Die Bundesregierung und die Finanzaufsicht wollen die deutschen Lebensversicherer angesichts der niedrigen Zinsen offenbar noch stärker an die Kandare nehmen als gedacht. Es zeichne sich ab, dass der Garantiezins für Lebensversicherungen vom nächsten Jahr an nicht nur, wie von der Branche vorgeschlagen, auf 0,5 (bisher 0,9) Prozent gesenkt, sondern um noch mindestens einen Zehntel-Prozentpunkt niedriger festgesetzt werden solle, sagten zwei mit den Plänen vertraute, namentlich nicht genannte, Personen der Nachrichtenagentur Reuters.
Der Garantiezins - offiziell Höchstrechnungszins genannt - ist die maximale Verzinsung, die die Lebensversicherer ihren Kunden über die gesamte Laufzeit fest zusagen dürfen. Dieser ist in den vergangenen Jahren immer weiter gesunken, heruntergedrückt durch die radikale Geldpolitik der EZB sowie durch den Einstieg riesiger Finanzkonzerne in den deutschen Markt.
Die Finanzaufsicht BaFin wollte sich zu den Informationen nicht äußern, das Bundesfinanzministerium war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Ein Sprecher des Branchenverbands GDV sagte: "Wir gehen davon aus, dass der Garantiezins sinken wird." Auf die künftige Höhe wollte er sich aber nicht festlegen.
Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV), der Zusammenschluss der 5000 Versicherungsmathematiker, hatte im Dezember eine Senkung auf 0,5 Prozent vorgeschlagen. Traditionell orientiert sich das Ministerium an den Berechnungen der Aktuare. Doch schon bei der jüngsten Senkung auf 0,9 Prozent zum 1. Januar 2017 hatte es den Vorschlag der Aktuare (1,0 Prozent) unterboten. Die Entscheidung dürfte bald fallen. Die Branche dringt auf einen Vorlauf von etwa neun Monaten, um die Tarife neu berechnen zu können.
Die Versicherungsaufseher der BaFin warnen die Branche aber, die anstehende Senkung des Garantiezinses erneut zu einer Art "Schlussverkauf" für Policen mit dem bisherigen Satz zu nutzen. "Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie genau überlegen, welchen Zins sie ansetzen können", sagte ein Sprecher. "Die am Kapitalmarkt erzielbaren Renditen liegen aktuell deutlich unter dem Höchstrechnungszins. Es widerspräche gutem Risikomanagement, wenn man diesen unreflektiert zur Grundlage für Beiträge und Leistungen im Neugeschäft verwenden würde."
BAFIN: GARANTIEZINS NICHT GANZ ABSCHAFFEN
Am Garantiezins selbst will die BaFin grundsätzlich nicht rütteln, wie der Sprecher betonte. "Letzten Endes ist das aber eine politische Entscheidung." Dabei hat der Höchstrechnungszins zuletzt an Bedeutung verloren, weil immer mehr Lebensversicherer unter dem Druck der "Solvency II"-Regulierung und der niedrigen Zinsen im Neugeschäft nur noch Produkte ohne oder mit geringeren Garantien anbieten. Nach Schätzungen der Aktuare bietet nur noch ein Drittel der gut 80 Lebensversicherer in Deutschland Policen mit Garantiezins an. Beim Marktführer Allianz entfallen nur noch sieben Prozent der neu abgeschlossenen Volumens auf klassische Garantieprodukte. Branchenweit machen sie nach Daten des GDV aber immer noch fast ein Drittel des Neugeschäfts aus.
An den bestehenden Verträgen, für die die Lebensversicherer zum Teil noch Garantien über 4 Prozent ausgesprochen hatten, ändert sich durch die geplante Neuregelung nichts.
Besondere Probleme schafft eine Senkung des Garantiezinses bei Riester-Rentenverträgen. Denn dabei müssen die Versicherer garantieren, dass ein Kunde am Ende der Laufzeit zumindest den eingezahlten Beitrag - einschließlich der staatlichen Zulagen - komplett herausbekommt, und gleichzeitig ihre Vertriebs- und Verwaltungskosten decken. Der Bund arbeitet deshalb an einer Reform der Riester-Rente.