In der Corona-Krise will die Bundesregierung nun Studenten und Asylbewerber für Ernte und Aussaat mobilisieren. "Die Personal-Situation ist hier teilweise sehr angespannt", sagte Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner nach einer Sitzung des Corona-Kabinetts in Berlin. Berufspendler und Saisonkräfte etwa aus Osteuropa fielen wegen Reisebeschränkungen aus.
Stark betroffen seien zudem Schlachthöfe und Molkereien, die auf Berufspendler aus Tschechien oder Polen angewiesen seien. Man wolle jetzt Studenten zur Mitarbeit motivieren, indem Bafög-Empfängern die Hilfe trotz höherem Zuverdienstes nicht gekürzt werde. Innenminister Horst Seehofer prüfe zudem, ob das Arbeitsverbot für Asylbewerber aufgehoben werden könne. "Es sind ungewöhnliche Zeiten, da sollte man auch solche Dinge regeln", forderte die CDU-Politikerin.
Laut Klöckner werden im März 30.000 zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht, im Mai dann 80.000. Trotz der Engpässe gebe es keine Gefahr für die Lebensmittelversorgung trotz Hamster-Käufen, betonte Klöckner. "Wir werden nicht verhungern." Deutschland produziert den überwiegenden Teil der Grundnahrungsmittel wie Getreide, Fleisch und auch Gemüse selbst ausreichend und exportiert zudem etwa bei Milchprodukten große Mengen.
Verkehrsminister Andreas Scheuer sagte, gerade an den Grenzen zu Osteuropa gebe es immer wieder Probleme mit dem Warenverkehr. Man suche für Lkw-Fahrer aber auch Bauarbeiter Lösungen. Gerade die Gespräche mit Polen und Tschechien seien aber schwierig. "An der Stelle kann ich kein Ergebnis sagen. Da stehen wir immer wieder vor neuen Herausforderungen."
Die weltweiten Versorgungswege mit Nahrungsmitteln sind infolge von Quarantänen, Ausgangsbeschränkungen und dem erzwungenen Schließen von Veranstaltungen und Verkehrsknotenpunkte derzeit in Bedrängnis geraten. Erste asiatische Länder verhängten Exportstopps für Grundnahrungsmittel wie Reis, sagte Klöckner am Donnerstag. Der Irak hingegen ist auf der Suche nach einer Million Tonnen Weizen und 250.000 Tonnen Reis. Vietnam als drittgrößtes Reis-Ausfuhrland und Kasachstan als Weizen-Exporteur kündigten Ausfuhrbeschränkungen an.
PROBLEME IM WARENVERKEHR
Der Düngemittel-Produzent K+S wurde nach eigenen Angaben von der Bundesregierung inzwischen als systemrelevant für die Lebensmittelversorgung anerkannt. Ein Schließung der Werke drohe daher bei einer weiteren Ausbreitung der Pandemie nicht, sagte ein Firmensprecher.
Deutschlands größter Agrarhändler BayWa macht sich dennoch Sorgen um den Nachschub an Dünger und Pflanzenschutzmitteln. Die Lieferketten seien "durchaus beeinträchtigt", räumte Vorstandschef Klaus Josef Lutz ein. "Derzeit sind wir gegenüber unseren Landwirten ohne Einschränkung lieferfähig." Vor allem wenn sich die Lage an den Binnengrenzen in Europa in den nächsten Wochen nicht ändere, könne es aber zu Unterbrechungen kommen. Bei Dünger sei Deutschland auf Importe aus anderen EU-Staaten angewiesen.
PREISE AN AGRAR-BÖRSEN STEIGEN
Die Hamsterkäufe in vielen Ländern erschweren die Lage: In Großbritannien registrierte die Handelskette Ocado am Dienstag eine zehnfach höhere Nachfrage als üblich. Das Land sei aber gut versorgt, sagte Ocado-Chef Stuart Rose der BBC. Auf den weltweiten Agrarmärkten macht sich die angespannte Lage bereits bemerkbar. "Die Menschen werden nervös", sagte Phin Ziebell, Agrarexperte der National Australia Bank. Neben Vietnam schränkt auch Indien die Reis-Exporte ein, da das Land praktisch unter Ausgangssperre steht. Der Preis für das Getreide stieg auf den höchsten Wert seit 2013. An der Börse in Chicago kostete die Weizenlieferung rund zehn Prozent mehr als vor einer Woche. Händler betonten jedoch, auf der Welt würden mehr als ausreichend Grundnahrungsmittel produziert.
Russland als weltgrößter Getreideexporteur erwägt eine zeitweise Begrenzung seiner Ausfuhren. In den kommenden drei Monaten könnten die Lieferungen ins Ausland auf sieben Millionen Tonnen limitiert werden, wie das Landwirtschaftsministerium am Freitag in Moskau mitteilte. Damit solle eine stabile Versorgung des heimischen Lebensmittelmarktes während der Coronavirus-Pandemie gesichert werden. Sollte die Maßnahme beschlossen werden, würden sie die wichtigsten Getreidearten treffen: Weizen, Roggen, Gerste und Mais.
"Es ist eine symbolische Geste, aber eine beunruhigende", sagte ein europäischer Händler. "Ist dies ein erster Schritt zur Reduzierung der Exporte, um Russlands eigene Lebensmittelversorgung inmitten der Corona-Krise zu erhalten? Das ist die Sorge." Die Preise für Weizen zogen an den europäischen Börsen bereits an. Russland exportierte von Juli-Dezember 2019 rund 25,2 Millionen Tonnen Weizen, Roggen, Gerste und Mais.
Die Ukraine hatte zuvor ebenfalls erklärt, die Weizenexporte täglich zu überwachen und bei Bedarf Maßnahmen zu ergreifen werde. Bäcker und Müller des Landes hatten zuvor gefordert, die Getreideexporte zu begrenzen, um einen Anstieg der Brotpreise zu verhindern, falls sich die Ausbreitung des Coronavirus beschleunige.