Finanzen

Dubai: Der glitzernde Schuldenturm im Wüstensand beginnt zu wanken

Ohne die Intervention des Schwesteremirats Abu Dhabi wäre Dubai schon 2008 bankrott gewesen. Noch täuscht die glitzernde Skyline über die bedenklich wachsenden Risse im Fundament der Schuldenoase hinweg. Es fragt sich, wie lange noch.
16.02.2020 11:00
Lesezeit: 3 min

Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) drohen in absehbarer Zeit in eine Rezession abzugleiten. Angesichts enormer Schulden, einer schweren Immobilienkrise, grassierender Deflation und einer einseitigen Abhängigkeit vom Ölsektor muss im Falle einer ernsten Wirtschaftsabschwächung mit einer unkontrollierbaren Finanzkrise gerechnet werden.

Im Jahr 2017 bereits sackte das Wirtschaftswachstum auf 0,5 Prozent ab, konnte sich 2018 aber wieder auf schwache 1,7 Prozent steigern. Trotzdem sehen Analysten die Situation kritisch. So ist die Wirtschaft der VAE stark vom Ölgeschäft abhängig, welches noch immer unter dem Ölpreiseinbruch von 2015 leidet. Etwa ein Drittel steuert der Verkauf von Rohöl zur Wirtschaft bei.

Auch der Umfang von Investitionen ausländischer Geldgeber ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, nennenswerte Investments kommen derzeit fast ausschließlich vom Staat. So schreibt Germany Trade&Invest in einer Länderanalyse:

Die Bruttoanlageinvestitionen sind in den vergangenen beiden Jahren real um 8,2 (2017) und 0,4 Prozent (2018) gesunken. Der Privatsektor schraubte seine Investitionen um 12,8 und 0,7 Prozent zurück, die staatlichen Investitionen schrumpften nur um 2,8 und 0,1 Prozent. Beobachter erwarten für 2019 sowohl im Privat- als auch im Staatssektor keine anziehende Investitionstätigkeit. Die staatlichen Investitionen dürften erst nach einer Stabilisierung des Ölpreises auf einem höheren Niveau wieder deutlich steigen. In Dubai werden die öffentlichen Investitionen vermutlich 2019 (spätestens aber 2020) mit Abschluss vieler Projekte, die zur EXPO 2020 fertig sein sollen, sinken. Die privaten Unternehmen zeigen sich derzeit nicht besonders optimistisch und werden sich vorerst mit Neuinvestitionen zurückhalten. Der die Entwicklung des Privatsektors spiegelnde Purchasing Managers' Index (PMI) ist im August 2019 auf den niedrigsten Wert seit acht Jahren gefallen. Mit nur noch 51,6 Punkten befindet sich der Index kurz vor der 50 Punkte-Marke, die als Stagnation der Privatwirtschaft interpretiert wird.

Das wahrscheinlich größte Problem: Die Schulden privater Unternehmen und auch des Staates nehmen stark zu, während die Wirtschaft in einer deflationären Spirale gefangen ist und die Konsumneigung der Bevölkerung als Folge der Geldaufwertung zurückgeht. Die Zentralbank hat die Geldmenge seit 2007 verdreifacht und das Volumen der ausgereichten Kredite verachtfachte sich gar seit 2008, doch die Konsumausgaben der Emiratis lagen 2019 rund ein Drittel unter dem Wert von 2008.

Das ist nicht verwunderlich. Die Deflation der Landeswährung VAE-Dirham lag im vergangenen Jahr zeitweise bei über 2 Prozent, die Menschen warten also ab, bevor sie größere Investitionen tätigen, weil sich die Kaufkraft ihres Geldes weiter erhöht. Die Zahlen sind ernüchternd: 2015 wurde ein realer Rückgang des privaten Verbrauchs um 19,1 Prozent ausgewiesen. 2016 dann ein magerer Zugewinn von 1,6 Prozent und 2017 von nur noch 0,9 Prozent. Vorläufigen Angaben zufolge kam es 2018 wieder zu einem Rückgang von 0,5 Prozent.

Die Schuldenspirale dreht sich unterdessen munter weiter: 2019 arrangierte Dubai mit Abu Dhabi, dem Retter aus der Not im Jahre 2008, eine Verlängerung der Rückzahlungsbedingungen für Schulden im Umfang von 20 Milliarden Dollar um fünf Jahre, berichtet Forbes.

Forbes schreibt weiter:

Unglücklicherweise löst die Verschiebung der Kreditrückzahlung Dubais Probleme nicht. Es gibt noch eine andere Rechnung zu begleichen, welche etwa halb so groß wie die gesamte jährliche Wirtschaftsleistung des Emirats ist. ‚Die Schulden von staatsnahen Unternehmen belaufen sich in Dubai auf 60 Milliarden Dollar, etwa halb so groß wie die Wirtschaftsleistung und wiederum etwa die Hälfte davon muss in den kommenden drei Jahren zurückgezahlt werden‘, heißt es in einem Bericht von Capital Economics. In anderen Worten: Die staatsnahen Betriebe müssen in den nächsten 36 Monaten rund 30 Milliarden Dollar zurückzahlen. Und es kommt noch schlimmer. Obwohl die Rückzahlungsverschiebung ein Sicherheitsnetz für die angeschlagenen Schuldner darstellt, ändert es nichts an den tiefer liegenden Problemen einer sich abschwächenden Volkswirtschaft in Dubai als Folge sinkender Ölpreise und einem wahrscheinlichen Kollaps der Immobilienmärkte.

