Finanzen

In China wird Bargeld wegen des Corona-Virus gehortet - in Deutschland wegen des EZB-Virus

Nachdem die EZB im Sommer 2016 den Negativzins von 0,2 Prozent auf 0,4 Prozent erhöht hatte, begannen deutsche Banken vermehrt damit, Bargeld zu horten – im Durchschnitt zusätzliche 600 Millionen Euro pro Monat. Dass die EZB ausgerechnet in dieser Phase verkündete, sie werde die Herstellung und Ausgabe von 500-Euro-Scheinen einstellen „aufgrund von Hinweisen, die Scheine könnten eine Rolle bei illegalen Machenschaften spielen“, war natürlich reiner Zufall ... Seitdem ist der Umlauf der Scheine übrigens um circa ein Viertel gesunken.
Autor
14.02.2020 17:28
Aktualisiert: 14.02.2020 17:28
Lesezeit: 3 min

Es ist bekannt und zu erwarten, dass Menschen in Zeiten einer sich verschärfenden Krise damit beginnen, Bargeld zu horten. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Chinesen anlässlich der immer rascheren Verbreitung des Corona-Virus in Scharen zu Bankschaltern und Geldautomaten strömen. Die chinesische Zentralbank hat bereits darauf reagiert und versorgt Banken und Sparkassen verstärkt mit Bargeld, um dem Ausbruch einer Panik zuvorzukommen, die eine Bargeld-Knappheit auslösen könnte.

Aber auch in einer anderen Weltregion wird Bargeld gehortet – und zwar im Wert von Milliarden Euro, von Dutzenden Milliarden. Viren haben damit übrigens überhaupt nichts zu tun. Wie die Region heißt? So gut wie alle unsere Leser dürften sie gut kennen – sie nennt sich Europa. Wie sich der Bargeld-Bestand deutscher Banken in den letzten Jahren entwickelt hat, lässt sich an folgendem Schaubild erkennen.

Schaubild: Bargeld-Bestand der Banken in Deutschland

Bis 2016 bewegten sich die Bargeld-Bestände deutscher Banken mehrere Jahre lang in einem Bereich zwischen 14 und 18 Milliarden Euro, die für Abhebungen an Schaltern und Geldautomaten benötigt wurden, sowie für „Fälle höherer Gewalt“. Weder die Einführung des jährlichen Negativzinses der EZB für überschüssige flüssige Mittel im Juni 2014 in Höhe von 0,1 Prozent, noch die Erhöhung dieses Negativzinses auf 0,2 Prozent drei Monate später, führte zu einer Erhöhung der Barmittel. Erst als der Negativzins der EZB im Jahr 2016 erst auf 0,3 Prozent und wenige Monate später auf 0,4 Prozent anstieg, begannen auch die Bargeld-Bestände in den Tresoren der deutschen Banken zu wachsen. Und als im September vergangenen Jahr die EZB den Negativzins nochmals erhöhte, und zwar auf 0,5 Prozent ... was geschah dann? Richtig! Die deutschen Banken begannen noch mehr Bargeld zu horten.

Reuters berichtete im Juni 2016 als erstes Medium darüber, dass deutsche Banken nach der Verdoppelung des Negativzinses von 0,2 Prozent auf 0,4 Prozent damit begannen, die Installation neuer Tresore zu erwägen. „Die Pläne der Commerzbank deuten darauf hin, dass die Finanzmärkte vor dem Zusammenbruch stehen,“ kommentierte der stellvertretende Vorsitzende des Finanzausschusses beim Bundestag, Gerhard Schick (Grüne). Und weiter: „Es ist besser, dass die Bank Geld im Tresor hat, als dass sie es, sei es für schlechte Kredite, sei es für Strafzinsen der EZB, wegschmeißt.“ Nur einige Stunden später veröffentlichte die Financial Times, dass auch mehrere Sparkassen in Bayern die Möglichkeit der Bargeldaufbewahrung prüften und dass die Münchener Rückversicherung „bereits damit begonnen hat, zu experimentieren – zunächst mit der Aufbewahrung von Banknoten im Wert von zehn Millionen Euro – wie sich die Aufbewahrung von größeren Mengen Bargeld in der Praxis bewährt“.

Die Verkündigung der EZB, sie habe eine Prüfung der Stückelung von Euro-Bargeld durchgeführt und beschlossen, die Herstellung und Herausgabe von 500-Euro- Scheinen dauerhaft einzustellen (aufgrund von Hinweisen, die Scheine könnten eine Rolle bei illegalen Machenschaften spielen) fällt genau in die Phase, in der die Banken begonnen hatten, vermehrt Bargeld zu horten. Aber das ist natürlich reiner Zufall …

