "Ich möchte eine Erklärung, die besagt, dass Sie keine Teilzeit-Ankläger akzeptieren und dass Sie herausfinden werden, wie viele Stellen sie brauchen", sagte sie. Doch der Kommissionsbeamte lehnte dies ab, da er nicht für die Akte zuständig sei, und verstärkte den Eindruck, dass Kovesis Bedenken nicht ernst genommen werden.


Mehr zum Thema:  
Europa >

DWN
Technologie
Technologie Gaskraftwerke oder Wasserstoff? Ministerium stellt Förderpläne für neue Kraftwerke vor
11.09.2024

In Deutschland soll zukünftig ein größerer Anteil des Stroms aus Wind- und Solarenergie stammen. Da diese Energiequellen jedoch nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Commerzbank-Aktie im Aufwind: Unicredit steigt ein – Übernahme in Sicht?
11.09.2024

Die italienische Großbank Unicredit hat sich in signifikantem Umfang an der Commerzbank beteiligt, was zu neuen Übernahmegerüchten...

DWN
Politik
Politik Weitreichende Waffen: Erhält die Ukraine nun die Weitschusserlaubnis? Blinken und Lammy besuchen Kiew
11.09.2024

US-Außenminister Antony Blinken und Großbritanniens Außenminister David Lammy sind in Kiew eingetroffen, um über die Lockerung der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Autoland Deutschland: Wie schwer wiegt die Krise?
11.09.2024

Die deutsche Autoindustrie gilt als Schlüsselbranche in Deutschland: 770.000 Menschen arbeiten in dem Sektor. Gemessen am Umsatz ist sie...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
11.09.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Panorama
Panorama Good News: In diesen Städten ist Deutschland noch glücklich
11.09.2024

Deutsches Städteranking im Glücksatlas 2024: Wo wohnt das Glück? Wohlstand und Lebensqualität haben offenbar weniger mit Glück zu tun....

DWN
Politik
Politik Migrationsgespräche - Scholz an Union: „Die Tür ist nicht zu“
11.09.2024

Die Migrationsgespräche sind gescheitert. Im Bundestag machen sich beide Seiten gegenseitige Vorwürfe. Es gibt aber auch eine...

DWN
Immobilien
Immobilien 600.000 ohne feste Bleibe: Wohnungsnot bei jungen Menschen immer größeres Problem
11.09.2024

Bundesweit wird die Anzahl der Obdachlosen mit über 50.000 Menschen beziffert. Gut 600.000 Menschen freilich gelten als wohnungslos - ein...