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2020: Das Schicksalsjahr für Deutschlands E-Autobauer

Lesezeit: 7 min
22.03.2020 10:00
Der Marktanteil der Stromer bleibt hierzulande zwar dürftig, doch sieht die Lage in anderen Ländern mit Ausnahme Norwegens auch nicht anders aus. 2020 steht die deutsche Autoindustrie im Hinblick auf die E-Mobilität vor enormen Herausforderungen.
2020: Das Schicksalsjahr für Deutschlands E-Autobauer
China, das bisher die E-Mobilität massiv unterstützt hat, streicht die Subventionen für Elektroautos immer weiter zusammen. (Foto: dpa)
Foto: epa Diego Azubel

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Im internationalen Vergleich enorm gewachsen – doch bauen sich 2020 riesige Hürden auf: Dieses Bild zeigt derzeit Deutschland, wenn es um die Elektro-Mobilität im Automobilbau geht.

Wie aus einer aktuellen Studie der wissenschaftliche Einrichtung Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach hervorgeht, entwickeln sich derzeit hierzulande die Zulassungszahlen für Elektromobile positiv. So ist im vergangenen Jahr die Zahl der Neuzulassungen von strombetriebenen Wagen um 60 Prozent auf 109.000 gestiegen. Dazu gehören allerdings nur 63.000 reine Stromer. Der Rest fällt auf Plug-in-Fahrzeuge, deren Akkumulator sowohl über den Verbrennungsmotor als auch über das Stromnetz geladen werden kann.

Ein Pluspunkt ist jedenfalls, dass sich der Marktanteil der Fahrzeuge der E-Autos und Plug-in-Hybride immerhin um einen Prozentpunkt auf drei Prozent vergrößert hat. Noch nie haben die Händler so viele Autos mit diesen Antrieben verkauft. Das Wort "Rekordergebnis" zu benutzen, wäre allerdings irreführend, weil die Verkaufszahlen dafür einfach viel zu gering sind.

Mehr in absoluten Zahlen als im E-Auto-Land Norwegen

Damit hat sich Deutschland im vergangenen Jahr sogar weltweit auf den dritten Rang vorgeschoben, wenn es um die Absatzzahlen geht. Das Land hat sogar nach absoluten Zulassungszahlen mehr Wagen als die Händler in Norwegen abgesetzt, wo lediglich 80.000 E-Fahrzeuge verkauft wurden. Norwegen gilt in Fachkreisen als „Elektroland“, wo die Industrie im Weltvergleich relativ am weitesten entwickelt ist.

Dies spiegelt sich nicht zuletzt am Marktanteil der Stromer und Plug-in-Fahrzeuge wider, der in dem skandinavischen Land im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um fast sieben Prozentpunkte auf 55,9 Prozent gestiegen ist. Damit sind die Norweger einsame Weltspitze.

Der Grund: Der norwegische Staat unterstützt die Käufer in sehr starkem Maße, wenn sie sich für ein E-Auto entscheiden. Beispielsweise zahlen sie beim Kauf keine Mehrwertsteuer, die bei 25 Prozent liegt. Darüber hinaus müssen die Fahrer auch keine Importsteuer entrichten. Somit können die Autofahrer schon bei der Anschaffung Tausende von Euro sparen, wenn sie sich für einen Stromer und gegen einen Wagen mit Verbrennungsmotor entscheiden.

Darüber hinaus müssen die Halter dieser Fahrzeuge keine Maut auf den Autobahnen und Straßen entrichten. Außerdem können sie auch Überfahrten mit den staatlichen Fähren kostenlos in Anspruch nehmen. In dem Land, wo es viele Inseln und Fjorde gibt, ist solch ein Angebot mit Sicherheit attraktiv. Ebenso fallen Gebühren auf öffentlichen Parkplätzen weg. Die Autofahrer können auf insgesamt 11.000 Ladestationen zurückgreifen, die über das gesamte Straßennetz gut erreichbar verteilt sind.

