Finanzen

Nobelpreisträger warnt: Niemand kann Coronakrise richtig einschätzen - vor allem die Börsen nicht

Der Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Shiller warnt, dass die Finanzmärkte die Folgen der Corona-Krise überschätzen könnten.
22.03.2020 10:00
Lesezeit: 1 min
Nobelpreisträger warnt: Niemand kann Coronakrise richtig einschätzen - vor allem die Börsen nicht
Stockholm, Oktober 2013: Das Nobelpreis-Komitee verkündet die Gewinner des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften. Das Foto von Robert Shiller ist ganz rechts zu sehen. (Foto: dpa) Foto: Claudio Bresciani

Der amerikanische Nobelpreisträger Robert Shiller hat vor einer möglichen Fehlbewertung der Corona-Krise durch die Finanzmärkte gewarnt. Dem Berliner Thinktank ´Forum New Economy´ sagte der 73-Jährige, dass niemand wisse, niemand wissen könne, was für Auswirkungen die Pandemie auf die Wirtschaft tatsächlich hat: „Was gerade geschieht, lässt sich durch kein statistisches Modell erfassen, da es ein sehr außergewöhnliches großes Ereignis ist – wir haben es mit einem Schwarzen Schwan zu tun.“

Es sei daher enorm schwer zu sagen, ob die Finanzmärkte mit ihren heftigen Kursverfällen übertrieben oder nicht, mit anderen Worten: Ob Corona der Realwirtschaft tatsächlich so stark zusetze, wie viele Aktienbesitzer und -händler offensichtlich glauben. Die Erfahrung zeige, dass Leute oft überreagierten, wenn es um kurzfristige Effekte von Ereignissen gehe, so Shiller. Doch das sei nicht notwendigerweise immer der Fall. Als Beispiel für ein kluges Verhalten der Märkte nannte der Ökonom die Spanische Grippe von 1918: Damals sei es lediglich zu einer milden Rezession gekommen, und die Finanzmärkte hätten weise reagiert – es sei zu keinem dramatischen Wertverlust auf dem Aktienmarkt gekommen (wobei die Erfahrungen mit der Spanischen Grippe natürlich nicht garantiert, dass auch die Corona-Pandemie nur eine kurze wirtschaftliche Krise mit sich bringen wird – es weiß eben niemand, was geschehen wird).

Stiller weist auf ein weiteres Phänomen hin: Umfragen zum Aktiencrash von 1987 hätten gezeigt, dass professionelle Händler keine bessere Deutung der Entwicklungen hatten als private Aktienbesitzer. Der Ökonom: Wenn sich die Märkte ganz alltäglich entwickeln, haben Profis statistische Modelle, die sich bewähren, weil es um häufige Entwicklungen geht. Aber bei großen Ereignissen wie der Corona-Krise, wissen auch sie nicht, was sie davon halten sollen.”

Hinsichtlich der aktuellen Panikverkäufe an den Finanzmärkten wäre es hilfreich, den Handel immer wieder auszusetzen („Circuit Breaker“ in der Fachsprache, zu Deutsch „Sicherheitsschalter“). Das sei eine simple, aber wirksame Methode, um die Märkte zu stabilisieren, so Shiller. Es würde den Händlern nämlich Zeit verschaffen, zu reflektieren und noch einmal nachzudenken, was die Zahl unüberlegter Handlungen und zu rasch getroffener Entscheidungen reduzieren könne.

Shiller erhielt 2013 den Nobelpreis für die empirische Analyse von Kapitalmarktpreisen. Er hat an der Entwicklung des wichtigsten amerikanischen Immobilien-Indexes „Case-Shiller-Index“ mitgewirkt und gilt als Keynesianer.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Einzelhandel Insolvenzen: Wie sich die Branche gegen den Niedergang stemmt
05.12.2025

Der Einzelhandel rutscht tiefer in die Krise, während Traditionsmarken reihenweise fallen. Trotz leicht verbesserter Konjunkturdaten...

DWN
Politik
Politik Europa prüft Alternativen für Ukraine-Finanzierung: Umgang mit russischem Vermögen bleibt offen
05.12.2025

Europa ringt um einen verlässlichen finanziellen Rahmen für die Ukraine, während politische Verzögerungen den bisherigen Ansatz ins...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Positiver Analystenkommentar von JPMorgan und Silberstreifen am Cloud-Horizont
04.12.2025

SAP und Salesforce senden an den Börsen neue Signale: Während JPMorgan der SAP-Aktie frische Impulse zuschreibt, ringen Anleger bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Schott Pharma-Aktie: Zähe Nachfrage nach Glasspritzen – Pharmazulieferer Schott Pharma schaut vorsichtig auf 2026
04.12.2025

Die Schott Pharma-Aktie ist am Donnerstag nachbörslich unter Druck geraten, Anleger beäugen den Ausblick des Mainzer Pharmazulieferers...

DWN
Politik
Politik Die EZB blockiert: Streit um EU-Pläne für eingefrorene russische Vermögenswerte
04.12.2025

Die EU ringt um einen Weg, die finanziellen Belastungen des Ukrainekriegs abzufedern, doch zentrale Institutionen setzen klare Grenzen. Wie...

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen in Moskau: Trump-Gesandte führen Gespräche mit Putin
04.12.2025

Die Gespräche zwischen Washington und Moskau rücken die Suche nach einer realistischen Friedenslösung wieder in den Mittelpunkt der...

DWN
Politik
Politik EU Ermittlungen: Staatsanwaltschaft nimmt Büros von Kaja Kallas ins Visier
04.12.2025

Die Ermittlungen der Europäischen Staatsanwaltschaft rücken den Umgang mit sensiblen EU-Mitteln und institutionellen Abläufen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trade Republic Probleme: Kundenfrust wächst trotz neuer Produkte
04.12.2025

Trade Republic wirbt mit Innovationen, doch viele Kunden erleben etwas anderes. Die Beschwerden zu Ausfällen, Support und Handelbarkeit...