Sowohl das aktuelle Wachstum des Bargeldbestands als auch der sinkende Vorrat an 500-Euro-Scheinen (von Dezember 2015 bis September 2019 ging die sich im Umlauf befindliche Anzahl von 613 Millionen auf 464 Millionen zurück) erfordert zusätzliche Tresore, weshalb sich in den vergangenen Wochen mehrere deutsche Banken an den Edelmetallhändler „Pro Aurum“ wandten. Ihre Bitte: Pro Aurum möge doch einen Teil ihrer Kundengelder aufbewahren. Doch sie erhielten eine abschlägige Antwort: „Unsere Kapazitäten reichen dafür nicht aus.“

Wie diese „Folterbank“ (ja, so nenne ich die EZB) den europäischen Banken dabei helfen soll, den wachsenden Rückstand – sowohl hinsichtlich Profitabilität als auch Marktkapitalisierung – auf die amerikanischen Banken aufzuholen, hat bislang noch niemand erklärt. Es zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass die Entschlossenheit der Banken stark wächst, die ihnen von der „Stimulationspolitik“ der EZB auferlegte Bürde in immer größerem Maße auf die Sparer umzuwälzen.

Über die Einführung des Negativzinses auch für die Ersparnisse von Sparern habe ich im vergangenen Jahr zweimal berichtet: Im September, als die drittgrößte Bank Dänemarks dazu den Mut fasste, und erneut im Oktober, als diese Idee auch in Deutschland immer ernsthafter diskutiert wurde.

Damals, im Oktober 2019, entschlossen sich „nur“ 24 Banken dazu, ihre Kunden mit Negativzinsen zu belasteten. Drei Monate später, im Januar 2019, waren es bereits 190 Banken, darunter die beiden größten, die Deutsche Bank und die Commerzbank. Wenn auch nur bei Kunden, die „sehr reich“ sind, und jedes Mal nur „aufgrund einer individuellen Absprache“.

Daher verwundert es nicht, dass in Deutschland jetzt auch Sparer – vermutlich vor allem die „sehr reichen“ – begonnen haben, ihre Ersparnisse vom Konto abzuheben. „Wir beobachten in den vergangenen Monaten eine steigende Nachfrage nach der Anmietung unserer Safes, oft zum Aufbewahren von Bargeld, daher haben wir begonnen, unsere Kapazitäten zu erweitern“, sagte der Geschäftsführer von Degussa Goldhandel kürzlich dem Newsportal Bloomberg.

Und wenn es so weitergeht, sollten wir uns langsam auf eine neue „Prüfung der Stückelung des Euro-Bargelds“ vorbereiten. Vielleicht wird die EZB dann feststellen, dass auch 200-Euro-Scheine „eine Rolle bei illegalen Machenschaften spielen könnten“, und – angeblich nur deshalb – sich dazu entschließen, die Herstellung und Ausgabe der Scheine dauerhaft einzustellen …

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Polens Präsident Nawrocki – Ein Trump-Statthalter in Warschau?
04.06.2025

Mit Karol Nawrocki zieht ein Hardliner in den Präsidentenpalast ein – unterstützt von Donald Trump und im offenen Konflikt mit der...

DWN
Immobilien
Immobilien Eigenheim kaufen: Wie der Traum vom eigenen Haus gelingen kann - die besten Tipps
04.06.2025

Der Wunsch, ein Eigenheim kaufen zu wollen, ist für viele Menschen in Deutschland tief verankert. Doch finanziell scheint dieses Ziel oft...

DWN
Politik
Politik US-Zölle auf Stahl und Aluminium verdoppelt: Folgen für Deutschland
04.06.2025

Donald Trump verdoppelt die Zölle auf Stahl und Aluminium – und riskiert damit eine neue Eskalation im transatlantischen...

DWN
Politik
Politik Bas will "mafiöse Strukturen" bei Bürgergeld-Empfängern zerschlagen
04.06.2025

Organisierter Sozialleistungsbetrug ist laut Arbeitsministerin Bas kein Randphänomen mehr, sondern Teil krimineller Strukturen, die...

DWN
Politik
Politik Iran warnt vor US-Vorschlag: Neue Atomverhandlungen mit „vielen Unklarheiten“
04.06.2025

Iran spricht von „Unklarheiten und Widersprüchen“ im US-Vorschlag zu einem neuen Atomabkommen. Während Teheran auf sein Recht zur...

DWN
Panorama
Panorama Köln: Größte Evakuierung seit 1945 hat begonnen
04.06.2025

Rund 20.000 Kölner müssen heute Vormittag ihre Wohnungen verlassen. Fast die gesamte Innenstadt wird wegen einer Bombenentschärfung...

DWN
Politik
Politik Nato rüstet drastisch auf - Deutschland zahlt Milliarden
04.06.2025

Schluss mit der Friedensdividende: Die Nato plant einen drastischen Ausbau ihrer Verteidigungsfähigkeiten – aus Angst vor Russland und...

DWN
Politik
Politik Musk gegen den Staat: Wie ein Tech-Milliardär den US-Haushalt ruinierte
04.06.2025

Elon Musk wollte den US-Haushalt wie ein Start-up führen – heraus kam ein Desaster aus Kürzungen, Chaos und gescheiterten Sparzielen....