Den auch und gerade der massiv aufgeblähte Immobiliensektor des Landes – welches mit dem Burdj Khalifa nicht zufällig das höchste Gebäude der Welt beherbergt – steckt in der Krise. Es wurde jahrelang zu viel am realen Bedarf der Bevölkerung vorbei gebaut, weil Investoren aus aller Welt den Markt am Persischen Golf als Renditechance sahen. Seit dem Höhepunkt der Immobilienspekulation im Jahr 2014 sind die Preise konservativen Schätzungen zufolge um mindestens ein Viertel gesunken, wahrscheinlich aber in vielen Fällen eher bis zu 50 Prozent.

Die Krise im Immobiliensektor tritt bezeichnenderweise in einer Zeit massiver staatlicher Investitionen in Vorbereitung auf die Ausrichtung der Weltausstellung 2020 auf. „Die VAE werden ab dem 20. Oktober 2020 die Expo 2020 ausrichten und investieren dafür 7 Milliarden US-Dollar. Sofern die Corona-Krise bis dahin gemeistert ist, werden 25 Millionen Besucher erwartet. Auch in Vorbereitung auf die Expo stiegen die Staatsausgaben im Jahr 2019 um volle 17,3%! 2020 wird eine weitere Steigerung um 2% erwartet. Dass die Wirtschaft bei einer 17,3-prozentigen Ausgabensteigerung des Staates 2019 nur um 2,2% wuchs, deutet auf fast auf eine Rezession des privaten Sektors schon im vergangenen Jahr hin. 80% des letztjährigen Wirtschaftswachstums gehen auf das Konto der gesteigerten Staatsausgaben“, schreibt das Magazin Finanzmarktwelt.

Das Ende der Vorbereitungen auf die Expo dürfte demnach von einem massiven Rückgang der Staatsinvestitionen (mit den oben beschriebenen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung) und riesigen, nun brachliegenden Gewerbe- und Wohnflächen begleitet werden, weil tausende der für die ausländischen Gäste gebauten Apartments und Hotelzimmer nicht mehr gebraucht werden und das Überangebot an Raum noch verschärfen. Ohnehin scheint die Zahl der in den VAE befindlichen kaufkräftigen Expats aus dem Westen seit einiger Zeit zu sinken.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Heinz Nixdorf und der Wandel der deutschen Computerindustrie
08.04.2025

Das größte Computermuseum der Welt in Paderborn trägt seinen Namen. Der Grundstock für die Sammlung wurde mit Rechen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Handelskrieg: Optionen für das große Geld schwinden – Rezession droht
08.04.2025

Innerhalb von nur zwei Tagen haben die globalen Märkte einen dramatischen Verlust von 5,4 Billionen Dollar erlitten. Während die großen...

DWN
Politik
Politik Ukraine Krieg: Selenskyj bestätigt erstmalig ukrainische Truppenpräsenz in russischer Region
08.04.2025

Dies ist das erste Mal seit Beginn der russischen Invasion vor mehr als drei Jahren, dass Selenskyj öffentlich die Anwesenheit...

DWN
Politik
Politik Stillstand im Bundestag: Union und SPD streichen Sitzungswoche – aus Furcht vor der AfD?
08.04.2025

Die Sitzungswoche des Bundestags für diese Woche wurde auf Betreiben von Union und SPD gestrichen – mitten in Krisenzeiten und während...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump-Zölle: Europäischen Aktienmärkten droht dreimonatiger Bärenmarkt
08.04.2025

Die europäischen Aktienmärkte stehen angesichts der jüngsten Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, neue Zölle auf Handelswaren...

DWN
Politik
Politik Koalitionsverhandlungen vorm Abschluß? US-Zölle drücken aufs Tempo - Ist die schwarz-rote Koalition bald Realität?
08.04.2025

Schlussspurt bei Union und SPD: Stehen die Gespräche vor einem möglichen Abschluß? Nicht zuletzt angesichts der internationalen Lage und...

DWN
Politik
Politik Migration: Während der Koalitionsverhandlung stoppt das Innenministerium plötzlich die Aufnahme der UN-Flüchtlinge
08.04.2025

Für die Umsiedlung schutzbedürftiger Flüchtlinge wurde ein vorläufiger Aufnahmestopp verhängt. Deutschland hatte jährlich 6550...

DWN
Politik
Politik Handelskrieg: Was können Unternehmer und Verbraucher jetzt tun?
08.04.2025

Nüsse horten? Jeans bunkern? In Motorräder investieren? Der sich anbahnende Handelskrieg macht vielen Angst. Doch davon sollte man sich...