Unternehmen

Schwerer Rückschlag: Boeing verliert milliardenschweren 737-Max-Großauftrag

Der angeschlagene US-Luftfahrtriese Boeing hat einen weiteren Großauftrag für seinen Problemflieger 737 Max verloren.
03.04.2020 16:43
Aktualisiert: 03.04.2020 16:43
Lesezeit: 3 min
Schwerer Rückschlag: Boeing verliert milliardenschweren 737-Max-Großauftrag
Boeing steckt tief in der Krise. (Foto: dpa) Foto: Elaine Thompson

Der angeschlagene US-Luftfahrtriese Boeing verliert einen weiteren Großauftrag für seinen Problemflieger 737 Max. Die Flugzeugleasinggesellschaft Avolon storniert aufgrund der Corona-Krise eine Bestellung über 75 der Jets, wie sie am Freitag in Dublin mitteilte. Bei Abschluss des Deals 2017 war der Auftrag laut Boeing inklusive einer Kaufoption für 20 weitere 737-Max-Jets nach Listenpreisen fast 11 Milliarden Dollar (10,2 Mrd Euro) wert.

Avolon-Chef Dómhnal Slattery erklärte zwar, trotz zweier Abstürze und weltweiter Flugverbote grundsätzlich weiter auf die 737 Max setzen zu wollen. Doch das Unternehmen müsse auf die Corona-Pandemie reagieren, die den Flugverkehr in weiten Teilen der Welt zum Erliegen gebracht hat. Auch bei Boeings europäischem Erzrivalen Airbus habe Avolon deshalb vier Aufträge für Modelle vom Typ A330neo zurückgezogen und Auslieferungstermine für 25 weitere Flieger nach hinten verschoben.

Der Flugzeugbauer Boeing hat sich mit dem Desaster bei seinem Mittelstreckenjet 737 Max vom Vorzeigekonzern zum Krisenfall gemacht. Das seit einem Jahr geltende Flugverbot leert die Kassen des Konzerns, und jetzt trifft die Ausbreitung des Coronavirus mit schwerwiegenden Folgen für den Luftverkehr den Hersteller zur Unzeit. Was bei Boeing los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

Lange galt Boeing aus den USA als Erfolgsmodell. Selbst Manager des europäischen Rivalen Airbus staunten, wie viel Geld Boeing mit jedem Flugzeugverkauf in der Kasse behielt. Auf der technischen Seite konnte Airbus den Rivalen zwar immer wieder vor sich hertreiben. Doch bei den Finanzen schienen die Amerikaner den Europäern weit voraus.

Davon ist derzeit nicht mehr viel übrig. Zwei Flugzeugabstürze haben den Luftfahrt-Riesen in eine schwere Krise gebracht. An diesem Freitag jährt sich das weltweite Flugverbot für den Unglücksflieger vom Typ 737 Max zum ersten Mal. Ob und wann die Maschinen wieder abheben dürfen, bleibt ungewiss. Das Vertrauen in Boeing ist erschüttert, der Ruf ramponiert.

Drei lange Tage dauerte es, bis sich die USA dem Druck beugten. Am Mittwoch, dem 13. März 2019, kündigte Präsident Donald Trump das Flugverbot für Boeings 737 Max an. Am Sonntag zuvor war in Äthiopien eine Maschine des Typs abgestürzt, knapp fünf Monate vorher ein baugleiches Modell in Indonesien. Insgesamt starben dabei 346 Menschen. Nach dem zweiten Absturz sperrten China, die EU und andere Staaten rasch ihre Lufträume für die 737 Max. Die USA kamen nicht mehr umhin, nachzuziehen.

Den Untersuchungsberichten zufolge erfolgten die Abstürze nach einem ähnlichen Muster: Eine fehlerhafte Steuerungsautomatik lenkte die Flugzeuge Richtung Boden - bis zum Aufprall. Boeing wollte dieses Problem eigentlich bereits nach dem ersten Unglück per Software-Update beheben, doch die Lösung zieht sich bis heute hin. In der Zwischenzeit kamen immer neue Details heraus, die den Konzern in Erklärungsnot brachten. Der Vorwurf: Boeing habe die 737 Max aus Profitgier überstürzt auf den Markt gebracht und die Sicherheit vernachlässigt.

