Koalition unter Strom: Streit um Bürgergeld und Rentenpaket
Gelingt ein Kompromiss bei der Stromsteuer, oder verfällt die Koalition in alte Ampel-Muster aus Misstrauen und Streit? Der Koalitionsausschuss wird es zeigen.
Erste große Nagelprobe für Schwarz-Rot
Es ist die erste große innenpolitische Bewährungsprobe für das schwarz-rote Regierungsbündnis: Im Koalitionsausschuss müssen die Spitzen von Union und SPD heute unter Beweis stellen, dass sie bei heiklen Themen wie der Senkung der Stromsteuer kompromissfähig sind. Zwei Protagonisten werden dabei im Mittelpunkt stehen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bislang zwar eine gute Figur auf der internationalen Bühne gemacht. Nun muss er aber zeigen, dass er auch die Wirtschaft ankurbeln und die Stimmung im Land heben kann. "Ich habe natürlich schon mehr vor, als nur Krise zu managen", sagte er am Dienstagabend in der ARD-Sendung "Maischberger".
Klingbeil und Bas: Neue Rollen, neuer Druck
Der Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil geht nach der Klatsche bei der Wahl zum SPD-Vorsitzenden geschwächt in den Koalitionsausschuss und muss sich neu bewähren – in neuer Konstellation. Für die neue sozialdemokratische Co-Parteichefin Bärbel Bas ist es die Premiere im Kreis der mächtigsten Koalitionspolitiker, dem sie nun als einzige Frau angehört und es mit zehn Männern aufnehmen muss.
Stromsteuer: Was springt für Verbraucher raus?
Alle blicken dabei vor allem auf ein Thema: Kommt die Senkung der Stromsteuer für alle? Das Kabinett hat Entlastungen bei den Energiepreisen zum 1. Januar 2026 auf den Weg gebracht. Die Netzentgelte, ein Bestandteil des Strompreises, sollen reduziert und die Gasspeicherumlage für Gaskunden abgeschafft werden.
Bei der Stromsteuer soll die Absenkung für die Industrie, Land- und Forstwirtschaft "verstetigt" werden. Sie soll aber – entgegen der Ankündigung im Koalitionsvertrag – nicht für alle gesenkt werden, also nicht für sämtliche Betriebe sowie für private Haushalte. Das ruft breite Kritik bei Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften und Sozialverbänden hervor – aber auch innerhalb der Union. Kritik kam unter anderem von Unionsfraktionschef Jens Spahn und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (beide CDU). Dies sorgt wiederum für Verärgerung in der SPD.
Merz äußerte sich vor dem Treffen der Koalitionsspitzen zwar grundsätzlich offen für eine mögliche Ausweitung der Stromsteuersenkung – aber nur, wenn die Gegenfinanzierung gesichert ist.
Eine Senkung der Stromsteuer für alle Verbraucherinnen und Verbraucher würde nach Angaben des Bundesfinanzministeriums im kommenden Jahr rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Eine Gegenfinanzierung dürfte schwierig werden. Die Koalition müsste bei anderen Vorhaben Abstriche machen.
Wirtschaft fordert Verlässlichkeit
Die Wirtschaft dringt auf Verlässlichkeit. "Die Unternehmen brauchen klare Perspektiven und müssen wissen, worauf sie in der Wirtschaftspolitik der Koalition vertrauen können", sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. "Besonders bei Energie- und Arbeitskosten warten viele Firmen dringend auf Entlastungen."
Bürgergeld: Wie viel kann gespart werden?
Sparen will die Koalition beim Bürgergeld. Hier dürfte der Teufel im Detail stecken. 1,5 Milliarden Euro sollen es nach dpa-Informationen nach ersten Plänen im nächsten Jahr sein, später soll die Sparsumme auf 4,5 Milliarden Euro steigen. Die "Bild"-Zeitung berichtete zuerst darüber. Zunächst sollen demnach Sanktionen verschärft werden. Dann solle eine grundsätzliche Reform mit einer Neuberechnung der Regelsätze folgen.
Rund 32.900 Menschen mit Bürgergeld wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg zuletzt – im Februar 2025 – Leistungen wegen Verfehlungen gekürzt, nach 24.700 vor einem Jahr. Angesichts von 5,5 Millionen Bürgergeld-Bezieherinnen und -Beziehern zeigt das nach Ansicht von Experten deutlich, dass hier keine enormen Einsparungen zu erzielen sind. Insgesamt sind laut BA im März 3,9 Milliarden Euro Bürgergeld an die sogenannten Leistungsberechtigten geflossen, was kaum eine Veränderung gegenüber März 2024 darstellt. Im März 2023 waren es 3,5 Milliarden Euro.
Rentenpaket: Milliarden aus dem Steuerzahler-Portemonnaie
Auch um die Rente dürfte es im Koalitionsausschuss gehen. Mit Milliardensummen aus dem Portemonnaie der Steuerzahler soll das geplante erste schwarz-rote Rentenpaket zu Buche schlagen. "Dabei können wir es uns nicht leisten, dass die Rentenausgaben noch stärker als ohnehin steigen", hat Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger den Koalitionären bereits ins Stammbuch geschrieben. Allerdings soll die Renten-Kostenspirale erst 2029 mit zunächst 4,1 Milliarden Euro beginnen. Bis auf 11,2 Milliarden Euro soll der Posten laut den Gesetzesplänen von Sozialministerin Bas im Jahr 2031 steigen.
Bezahlt werden soll damit vor allem die geplante Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent über das laufende Jahr hinaus – und damit weitere Rentenerhöhungen im Gleichschritt mit der Lohnentwicklung in Deutschland. Ohne ein stabiles Rentenniveau würde sich der wachsende Übertritt der geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge in die Rente so auswirken, dass die Renten nicht mehr so stark steigen wie die Löhne.