Zum Vergleich: Die Bundesregierung hat gerade Ende 2019 beschlossen, die Förderung beim Kauf von E-Autos bis 2025 zu verlängern. Danach wird die Unterstützung um 50 Prozent bei Fahrzeugen bis 40.000 Euro Nettolistenpreis angehoben. Bei Fahrzeugen über 40.000 Euro Nettolistenpreis steigt sie um 25 Prozent. Das gilt für rein batterieelektrische Fahrzeuge (BEVs) ebenso wie für Plug-In-Hybride (PHEVs). Die Industrie wird sich weiterhin zur Hälfte am Umweltbonus beteiligen. Mit der Unterstützung, die es in Norwegen gibt, kann sich die deutsche Förderung aber bestimmt nicht messen.

China baut Lade-Netz weiter aus – nimmt Förderung aber zurück

Die weitreichende Förderung ist der Grund, warum die E-Mobilität in Norwegen insgesamt wesentlich populärer als in Deutschland ist. Auch in China, das im vergangenen Jahr auf dem ersten Platz gelegen hat, unterstützt der Staat massiv den Kauf von E-Fahrzeugen. Dadurch beträgt der Anteil der Stromer an allen Neuzulassungen sogar acht Prozent.

Darüber hinaus baut das Land sein Netz von Ladestationen im rasanten Tempo aus. Ende August 2019 gab es 1,1 Millionen Ladepunkte. Zwölf Monate zuvor waren es noch knapp 70 Prozent weniger gewesen. Von September 2018 bis August 2019 sind jeden Monat 15.000 neue Stationen dazugekommen.

Zum Vergleich: In Deutschland ist ihre Zahl von 2018 um zwölf Prozent auf jetzt rund 18.000 angewachsen. So liegt die größte europäische Volkswirtschaft in dieser Hinsicht sehr weit hinter dem Marktführer aus China. Gerade dieses Problem, dass man keine Steckdose zum Laden findet, nennen die Kritiker der E-Technologie immer wieder als Grund, warum sie doch lieber einen Wagen mit Verbrennungsmotor kaufen.

Der Erfolg der Chinesen beruht darauf, dass die Regierung schon seit mindestens 15 Jahren die E-Mobilität fördert. So bilden 16 staatliche Hersteller die Industrievereinigung für elektrische Autos (CEVA). Das Ziel: den Markt zu entwickeln. Die Produzenten stecken dabei Investitionen in die Entwicklung der alternativen Mobilität. Allein im Jahr 2012 pumpten die Produzenten fast 15 Milliarden Dollar in die Technik.

Der chinesische Staat gibt den Konsumenten Zuschüsse, damit sie sich für den Kauf eines E-Autos entscheiden – ähnlich wie in den anderen Ländern auch. Allerdings haben die Chinesen die Förderung zuletzt zurückgenommen. So werden seit Mitte des vergangenen Jahres nur teurere Wagen mit einer Mindestreichweite von 250 Kilometer subventioniert. Deswegen ist der Absatz der „New Energy Vehicles“, zu denen auch Nutzfahrzeuge gezählt werden, 2019 im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent auf 1,2 Millionen gesunken.

„China hat lange angekündigt, die Förderungen zu streichen, damit sich die Hersteller gar nicht erst daran gewöhnen, sondern sich auch aus eigener Kraft am Markt halten können. Außerdem will die Regierung andere Techniken vorantreiben – beispielsweise Wasserstoffautos“, erklärte Professor Stefan Bratzel vom CAM-Institut.

Deutschland braucht sich vor USA nicht zu verstecken

Auch auf dem zweitgrößten Markt für E-Autos, den USA, gibt es Rückgänge. Hier verringerten sich die Absatzzahlen sogar im Vergleich zu 2018 um 324.000 Fahrzeuge. Damit sank auch der Anteil der Stromer am Markt von 2,1 auf 1,9 Prozent. Ein Problem: Die Dominanz des US-Produzenten Tesla ist sehr stark zu spüren, der für mehr als die Hälfte der E-Verkäufe verantwortlich ist. „Wenn es den US-Herstellern nicht gelingt, das Angebot bezahlbarer E-Autos deutlich zu erweitern, wird der Markt auch langfristig schwächeln“, so Bratzel.