Ob bei der 737-Max-Zertifizierung alles mit rechten Dingen zuging, ist in den Gegenstand verschiedener Ermittlungen. Es gibt sogar den Verdacht, dass Boeing die US-Flugaufsicht FAA getäuscht und wichtige Informationen unterschlagen haben könnte. Heikle Interna und forsche Ansagen zur 737-Max-Wiederzulassung belasteten das Verhältnis zur Behörde so stark, dass die Spannungen als ein Grund für den Rauswurf von Konzernchef Dennis Muilenburg im Dezember galten.

Muilenburgs Nachfolger Dave Calhoun versucht nun, das Vertrauen in Boeing wiederherzustellen. Dabei hat der Manager alle Hände voll zu tun. Das 737-Max-Debakel hat dem Konzern 2019 den ersten Jahresverlust seit 1997 eingebrockt. Die Sonderkosten wegen der Flugverbote beliefen sich zuletzt auf 18 Milliarden Dollar - und die Schadensbilanz dürfte noch deutlich steigen.

Boeing geht davon aus, dass die 737 Max "Mitte 2020" wieder zugelassen wird, doch die Entscheidung liegt bei den Behörden. Geschäftlich betrachtet ist das größte Problem des Herstellers, dass er seinen bis zu den Abstürzen bestverkauften Flugzeugtyp nicht mehr an Kunden ausliefern kann. Zudem hat er rund 400 Maschinen auf Halde produziert, ohne dafür nennenswert Geld zu bekommen. Erst im Januar setzte Boeing die Fertigung aus, meldet die dpa.

Auslöser für die Entwicklung des Jets war ausgerechnet ein Coup des Rivalen Airbus. Dieser hatte seinem Mittelstreckenjet A320 mittels modernerer Triebwerke eine spritsparende Neuauflage mit dem Namen A320neo spendiert. Mitte 2011 hatte Airbus schon mehr als 1000 Bestellungen eingesammelt und Boeing erste Stammkunden abspenstig gemacht. Wenig später kündigte der US-Konzern an, auch der betagten Boeing 737 eine Modernisierung zu spendieren. Eine komplette Neuentwicklung hätte zu viel Zeit gekostet.

Seit dem Flugverbot warten nun Fluggesellschaften in aller Welt darauf, dass der US-Konzern die Probleme löst und die Behörden den Flieger wieder in die Luft lassen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Start-up Etalytics: KI als digitaler Dirigent für die Industrieenergie
28.11.2025

In Deutschlands Fabriken verpuffen gewaltige Mengen Energie. Mit einer eigenen KI, die das System kontrolliert, gelingen Etalytics...

DWN
Finanzen
Finanzen Bullenmarkt im Blick: Steht der globale Aufwärtstrend vor einer Wende?
28.11.2025

Die globalen Aktienmärkte erleben nach Jahren starken Wachstums wieder mehr Unsicherheit und kritischere Kursbewegungen. Doch woran lässt...

DWN
Politik
Politik Milliarden-Etat für 2026: Bundestag stemmt Rekordhaushalt
28.11.2025

Der Bundestag hat den Haushalt für 2026 verabschiedet – mit Schulden auf einem Niveau, das zuletzt nur während der Corona-Pandemie...

DWN
Politik
Politik Zu wenige Fachkräfte, zu viele Arbeitslose: Deutschlands paradoxer Arbeitsmarkt
28.11.2025

Deutschland steuert auf fast drei Millionen Arbeitslose zu, doch das eigentliche Problem liegt laut Bundesagentur-Chefin Andrea Nahles...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation bleibt im November bei 2,3 Prozent stabil
28.11.2025

Auch im November hat sich die Teuerungsrate in Deutschland kaum bewegt: Die Verbraucherpreise lagen wie schon im Vormonat um 2,3 Prozent...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Koalition erzielt Kompromisse bei Rente, Autos und Wohnungsbau
28.11.2025

Nach langen Verhandlungen haben CDU, CSU und SPD in zentralen Streitfragen Einigungen erzielt. Die Koalitionsspitzen verständigten sich...

DWN
Politik
Politik Zeitnot, Lücken, Belastung: Schulleitungen schlagen Alarm
28.11.2025

Deutschlands Schulleiterinnen und Schulleiter stehen nach wie vor unter hohem Druck: Laut einer Umfrage der Bildungsgewerkschaft VBE sind...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Datenschutz oder Fortschritt? Der Balanceakt zwischen Sicherheit und Innovation
28.11.2025

Die DSGVO sollte Vertrauen schaffen – doch sie ist für viele Unternehmen zur Innovationsbremse geworden. Zwischen Bürokratie,...