Politik

Deutsche Bank: "Es gibt keinen freien Markt mehr"

Lesezeit: 2 min
16.04.2020 10:00
Nach Ansicht des führenden Deutsche-Bank-Analysten George Saravelos markieren die weltweiten Eingriffe der Zentralbanken in den letzten Wochen das "Ende des freien Marktes".
Deutsche Bank: "Es gibt keinen freien Markt mehr"
Die Manipulation der Börsen durch die Zentralbanken hat ein solches Maß erreicht, dass man nach Ansicht von Analysten nicht mehr von einem freien Markt sprechen kann. (Foto: dpa)
Foto: Vanessa Carvalho

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In den letzten Wochen haben alle großen Notenbanken der Welt historische Summen an Geld gedruckt und zudem weitere massive Wertpapierkäufe angekündigt. Diese Vorgänge stellen nicht nur die größte Umverteilung von Vermögen in der Geschichte dar, sondern sie sollen es außerdem den Regierungen ermöglichen, staatliche Ausgabenprogramme von ebenfalls historischen Ausmaßen zu finanzieren, was zu ineffizienten Fehlinvestitionen in einem nie dagewesenen Umfang führen muss.

In diesem Zusammenhang hat George Saravelos, Leiter der globalen Devisenforschung der Deutschen Bank, nun einen Sonderbericht veröffentlicht, der den Titel trägt: "Das Ende des freien Marktes: Auswirkungen auf die Währungen und darüber hinaus". Darin spricht der Analyst von einem "Zombie-Markt", so etwas wie einen freien Markt gebe es nach den staatlichen Eingriffen in den letzten Wochen hingegen nicht mehr.

"Innerhalb weniger Wochen sind die Zentralbanker zu einem Notanker für die privaten Kreditmärkte geworden. Im Extremfall könnten die Zentralbanken zu permanenten Kommandoagenten der Wirtschaft werden, die die Aktien- und Kreditpreise verwalten und auf aggressive Weise finanzielle Schocks dämpfen. Es wäre eine bipolare Welt der finanziellen Repression mit hoher Volatilität in der Realwirtschaft, aber sehr geringer finanzieller Volatilität. Ein 'Zombie'-Markt".

Die rasche Zinssenkung der Federal Reserve auf Null und ihr gigantisches Paket von Kredit- und Darlehensprogrammen stellen die während der Finanzkrise von 2008 ergriffenen Notfallmaßnahmen leicht in den Schatten. "Was wir hier erleben, ist nichts weniger als der Tod des Kapitalismus und die Geburt von etwas Neuem", sagt auch Mati Greenspan, Gründer des Analyse- und Beratungsunternehmens Quantum Economics.

"Mit der Ankündigung, bei Bedarf eine 'unbegrenzte' Menge an Vermögenswerten vom Markt zu kaufen, sagt die Fed im Grunde genommen, dass sie die Märkte lieber verstaatlichen würde, als dass sie die Kurse sinken lässt. Was vor einem Jahrzehnt als geldpolitisches Experiment begann, lässt uns heute den Übergang zu einem neuen Wirtschaftssystem miterleben", zitiert Forbes den Analysten.

Saravelos von der Deutschen Bank sagt, dass die Zentralbanken sich vorerst darauf konzentrieren, die Volatilität der Vermögenspreise zu dämpfen. "Eine sich abzeichnende globale Liquiditätsfalle bedeutet aber auch, dass der Wechselkurs zu einem immer wichtigeren Instrument für die Zentralbanken wird." Zentralbanken können den Wechselkurs immer beeinflussen, indem sie ihre eigenen Währungen drucken und damit andere Währungen oder Wertpapiere kaufen.

"Wenn sich die Zentralbanken wieder auf Devisen konzentrieren, könnte dies eine neue Quelle der Volatilität sein", schreibt Saravelos. Ein Beispiel dafür sei das riesige Interventionsprogramm der Schweizerischen Nationalbank. Das gegenwärtige Umfeld könnte schließlich die Saat für eine Beggar-thy-Neighbor-Politik legen, wobei die eigene Währung abgewertet wird, um die Exporte anzukurbeln, - ähnlich der Großen Depression der 1920er Jahre.

Laut Saravelos sind die Auswirkungen des aktuellen Umfelds auf die Wechselkursvolatilität ambivalent und hängen davon ab, wie weit die Zentralbanken bei der finanziellen Repression gehen werden. "Wenn es wieder Inflation oder Währungskriege gibt, so wird die Volatilität sowohl auf den Devisenmärkten als auch den breiteren Anleihe- und Währungsmärkten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit voller Wucht zurückkehren."


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik Im Kosovo rächen sich jetzt alte Fehler des Westens
04.06.2023

Die jüngsten Ausschreitungen im Kosovo hatten zwar einen aktuellen Anlass. Doch die Lunte an das Pulverfass war schon viel früher gelegt....

DWN
Finanzen
Finanzen Amerikas Bankenkrise, Teil 2: Welche Schäden verursachen die Zinsanstiege?
04.06.2023

DWN-Finanzexperte Michael Bernegger beschreibt, welche strukturellen Gründe hinter der Bankenkrise in den USA stehen - und warum diese...

DWN
Finanzen
Finanzen Aktienmärkte: Unter der glitzernden Oberfläche brodelt es
04.06.2023

Oberflächlich betrachtet schlagen sich die US-Aktienmärkte gut. Das Fundament für den Aufschwung ist allerdings schwach. In vielen...

DWN
Finanzen
Finanzen Zinswende: Kommt eine zweite Inflationswelle – und wie schützen sich Anleger?
04.06.2023

Der Markt rechnet mit Zinssenkungen in diesem Jahr. Kritische Ökonomen befürchten eine Rezession und eine zweite Inflationswelle. Was...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Diebstahl und Gewalt machen US-Einzelhandel unprofitabel
04.06.2023

Der US-Einzelhandel leidet unter der ansteigenden Kriminalität. Der massive Anstieg von Diebstahl und Gewalt vernichtet den Profit. Das...

DWN
Immobilien
Immobilien Europas Immobilienmarkt droht weiteres Ungemach
03.06.2023

Die Immobilienunternehmen in Europa haben bereits historische Wertverluste hinnehmen müssen, doch wegen der steigenden Kreditkosten drohen...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietnomaden: So prüfen Vermieter die Bonität
04.06.2023

Die Qualität der Mieter hat großen Einfluss darauf, ob sich eine Mietimmobilie rechnet. Doch wie wählt man einen Mieter richtig aus? Wir...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Aktionäre verhindern Klima-Kampf in der Öl-Branche
04.06.2023

Vorstöße von Investoren einiger der größten Ölgesellschaften für mehr Klima-Maßnahmen sind gescheitert. Für die Mehrheit der...