Der US-Markt bleibt zwar hinsichtlich seiner Größe einer der wichtigsten der Welt, doch ist das Bild, das dieses Land insgesamt abgibt, nicht übermäßig gut. So ist der Marktanteil der Stromer mit nicht einmal zwei Prozent geringer als in Deutschland. Auch gibt es gerade einmal rund 70.000 Ladepunkte auf dem Markt. Tatsächlich ist die Zahl der Stationen zwar mehr als dreimal größer als in Deutschland, doch muss man auch bedenken, dass die deutsche Volkswirtschaft gerade einmal vier Prozent der Fläche der USA einnimmt. In dieser Hinsicht muss sich Deutschland gegenüber den USA nicht verstecken.

Auffällig ist, dass sich der größte Teil der Ladestationen in Kalifornien befinden – dem Sitz des Weltmarktführers Tesla. Also ist auch hier die Vorherrschaft des Konzerns klar zu spüren, der ein eigenes Netz an Ladepunkten errichtet hat.

Teslas Erfolg beruht auf seiner starken E-Marke

Dies gehört zu Strategie des Unternehmens, dessen Modelle sich weltweit am besten verkaufen. Aus der Sicht von Experten wie dem deutschen Markenstrategen Michael Brandtner ist das eigene Lade-Netz ein Grund, warum der Hersteller so erfolgreich ist. So zitiert das Fachmagazin „Absatzwirtschaft“ den Fachmann:

„Tesla war das erste Unternehmen, das nicht nur ein Produkt, sondern die erste Marke im Bereich Elektroauto baute. Wenn man heute auf der Straße eine Umfrage machen würden, welche Marke für Elektroauto steht, wäre sicher Tesla der klare Sieger. Dem Konzern ist es gelungen, eine enorm starke Marke ganz ohne klassische Werbung aufzubauen. Die meisten kennen die Elektroautos aus Kalifornien aus Medienberichten, aus Gesprächen mit Freunden und Bekannten oder weil man einen Tesla auf der Straße gesehen hat“, sagte Brandtner.

Auch in Deutschland hat Tesla mit seinen Verkäufen einen spürbaren Abdruck hinterlassen. Zuletzt machte der Konzern verstärkt von sich reden, weil das Unternehmen in Brandenburg ein neues Werk hochziehen will. Damit soll die E-Mobilität in Deutschland vorangebracht werden.

Allerdings wird das laufende Jahr für die Hersteller in Deutschland alles andere als einfach. Denn 2020 greifen erstmals die CO2-Flottengrenzwerte, die von der EU vorgegeben werden. Jeder Produzent, der den Grenzwert von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer nicht einhält, muss ab 2021 sogar mit Strafen im Milliarden-Euro-Bereich rechnen. Davon sind die Unternehmen aber noch sehr weit entfernt, weil ein Fahrzeug in Deutschland durchschnittlich 157 Gramm CO2 je Kilometer in die Luft bläst. Folglich stehen die Firmen massiv unter Druck.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass es schon bei Mittelklasse-Wagen mit Verbrennungsmotor technisch kaum möglich ist, den Kraftstoff-Verbrauch so weit zu verringern, dass der Grenzwert von 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer erreicht wird. In den Klassen darüber ist es sogar unmöglich.

Deswegen bieten die Hersteller eine elektrische Antriebsunterstützung und Hybride sowie Plug-in-Hybride als Übergangslösung an. Letztlich ist das reine E-Auto aber immer noch das wichtigste Fahrzeug, um die Vorgaben aus Brüssel einzuhalten. Und davon gab es in Deutschland gerade einmal 63.000 – also nicht gerade viel.

Und in den kommenden zehn Jahren wird es sogar noch schwieriger, die EU-Vorgaben einzuhalten. Denn das EU-Parlament hat beschlossen, dass 2030 weitere 37,5 Prozent des bisherigen CO2-Ausstoßes reduziert werden.

Ob der Umweltbonus, den die Bundesregierung gerade vergrößert hat, dafür ausreicht, um die Kunden für den Kauf eines E-Autos zu bewegen, ist fraglich. Das laufenden Jahr 2020 wird für die Hersteller in Deutschland schon schwierig genug – in Zukunft dürfte es sogar noch schwerer werden.


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